Predigtgedanken 26.03.2017
26. Mär `17
4. Fastensonntag
(A)
Die Blindheit des Herzens heilen lassen
(Jörg Thiemann 2017)
Die Heilung des Blindgeborenen befreit ihn von seiner körperlichen Blindheit aber auch von der Blindheit des Herzens. Die Fastenzeit führt uns zu Jesus, der auch unsere Blindheit des Herzens heilen möchte.
Mit dem Herzen sehen
„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar…!“ Eine Zeit lang war dieses Wort bei vielen Hochzeiten zu hören. Der Ehemann, die Ehefrau sollte mit den Augen des Herzens, mit den Augen der Liebe angeschaut werden. Der Mensch ist eben mehr als das, was man von außen her sieht. Der Mensch ist mehr als seine äußeren Taten.
In diesem Wort, das der Fuchs zum kleinen Prinzen spricht, zeigt sich: Es gibt nicht nur ein äußeres Sehen. Es gibt ein anderes Sehen auch. Es gibt nicht nur eine Blindheit der organischen Augen. Diese Blindheit ist sicher sehr bitter. Ich stelle mir vor, dass Jesus tatsächlich Blinde geheilt hat. Welche eine Freude und Erleichterung müssen diese Menschen gespürt haben. Welche neue Lebensqualität diese Menschen bekommen.
Der junge Mann im Evangelium bekommt ein neues Leben geschenkt. Jesus hat ihn geheilt. Doch hat er ihn noch aus einer tieferen, eine anderen Blindheit befreit. Es ist die Blindheit unseres Herzens. Diese Blindheit kann nur dann geheilt werden, wenn wir in der Tat Jesus begegnen und nicht nur das: wir können von der Blindheit unseres Herzens nur dann geheilt werden, wenn wir uns auf IHN einlassen, wenn er uns mit seinen Wort und Zeichen ganz nahe kommen. Unser Leben kann schöner und reicher werden, wenn wir uns auf Jesus einlassen. „Gottes Handeln soll an ihn offenbar werden!“ so antwortet Jesus auf die Frage der Jünger, ob der junge Mann gesündigt hat oder ob seine Eltern gesündigt haben. Gottes Handeln kann auch an uns heute offenbar werden.
Im Grund genommen heilt doch Gott nicht die Augen. Er heilt noch viel mehr unsere Herzen. Nur mit dem Herzen sehen wir das, was hinter allem Äußeren zu sehen ist. Je mehr wir unser Herz Gott schenken und von seinen Worten und seiner Liebe zu uns heilen lassen, umso mehr lernen wir die Mitmenschen und Gott kennen.
Herzen heilen
Der Prophet Samuel ist für uns ein wichtiges Beispiel. Auch er sieht zuerst das äußere: das Aussehen und die stattliche Gestalt. Samuel schaut zuerst auf das, was die Menschen sehen. Gott hat einen anderen Blick. Eben diesen Blick muss Samuel noch erlernen. Gott sieht nicht auf das Äußere, was uns Menschen wichtig ist. Gottes Blick ist ein anderer.
Eben diesen Blick müssen auch wir noch lernen. Wir lernen diesen Blick je mehr unser Herz geheilt wird. Herzen müssen geheilt werden vom Egoismus. Dieser lässt einen Menschen nur noch den eigenen Vorteil sehen, nur noch an sich selber denken. Man sieht nicht mehr den Mitmenschen. Wie arm ist doch ein Blick eines Menschen, der nur noch sich sieht und den Mitmenschen nicht mehr als Bereicherung empfindet. Herzen müssen geheilt werden von Angst. Man sieht nur noch Gefahren und verliert völlig das Vertrauen auf Gott. Gott lenkt unser Leben. Herzen müssen geheilt werden von Eitelkeit. Ein Mensch hat keinen Blick mehr für die Schönheit der Welt und der Mitmenschen. Herzen müssen geheilt werden von Neid, von Hass, von der Lüge. Das alles lässt den Menschen nur auf sich selbst zurück fallen, nur noch sich selbst sehen.
Schon gar nicht hat der Mensch einen Blick für Gott, für Jesus Christus. Dieser Jesus holt uns mit seinen Worten aus dem Dunkel in das Licht des Lebens. Wo bleiben wir im Dunkel der Welt stecken. Dabei sind wir ja zu Licht geworden. Bei der Tauffeier betet der Priester: "Das Kind soll als Kind des Lichtes leben..." Das können wir nur dann, wenn uns eben Jesus für uns das Licht ist wie es Paulus an die Epheser schreibt. Ein Herz, das verwundet ist, das sich nicht in Gott festmacht, bleibt an den Werken der Finsternis stecken, an den Werken, die uns unfrei machen, an den Werken, die unser Leben zerstören.
Sich heilen lassen
Je mehr wir unsere Herzen heilen, um so mehr werden wir auch Jesus erkennen als den Herrn unseres Lebens. Wir haben im Evangelium gehört, wie sehr sich viele ihm verschließen. Er hat ja schließlich an einem Sabbat geheilt. Die zu starke Fixierung auf ein Gesetz, das Halten eines Gesetztes bloß um des Gesetzes willen. Jesus aber geht es immer um das Heil des Menschen, sein körperliches, mehr noch aber sein seelisches, sein geistliches Heil. Wer mit dem Herzen sieht, wer immer mehr mit den Augen Gottes sieht, der wird unverstanden. Ein Mensch kann ausgestoßen werden aus der Gemeinde. Es kann schwere persönliche Folgen haben, wenn ich mit dem Augen Gottes sehe. Nicht einmal die Eltern stellen sich hinter dem Sohn. Sie bleiben zu sehr im eigenen Glauben. Sie fürchten zu stark ausgegrenzt zu werden aus der Synagoge. Zwar sehen sie, dass ihr Sohn geheilt ist, doch wer Jesus ist, erkennen auch sie nicht. Es kann zu Spaltungen kommen wie wir es im Evangelium gehört haben.
Im Evangelium sehen wir viele Menschen, die Jesus nicht erkennen. Sie wollen es auch gar nicht. Zu sehr würde ihr Lebensgebäude zusammenbrechen. Zu sehr müssten sie ihr eigenes Leben ändern. Auch als religiöser Mensch kann ich dieser Gefahr unterliegen, Gott in meinem Leben außen vor zu lassen. Ich setze absolut, was ich für richtig und wichtig erkannt habe. Ich bin voll von mir selbst. Mein Herz und die Augen meines Herzen aber sind für Gott, für Jesus zu. Hier spüre ich, den Sinn der Fastenzeit. Sich ehrlich zu fragen, wo ist mein Herz krank, wo kann es die Liebe Gottes nicht erkenne, wo kann ich nicht erkennen, dass Gott mit der Welt andere Weg geht.
"Man sieht nur mit dem Herzen gut." Das sagt der Fuchs zum kleinen Prinzen. Wir sehen auch nur mit dem Herzen gut, wenn es in Gott verankert ist, wenn es geheilt ist. Lernen wir sehen, was Gott von uns will, lernen wir die Wege Gottes mit uns, die Liebe Gottes zu uns sehen, in dem wir Jesus begegnen.
Pater Jörg Thiemann, 26.03.2017
Pater Jörg Thiemann
Wer ist schuld? - Warum wir immer Sündenböcke suchen und logische Erklärungen haben wollen...
(Sozialreferat der Diözese Linz 2017)
Wir sind gewohnt, nach dem Schuldigen zu suchen. Das hat oft zur Folge, dass jemand zum Sündenbock gestempelt wird, und sich die anderen von Schuld freigesprochen fühlen. Jesus pflegt einen anderen Umgang mit der Schuldfrage, weil er von einem anderen Gottesbild ausgeht. Daraus ergibt sich auch eine neue Sichtweise und ein neuer Umgang mit dem Leid.
Um die Argumentation der Predigt deutlicher zu machen, sollen als Kurzfassung die
Verse: Joh 9,1-16 und 28 - 38 gelesen werden.
Irgendjemand muss doch schuld sein...
Immer wenn uns die Meldung von einem Unfall, einem Versagen oder einer Katastrophe erreicht, wird die Frage gestellt: Und wer ist schuld daran? Sofort setzt die Suche nach jemandem ein, der oder die sich schuldig gemacht hat. Diese Reaktion ist verständlich, denn sie erleichtert den Umgang mit solchen unangenehmen oder leidvollen Erfahrungen sehr. Wenn klar ist, wer schuld ist, sind alle anderen unschuldig und vom Verdacht frei zu sprechen. Wenn klar ist, wer schuld ist, ist auch klar, wer die Verantwortung zu tragen hat, damit sind alle anderen entlastet. Wenn klar ist, wer schuld ist, können Vergeltungs- und Rachebedürfnisse befriedigt und Strafen verhängt werden.
Alle diese Vorteile, die das Dingfestmachen eines Schuldigen mit sich bringt, erklären, warum wir so eifrig, oft fast fanatisch nach den Schuldigen für negative Ereignisse suchen. Jemand oder etwas muss doch daran schuld sein, dass das oder jenes passiert ist, davon sind wir überzeugt. Nur leider ist die Sache nicht so einfach.
Die Ursachen und Vorgeschichte eines Unglückes oder Versagens sind oft kompliziert und verworren. Oft haben viele kleine Schritte dazu geführt oder viele verschiedene Menschen haben ihre Beiträge geleistet, damit es so weit kommen konnte. Viele, vielleicht sogar alle, sind an diesem Ereignis beteiligt und so gesehen schuld. Oder es ist überhaupt niemand schuld. Es war einfach Pech, Tragik, Zufall, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Damit umzugehen, das auszuhalten fällt uns ganz besonders schwer.
Jesus hat ein anderes Gottesbild
Auch im heutigen Evangelium geht es um die Frage: Wer ist schuld? Im Judentum war die Ansicht sehr verbreitet, dass Leid die Strafe Gottes für die Sünden der Menschen ist. Was aber ist, wenn es jemanden trifft, der oder die gar nicht sündigen konnte, wie ein neugeborenes Kind? Dann müssen halt die Eltern herhalten, sie werden durch die Blindheit ihres Kindes für ihre Sünden von Gott bestraft.
Jesus ist zur Stellungnahme herausgefordert und er reagiert scharf: Niemand hat gesündigt. Jesus lehnt den Zusammenhang von Schuld und dem als Strafe von Gott verhängtem Leid entschieden ab. Seine Gotteserfahrung ist eine ganz andere. Gott verhindert das Leid nicht, er straft die SünderInnen damit auch nicht. Sondern er ist ihnen nahe und will sich offenbaren, indem er heilt. Gott ist bei den Menschen im Leid, er führt sie manchmal auch heraus. Er ist ein Gott, der rettet.
Deshalb schreitet Jesus sofort nach dieser Klarstellung, dass weder der blind Geborene, noch seine Eltern gesündigt haben, zu Heilung des Blinden.
Ein neuer Umgang mit Schuld und Leid
Damit hat er den Pharisäern aber ein großes Problem bereitet, noch dazu wo die Heilung am Sabbat geschehen ist, den Jesus offenbar als besonders geeignete Zeit für Heilungen empfunden hat. Ein Streit und Konflikt entstehen: Kann Jesus, darf Jesus im Namen Gottes Menschen heilen und ihnen damit, nach jüdischer Vorstellung, auch ihre Sünden vergeben? Ist er berechtigt, die gängige Meinung über den Zusammenhang von Sünde und Leid zu bestreiten und dann auch noch durch eine wunderbare Heilung als falsch zu erweisen?
Die Pharisäer fühlen sich ohnmächtig. Das einzige, was ihnen einfällt, ist der Ausschluss des Geheilten aus der Synagogengemeinschaft. Seine Erfahrung des gütigen, heilenden Gottes und sein neuer Glaube könnten ja ansteckend sein. Wo kämen wir denn da hin, wenn das alle glauben würden?
Jesus aber tritt mit dem Geächteten in Kontakt und bestätigt ihn in seinem Glauben an die rettende Macht des Menschensohnes, des Messias. Die Pharisäer aber bleiben verhärtet und gefangen in ihren Anschauungen zurück. Die Geschichte zeigt, dass Jesus die Seinen und auch uns von der zwanghaften Suche nach Schuldigen und Sündenböcken befreien will. Diese Suche hält die Einteilung der Menschen in Böse und Gute, Schuldige und Unschuldige aufrecht. Jesus will uns zeigen, dass manches Leid keinen nachvollziehbaren Grund hat und keinen Auslöser, den wir dingfest machen könnten. Jesus möchte unseren Blick auf den Gott, der treu ist und mit uns durch das Leben geht, lenken.
Gott bleibt im Leid bei uns
Es ist eine der erstaunlichsten Erkenntnisse des jüdischen Glaubens, dass Gott nicht nur dort ist, wo es gut ist, wo es uns gut geht. Es ist offenbar auch nicht Gottes oberstes Ziel, uns vor dem Verlust von Glück und Wohlergehen zu schützen und zu bewahren. Die Gotteserfahrung des Judentums ist, dass Gott im Leid bei uns bleibt und mit uns durch das Unglück geht. Er führt uns zum Besseren, dort wo das möglich ist und wo es nicht möglich ist, stärkt und ermutigt er uns. Selbst durch den Tod hindurch geht er mit uns in das ewige Leben, wo wir von ihm vollendet werden.
Das Christentum hat erkannt, dass diese Vorstellung von Gott in Jesus Fleisch und Blut angenommen hat. Er ist es, in dem Gott erfährt wie sich menschliches Leid anfühlt, weil Jesus selbst Schmerzen und Verachtung ertragen hat. Die Erkenntnis, dass in Jesus Gott leibhaftig im Leid bei uns ist, haben die ersten Christinnen und Christen wie eine Erleuchtung empfunden. Dieser Glaube stellte die Suche nach den Schuldigen in ein anderes Licht. Wenn Gott mitten unter den Opfern ist, dann lässt sich auch sinnloses und grundloses Leid bewältigen.
Vielleicht hat uns die Gemeinde um den Apostel Johannes diese Geschichte deshalb überliefert, weil sie sie als Metapher für ihre eigene Verwandlung empfunden hat. Von Geburt an sind diese Menschen überzeugt gewesen, dass Leid Strafe Gottes für Sünden ist. Jetzt sehen sie, dass Gott nicht straft, sondern im Leid mitten unter den Opfern ist. Das gibt ihnen Hoffnung und eine ganz neue Sichtweise.
© Mag.a Dorothea Schwarzbauer-Haupt, Sozialreferat der Diözese Linz
Sozialreferat der Diözese Linz, 26.03.2017
Sozialreferat der Diözese Linz

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4020 Linz an der Donau
E-Mail: sozialreferat@dioezese-linz.at
Glaubst du an den Menschensohn?
(Bernhard Bossert 2017)
Jesus gibt dem Blindgeborenen nicht nur das Augenlicht wieder, er wird für ihn zum Licht des Lebens. Die Pharisäer schließen ihn aus der Gemeinschaft der Glaubenden aus, er schließt sich Jesus an. Wer Jesus als Licht erfahren hat, ist berufen, selbst zum Licht für andere zu werden.
An Jesus glauben
Heute hörten wir das Evangelium vom Blindgeborenen. Er wird von Jesus geheilt. Da haben die Pharisäer ihre Schwierigkeiten. Jesus passt nicht in ihre Vorstellung von Gesetzesauslegung. Er heilt am Sabbat. Um die Menschen abzuschrecken, sich Jesus zuzuwenden und an ihn zu glauben, stoßen sie den Geheilten aus der Synagoge aus. Das hieß auch, dass er religiös und gesellschaftlich ins Leere fallen sollte. Später begegnet ihm Jesus. Er sagte zu ihm: "Glaubst du an den Menschensohn?" Der Mann fragte: "Wer ist das, Herr? Sag es mir, damit ich glaube." Jesus erwidert ihm: "Du siehst ihn vor dir. Er, der mit dir redet, ist es." Dann findet der geheilte Mann zum Glauben an Jesus: "Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder." Das war die eigentliche, die innere Heilung des Blindgeborenen. Gegen alle Ausgrenzung und Einschüchterung glaubte er an Jesus als sein Lebenslicht.
Im achten Kapitel des Johannesevangeliums, das unmittelbar der Heilung des Blindgeborenen vorausgeht, legt Jesus Zeugnis von sich selber ab. Er sagte: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Wir haben die Hälfte der Fastenzeit überschritten und bitten Gott, dass er uns für das Geheimnis seines Sohnes als Licht auf dem Weg durch den Tod zum Leben erleuchte.
An den Menschensohn glauben
In der heutigen Gesellschaft gibt es eine Dunkelheit, eine „Abwesenheit Jesu“. Im Alltag, in den Massenmedien wird Jesus Christus noch genannt. Doch bleibt offen, wer er wirklich ist. Vieles ist vage und unklar. Manche nennen sich „gläubig“ und meinen die Existenz eines höheren Wesens, vielleicht eines Schöpfers. Sie glauben, dass es ein Jenseits gibt. Bei dieser Art von Religiosität ist Jesus praktisch nicht vorhanden.
Es bleibt auch die Frage an uns: „Glaubst du an den Menschensohn“, der zugleich Sohn Gottes ist und uns zu seinem Vater führt? Der uns persönlich liebt und der für uns sein Blut am Kreuz vergoss? Ist das unser persönlicher Glaube? Nur im Verstand oder bewegt er unser Herz? Wir sind seit unserer Taufe mit Jesus in Beziehung. Doch das Feuer, das Gott damals angezündet hat, ist niedergebrannt. Oft sieht man nur mehr die Asche. Zum Glück ist noch Glut darunter. Sie gilt es zu entfachen. Mancher wird sagen: „Zuerst müsste ich mein Misstrauen dem Herrn gegenüber loslassen, das scheint für mich schwer. Wenn ich nicht mehr alles selber in der Hand halte, fühle ich mich verunsichert.“
Doch der Geist Jesu, der Hl. Geist drängt uns, das Steuer unseres Lebens aus der Hand zu geben und es Jesus ganz, nicht nur halb, zu überlassen. Jesus muss in meinem Lebenswagen vorne sitzen und ich hinten. Oft schieben wir Jesus weg! Nein! schön hinten sitzen und Jesus alles zutrauen und ihm alle Vollmachten geben! Er steuert mich in gutes Land! Sein Licht leuchtet den richtigen Weg aus.
Jacques Loew, einer der ersten Arbeiterpriester nach dem zweiten Weltkrieg, hatte in seiner Jugend den Glauben verloren. Aber eine tiefe innere Unruhe, eine Sehnsucht nach Gott, ließ ihn nicht los. Da kniete er sich eines Tages nieder und betete: "Herr, Gott, Jesus, wenn es dich gibt, dann lass mich dich erkennen!" Und - er betete lange und oft so, ein halbes Jahr, bis er wieder glauben konnte. Heute sind wir wie der Blindgeborene gefragt: „Glaubst Du?“ Uns frägt Jesus „Bist du bereit, mir dein Leben zu übergeben?“ Öffnen wir ihm die Tore unserer Herzen! Sein Licht ist das Licht des Lebens. Wir wandeln nicht in der Finsternis.
"Lebt als Kinder des Lichtes!"
In der Lesung des Epheserbriefes heute heißt es: “Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht geworden. Lebt als Kinder des Lichts! Das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor.“ Aus der Beziehung zum Licht Christi in uns laden uns jetzt die drei Wochen vor Ostern zu Schritten der Versöhnung ein. Vielleicht ruft uns die Stimme des Gewissens zum persönlichen Bußsakrament, zur Beichte. Vertrauensvoll und ruhig kann ich Jesus meine Lebensschlüssel übergeben. Er darf Bereiche in mir öffnen, die ich nicht öffnen kann, weil Dunkelheit sie verschlossen hält. Ich darf Jesus alles hinhalten: meine Not, meine Zweifel, meine ungelösten Probleme; meine Hingabe und mein Versagen, meinen Kleinglauben und mein Vertrauen: er wirkt in uns heilend wie beim Blindgeborenen. Jetzt im Reformationsjahr wollen wir besonders mit den Evangelisch-Lutherischen Christen die Gemeinschaft des Leibes Christi, der uns eint, aufbauen.
Jesus sagt einmal: „Selig sind die Augen, die sehen, was Ihr seht“. Er meint uns: Weil wir durch ihn den Sinn des Lebens, der Liebe und des Sterbens erkennen dürfen. Der schönste Satz, den ein Ehepartner zum andern sagen kann, lautet: „Du hast mich glücklich gemacht.“ Bekennen wir heute schon und erst recht an Ostern als gläubige Kirche: „Jesus, Du hast uns glücklich gemacht! Danke!“
Pater Bernhard Bossert, 26.03.2017
Pater Bernhard Bossert

Jesus begegnen und heil werden
(Felix Schlösser 2014)
"Jesus sah einen Menschen, der seit seiner Geburt blind war", so beginnt das heutige Evangelium. Jesus sah ihn, er ging nicht vorüber. Er wendet sich gerade den Menschen zu, die krank sind, die arm sind, die ausgegrenzt werden von den Selbstgerechten. Bevor er den Blindgeborenen heilt, wird er von seinen Jüngern gefragt: "Wer hat gesündigt? Er selbst? Oder haben seine Eltern gesündigt, so dass er blind geboren wurde?"
Eine falsch gestellte Frage
Wird einer krank, weil er gesündigt hat und jetzt dafür büßen muss? Nein, der Mensch wird nicht durch Krankheiten von Gott bestraft. Er wird nicht krank, weil er das verdient hätte. In Jesus begegnen wir keinem strafenden Gott, der Genugtuung verlangt, sondern einem Gott, der gut ist zu allen Menschen. Der, wie es in der Bergpredigt heißt, seine Sonne auf gehen lässt über Guten und Bösen, der regnen lässt über Gerechten und Ungerechten (Mt 5,45). Der Blindgeborene mag Schuld auf sich geladen haben. Doch deswegen ist er nicht blind geworden.
Auf die Frage der noch einem spätjüdischen Denken verhafteten Jünger antwortet Jesus: "Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Werk Gottes soll an ihm offenbar werden." Gott wirksam werden zu lassen, dazu ist Jesus gekommen. Nicht, um als Wundertäter Aufsehen zu erregen. Jesus sagt von sich, er sei das Licht der Welt: "Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat. Es kommt die Nacht, in der niemand mehr wirken kann. Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt."
Glaubst du?
Jesus hat, wie beispielsweise auch in der Begegnung mit Aussätzigen, keinerlei Berührungsängste. Im wahrsten Sinne des Wortes be-handelt er den blinden Menschen. Er lässt ihn hautnah, leibhaftig spüren, dass ihm Heilung zuteil wird. Jesus spuckt auf die Erde und macht aus dem Speichel einen Brei, den er dem Blinden auf die Augen streicht. Danach sagt Jesus dem Blinden, er solle zum Teich Schilóach gehen und sich darin waschen. Und sehend kommt er zurück. Jesus holt den Blindgeborenen aus seiner Nacht ins Licht, ins Leben.
Die Menschen hatten den Mann, der blind gewesen war, ausgefragt, ausgehorcht. auch dessen Eltern. Er erzählte ihnen, dass er an einem Sabbat von Jesus geheilt worden sei. Das Urteil der Gesetzeswächter. "Einige Pharisäer meinten", so hören wir, "Dieser Mensch kann nicht von Gott sein, weil er den Sabbat nicht hält." Ihnen ging es nicht um den Menschen, sondern um die peinliche Erfüllung des Gesetzes. Ähnlich empörten sich die Pharisäer, als Jesus an einem Sabbat die verdorrte Hand eines Menschen heilt (Mk 3,1-6). Dann gab es weitere Einwände: "Wie kann ein Sünder", Jesus war gemeint, "solche Zeichen tun?" Schließlich wandten sie sich an den Blinden selbst: "Was sagst du selbst über ihn? Er hat doch deine Augen geöffnet?" Der Mann antwortete: Er ist ein Prophet.
Nachdem die Pharisäer den Geheilten ausgestoßen hatten, traf Jesus ihn wieder. Er sagte zu ihm: "Glaubst du an den Menschensohn?" Der Mann fragte: "Wer ist das, Herr? Sag es mir, damit ich glaube." Jesus erwidert ihm: "Du siehst ihn vor dir. Er, der mit dir redet, ist es." Dann findet der geheilte Mann zum Glauben an Jesus: "Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder." Im Glauben an Jesus, im Vertrauen auf ihn, wurde er in seinem Innern geheilt. Er wurde sehend in der Tiefe seines Herzens. Was in ihm noch blind war, wurde licht und hell.
Heilende Begegnungen mit Jesus
Für meinen Umgang mit der Bibel ist es mir wichtig geworden, in ihr nach Begegnungen Ausschau zu halten. Nach Begegnungen, in denen Menschen mit Jesus in Berührung gekommen sind. Hinzuschauen auf die Menschen, die zu Jesus hingefunden haben, an ihn geglaubt, ihm vertraut haben. Wahrzunehmen, wie kranke, heilungsbedürftige Menschen von Jesus geheilt wurden. Das waren die Tauben, die Stummen, die Lahmen, die Aussätzigen, die Blinden. All diese Begegnungsgeschichten sind weitererzählt worden, damit wir in ihnen Jesus begegnen, mit ihm in Berührung kommen. Sonst wären es erbauliche Geschichten aus einer längst vergangenen Zeit geblieben, die uns selber nicht betreffen. Ich möchte mich wiedererkennen in jenen Menschen, die Heilung bei Jesus gesucht haben, die geheilt werden wollten von dem, was sie noch krank sein ließ, was sie niederdrückte, was ihnen Angst machte. "Er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten", lesen wir im Markusevangelium (Mk 1,43). So müsste ich mich dann auch fragen: Was ist in mir noch blind, noch taub, noch stumm? Was ist in der Tiefe meines Herzens noch krank?
An Jesus hat sich die Verheißung des Propheten Jesaja erfüllt: "Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist" (Jes 61,1). Jesus konnte in der Synagoge von Nazaret von sich sagen: "Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht, damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe"(Lk 4,18f.). Jesus lädt uns ein, zu ihm zu kommen: "Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen" (Mt 11,28).
Pater, Dr. theol. Felix Schlösser, 30.03.2014
Pater, Dr. theol. Felix Schlösser

Das Risiko sehend zu werden
(Max Angermann 2014)
Begegnungen verschiedenster Art
Ein Resümee der bisherigen Fastensonntage zeigt, dass wir Begegnungen verschiedenster Art vor uns haben: Am ersten Fastensonntag waren es Begegnungen abstrakter Natur, die sich aber konkret auswirken und denen auch Jesus als Mensch nicht entkommen ist: den Versuchungen nach Besitz, Macht, Ansehen, Ruhm. Dabei geht es darum, Widerstand zu leisten gegen alles, was menschliche Beziehungen stören kann. Am zweiten Fastensonntag: Begegnung mit den Aposteln bei der Verklärung des Herrn. Die Jünger dürfen einen kurzen Augenblick auf die Zukunft werfen und die Wirklichkeit der Auferstehung genießen. Der dritte Fastensonntag zeigt, wie Konventionen durchbrochen werden. Jesus geht nicht nur zu den Selbstgerechten, sondern auch zu der samaritischen Frau, einer Ausländerin und kommt mit ihr ins Gespräch. Für Juden völlig undenkbar, dass es so etwas geben darf. Glatter Regelbruch! Die letzte Begegnung in der Fastenzeit ist die Begegnung Jesu mit dem Tod.
Heute, am vierten Fastensonntag, geht es wieder um eine Begegnung: die Begegnung mit Krankheit und Leid, somit um das Hineingehen in letzte Tiefen menschlicher Existenz und was aber in besonderer Weise den Inhalt dieses Sonntags ausmacht: um Freude und Heil und um zum Glauben zu ermuntern. Das wäre Aufgabe jeder Religion, heilend zu wirken, was aber leider nicht immer geschieht. Wieder bricht Jesus in den Augen der Pharisäer eine Konvention: Heilung am Sabbat. Die Handlungsebenen dieses Evangeliums verdienen genauere Betrachtung: Da wird zunächst Ursachenforschung betrieben: Wer trägt Schuld an der Krankheit, (an Leid, Tod, Misserfolgen)? Diese Frage zieht sich durch die gesamte Perikope. Auch heute suchen wir nach dem Sündenbock, dem Verursacher allen Unglücks.
Jesus führt zum Licht
Worin liegt die Blindheit? Sie ist nicht nur in der Augenkrankheit feststellbar, die kein Licht zulässt und beim Blinden alles rundherum verdunkelt. Jesus führt zum Licht, er ist das Licht, er führt auch zum Licht des Glaubens. Die Blindheit liegt beispielsweise in Vorurteilen, in festgefahrenen Meinungen, im Denken, das keine anderen Sichtweisen zulässt, in der Realitätsverweigerung. Blindheit liegt auch darin "Sein Köpferl im Sand" zu verstecken, wie Arik Brauer formuliert: "Hinter meiner, vorder meiner, links, rechts güt's nix, ober meiner, unter meiner siach i nix. Spür nix, hear nix und i riach nix."- Weil Jesus auch von dieser Art von Blindheit befreien will, bückt er sich: Speichel und Erde als Mittel gegen die Augenerkrankung. Auch das Bücken hat Bedeutung. Jesus bückt sich genauso wie er es bei der Fußwaschung getan hat, er bückt sich, um den Dienst der Heilung zu leisten, nicht nur körperlich, sondern auch in der Einstellung des Menschen zu sich selbst und zu seiner Umgebung. Auch der Blinde bückt sich, um rein zu werden, um eine andere Sicht, einen Weitblick zu bekommen, im Sehen und im Erkennen antwortet der Blinde: "Ja, Herr ich glaube!" (Joh. 9,38). Der Blinde taucht durch seine Reinigung im Teich Schiloach in den Gesandten Gottes ein, um ein Glaubensbekenntnis abzulegen.
Bringt nicht dieses Evangelium auch für uns Anstöße weiter zu schauen als über den Tellerrand? Wir sehen nur, was wir wollen, wir sehen nur, wen wir wollen. Im Zeitalter der Reizüberflutung von Internet, Twitter, Facebook brauchen wir eine Auswahl an Informationen. Aber die Art von Blindheit wie sie uns in der Heiligen Schrift dargestellt wird, ist gefährlich, weil sie nicht als Not empfunden wird und man sie als Schutz gar nicht preisgeben will. Vielleicht ist es sogar ein Risiko, sehend zu werden, weil die Konsequenzen unbequem sind. Die Sehenden sind oft die Unbequemen, die sich nicht in bestimmte Schemata einordnen lassen, die auf Veränderung drängen und ihrer Zeit voraus sind- eine prophetische Gabe.
Dieses Evangelium ermutigt uns, sehend zu werden, zu glauben und zu vertrauen. Diese spektakuläre Heilung gibt uns zu verstehen, dass der Blindgeborene Zeichen der Gottesherrlichkeit ist. Die Pharisäer wollen Ordnung nach dem Gesetz Mose. Jesus durchbricht das Gesetz des Sabbat, also ein Formalfehler. Warum solche Umwege zur Heilung notwendig sind, bleibt ein Geheimnis. Durch den Weg des Leidens soll der Mensch auf eine neue Persönlichkeitsstufe gebracht werden.
Sonntag Laetare: Wir bleiben nicht bei Krankheit, Leid und Tod stehen. Der Übergang, das Reich Gottes, hat schon begonnen. Übergänge sind oft Zeichen der Herrlichkeit Gottes. Es ist ein Gott der Überraschungen. - Ich wünsche Ihnen Weitblick, Durchblick im Geiste Jesu, mit den Augen Gottes.
Dr. Max Angermann, 30.03.2014
Dr. Max Angermann

Auf das Herz kommt es an
(Klemens Nodewald 2014)
Die Erwählung Davids zum König
In der alttestamentlichen Lesung des heutigen Sonntags wird uns berichtet, wie Gott David erwählt, König des Volkes Israel zu sein. Jahwe bedient sich dabei seines treuen Dieners Samuel. Dieser begreift und erkennt Gottes Absichten, weil er in enger Verbindung zu Gott steht. In der Bibel wird eigens erwähnt, dass der Prophet sich immer wieder mit Gott bespricht. Nur dadurch erfährt der Prophet den Willen Gottes. Denn Gottes Pläne weichen gelegentlich vom menschlichen Denken ab.
Nach Betlehem zur Familie Isai geschickt, trifft Samuel auf Eliab, den ältesten Sohn des Isai. In damaliger Zeit war der älteste Sohn immer der, der den Vorrang genoss, was Ämter und Posten betraf, zumal wenn damit auch noch Würde und Ansehen verbunden war. Außerdem muss Eliab ein stattlicher Bursche gewesen sein. Denn Samuel ist auf Anhieb so sehr von ihm beeindruckt, dass er ihn für den hält, den er im Namen Jahwes zum König salben soll. Aber Jahwe teilt Samuel mit, dass seine Kriterien anders sind als die der Menschen, nach denen er den einzelnen beurteilt und auswählt. In der Bibel hieß es: "Der Herr sagte zu Samuel: sieh nicht auf sein Aussehen und seine Gestalt. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz."
Gott sieht auf das Herz
Weil es das Herz ist, auf das Gott schaut, hat er keine Schwierigkeiten den Jüngsten der Söhne des Isai, David, als künftigen König zu erwählen. Mit der Wahl des jüngsten Sohnes, der nicht einmal anwesend ist, wird ein zweites Kriterium Gottes sichtbar: Er erwählt für seine Aufgaben oft Kleine aus dem Hintergrund, die von Menschen überhaupt nicht in die Auswahl einbezogen würden.
Der Hinweis auf dieses Handeln Gottes war Israel zu allen Zeiten wichtig. Gott vermag durch Kleine, die aber Herz haben, Großes zu vollbringen. So besiegt der Hirtenjunge David den Riesen Goliat. Israel, das kleinste aller Völker, erwählt sich Jahwe als sein auserwähltes Volk. Aus Betlehem, einer der kleinsten und ganz unbedeutenden Städte Palästinas, geht David als gefeierter König und später Jesus als Erlöser hervor. Maria, die Unbekannte, und nicht eine Prinzessin oder Königin wird Mutter des Herrn. Zu seinen Jüngern und Aposteln beruft Jesus nicht Priester oder geschulte Schriftgelehrte, sondern Fischer und Zöllner. Gott ist nicht gegen die Großen, die Gelehrten oder Angesehenen. Sie fallen bei der Auswahl nicht automatisch durch. Wenn sie Herz mitbringen und die Bereitschaft, auf Gottes Pläne einzugehen, sind auch sie Gott immer willkommen und werden von ihm Aufträge erhalten.
Groß durch die Gnade Gottes
Was die Kleinen, und Menschen überhaupt, groß und stark macht, ist letztlich und vor allem die Gnade Gottes. Zeichen hierfür ist die Salbung. Wie schon rein natürliches Öl die Haut geschmeidig und kräftig machen kann, so ist es vergleichbar mit der Gnade, die über uns ausgegossen wird. Sie kommt zur Wirkung, wenn wir sie nicht einfach an uns abfließen lassen. Gottes Gnade muss uns unter die Haut gehen, muss uns innerlich geschmeidig und für Gottes Willen verfügbar machen. Dann gehören wir zu denen, auf die Gott ganz sicher zugeht.
Die Botschaft der heutigen Lesung ist wahrhaft eine Froh-Botschaft. Jeder von uns, so will uns der Text sagen, darf damit rechnen, dass Gott ihn zu einem Werkzeug für seine Pläne einsetzen möchte. "Herz haben" das ist das Entscheidende. Körperliche Gestalt, Stärke, Begabungen, Talente sind eine Beigabe und Bereicherung, für Gott aber nur zweit- oder drittrangig.
Wie Gott auswählt
Um Gottes Willen und Auftrag für unser Leben und unseren Alltag zu erkennen, kann uns Samuel als Vorbild dienen. Er bespricht sich mit Gott. Zu einem Gespräch mit Gott gehört die Frage: Was erwartest du von mir, Gott? - in meiner Lebenssituation, in meinem Alter als Jugendlicher, Erwachsener, älterer Mensch, dann weiter in meinem Umfeld, an meinem Arbeitsplatz, in den Kreisen und Wirkungsfeldern, in denen ich tätig bin. Bei unserem Suchen und Fragen schickt uns Gott zuweilen so etwas wie einen Propheten in der Form eines Hinweises, damit wir Wichtiges nicht übersehen oder ausklammern.
Solche Hinweise können sein: Anstöße und Gedanken aus einem Gespräch oder einer Diskussion, Anregungen durch einen Artikel oder ein Buch, frohe aber auch beklemmende Ereignisse, Situationen, die uns ins Staunen versetzen, Hoffnungen, Träume, Leid und Not, denen wir begegnen oder die wir selbst erfahren. Wo unser Herz mit Gott verbunden ist, werden wir - darauf dürfen wir fest vertrauen - die richtigen Antworten finden auf unsere Frage: Was erwartest du, Gott, ganz konkret von mir?
Im Blick darauf, dass Gott oft das Kleine für seine Pläne erwählt, sollten wir noch Folgendes bedenken. Berichte, Biographien, Bücher zeichnen oft nur dann etwas auf, wenn aus dem Kleinen etwas ganz Großes geworden ist. Der Nachteil dabei ist, dass so vieles, was im Kleinen und Verborgenen des Alltags bewusst als Wille Gottes angestrebt und getan wird, sehr oft unerwähnt bleibt. Dabei ist die Treue und das Wirken im Kleinen von ungeheurem Wert, damit liebevolle und hilfsbereite Atmosphäre ins Leben kommt. Wir sollten uns heute wieder einmal deutlich vor Augen führen, welch enorme Bedeutung die Treue zu Gottes Willen für uns gerade auch im Kleinen und Alltäglichen hat. Aus den unendlich vielen Beispielen, die man hier anführen und aufzählen könnte z.B. im Blick auf Familie, Kranke, Behinderte, Freunde, Bekannte, Gemeinde, möchte ich nur ein Beispiel herausgreifen, den Bereich Nachbarschaft, und damit unsere Überlegungen zum Thema "Auf das Herz kommt es an" beschließen.
Manchmal kommt einer bei mir vorbei
mit leeren Händen
und beschenkt mich dennoch reichlich
mit seiner Liebe und seinem Frohsinn
Manchmal kommt einer,
der spürt sofort, was mit mir los ist,
und bleibt,
bis ich mich wieder gefangen habe
Manchmal kommt einer
nur mal so bis an die Haustür,
weil er sich sorgt und nach mir sehen will
Manchmal kommt einer,
der sich bei mir ausspricht,
weil er mir zutraut,
dass ich verschwiegen bin
Manchmal kommt einer
einfach weil er sich bei mir wohlfühlt
oder sich von mir trösten lassen will
Jedes Mal, wenn so einer von ihnen zu mir kommt,
verbreitet sich um mich
ein Stück Himmel und Seligkeit.
Pater Klemens Nodewald, 30.03.2014
Pater Klemens Nodewald

Anmerkung der Redaktion: Leider gestattet uns der Echter Verlag keine Zitate aus Büchern, die im Echter Verlag erschienen sind, auch nicht aus Büchern von P. Klemens Nodewald.
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Gottes Wirken sehen können
(Max Angermann 2011)
"Wer ist schuld?"
Nach Unglücksfällen seien es Naturkatastrophen, Krankheiten, Kriege, oder sonstige Schicksalsschläge gibt es immer eine Menge von Schuldzuweisungen. Gerne wird dabei die Verantwortung anderen zugeschoben, selten fühlt man sich selbst schuldig. Es ist gewiss viel Leid dem Menschen zuzuschreiben, aber nicht alles.
Die Fragestellung der Jünger geht genau in diese Richtung: Wer ist schuld an der Blindheit des Mannes? Er selbst oder die Eltern? - Aber darum geht es in diesem Evangelium gar nicht so sehr, vielmehr soll "das Heilswirken Gottes" sichtbar und auch am konkreten Menschen offenbar werden. Zugegeben: die Frage, warum es Leid, Krankheit, Unheil gibt, bleibt unbeantwortet, denn all das ist Teil der Unbegreiflichkeit Gottes. Ja selbst Jesus fragt: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mk.15,34 oder Mt.27,46). Eine Antwort gibt Jesus aber schon: Es gibt keine Kollektivschuld, keine Sippenhaftung für persönliches Versagen. Deshalb ist der Ausdruck "Erbsünde" schlecht gewählt. Wir sprechen heute besser von Sündenverflochtenheit, wo alles Schreckliche, Böse zur Sünde führen kann. Die Frage nach Schuld bei Leid, Krankheit, Unglück weist auf ein sehr düsteres Gottesbild hin.
"Gottes Werk soll an ihm sichtbar werden"
Die Aussage "Gottes Werk soll an ihm" (Joh.9,3), also an dem Blinden, letztlich auch an uns "sichtbar werden" (ebendort), zeigt den Gott der Heilung. In einem mehrstufigen Vorgang nimmt Jesus die Heilung vor: zuerst die Bestreichung der Augen mit Teig, der aus Speichel und Sand besteht, dann das Abwaschen im Teich Schiloach.
Es bedarf manchmal mehrerer Schritte, um klar zu sehen. Der Evangelist Johannes arbeitet mit sehr tiefgreifender Symbolik. Es geht nicht um Sinneswahrnehmung allein. Etwas zu sehen, hat immer Folgen. Man sieht etwas und handelt entsprechend. Rechtes Sehen bedeutet Erkennen. Das Programm Jesu heißt die Menschen von der Blindheit zum Sehen, vom Augenschein der bloßen Sinneswahrnehmung zur Erkenntnis und zum Handeln im Sinne Jesu zu führen.
Der Heilungsvorgang wird genau geschildert: Jesus spuckt auf die Erde und macht aus Erde und Speichel eine teigartige Masse und legt sie dem Blinden auf die Augen. Speichel gilt als Mittel gegen Augenerkrankungen (siehe Gaius Plinius Secundus: 23-79 n. Chr. naturalis hist. 28,7). Auch bei uns in Österreich sah ich bei alten Leuten, dass sie kleine Wunden mit Speichel versorgten. Da auch am Sabbat das Kneten von Teig verboten war, sahen die anwesenden Pharisäer den Beweis erbracht, dass hier ein falscher Prophet am Werk sei, das kann nicht der Messias sein! Jesus weist die Pharisäer darauf hin, dass sie durch dogmatische Vorurteile und Festlegungen blind wären, auch wenn sie mit ihren Augen alles wahrnehmen. Wer so vorgeht und handelt, schadet nicht nur sich selbst, sondern führt auch andere ins Unglück. Vielleicht ist das auch ein Hinweis auf die gegenwärtige Situation unserer Kirche.
Jesus setzt in dieser Textstelle noch ein weiteres Zeichen, wenn er zum Blinden sagt: "Geh hinunter an die Quelle Schiloach und wasche dir die Augen!" (Joh.9,11). Eine Nebensächlichkeit vielleicht. Diese Quelle ist aber nicht irgendein Wasser. Um Jerusalem herum gab es mehrere Quellen. Diese aber lag geschützt unter dem Felsen, auf dem Jerusalem erbaut ist und war für Feinde schwer zugänglich. Diese Quelle war geheiligt, dort geschahen seit alten Zeiten Weissagungen. Die Väter nannten sie "Schiloach", also "gesandt". Jesus schickt den Mann zur Quelle, um sich zu reinigen, bevor er den Tempel zur Danksagung betritt.
Sehkraft und Weitblick
"Augen" und "Wasser" als doppelte Symbole im Johannesevangelium: Sehschwäche macht das Leben schwer, im wahrsten Sinn des Wortes anstößig, schränkt die Lebensqualität ein. Es gibt aber auch ein Sehen, das nicht viel mit der physischen Sehkraft zu tun hat. Es ist der Weitblick. Dazu gehört auch, dass wir jene Grenzen erkennen, wo unser Sehen und Begreifen ein Ende hat. Sehen spielt sich auf verschiedenen Ebenen ab. Im Letzten geht es aber um das Wahrnehmen Gottes in allen Dingen. Das Evangelium zeigt, dass Körper, Geist, Seele eine Einheit bilden, und wir Menschen immer heilsbedürftig sind.
Auch das Wasser hat eine doppelte Symbolik. Es ist der Lebenssaft des Menschen. Zwei Drittel der Menschen haben überhaupt kein Wasser oder verschmutztes, neuerdings auch atomverseuchtes Wasser, wie gegenwärtig in Japan. Wasser dient auch der Reinigung für Körper und Geist. Jesus will lebendiges Wasser / Quellwasser spenden. Darin ist auch die Gabe Gottes enthalten, ihn zu erkennen. Quellwasser ist ein uraltes Symbol für das Heil des Menschen.
Jesus setzt Zeichen, die griechische Übersetzung für "semeion" (σημεῖον) das gerne als "Wunder" übersetzt wird. Das Evangelium berichtet von einer spektakulären Heilung, aber immer verbunden mit Glauben und Vertrauen. Die wirklichen Wunder antworten auf Tragödien des Alltags, sie heilen Wunden in unserem im Allgemeinen unauffälligen Leben.
Dr. Max Angermann, 03.04.2011
Glaube überwindet Angst
(Bernhard Rathmer 2011)
Ursache und Wirkung
"Was habe ich eigentlich getan, dass mich ein solcher Schicksalsschlag trifft. Irgendetwas kann doch nicht richtig sein. Ich muss doch etwas falsch gemacht haben, dass ich auf einmal so krank geworden bin, dass mich das Schicksal so hart getroffen hat." Keine Wirkung ohne Ursache lehrt uns die Naturwissenschaft. Sollte dies bei Gott anders sein?
Das heutige Evangelium ist mir in der Begleitung von Menschen hier im Krankenhaus ungeheuer wichtig und zwar in mehrfacher Hinsicht.
Immer wieder höre ich von Menschen die Frage, was habe ich eigentlich getan, dass mich Gott so straft? Bin ich denn so schlecht? Fragen, die Menschen stellen, wenn sie eine schlimme Krankheit oder der Tod eines lieben Menschen getroffen, oder wenn sonst ein schwieriges Ereignis ihr Leben durch einander gebracht hat. Eine nur zu menschliche Frage.
Wenn Gott Ursprung und Grund unseres Lebens ist, dann müssen doch folglich die Ereignisse unseres Lebens auf ihn zurückzuführen sein, das Gute wie auch das Böse. Das Gute als Belohnung, das Böse als Bestrafung. Daran orientieren sich bis heute ganze Lebensethiken und Morallehren innerhalb und außerhalb der Kirche.
Und auch die Freundinnen und Freunde Jesu fragen so: "Wer hat denn gesündigt, er oder seine Eltern." Nur zu menschlich, ganz ohne Grund wird er nicht blind sein, wird nicht grundlos an der Straße sitzen müssen und betteln.
Verteilung von Schuld
Wie schnell sind wir häufig dabei, wenn es um die Verteilung von Schuld geht. Und Jesus, er setzt an dieser Stelle sehr deutlich etwas gegen die langläufige Meinung von Ursache und Wirkung wenn er sagt: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern Gottes Werke sollen an ihm offenbar werden. Ein einfacher Satz, doch er stellt, was wir häufig denken auf den Kopf. Die Sätze "selber schuld" oder "es wird schon seinen Grund haben" gelten nicht mehr einfach.
Ich antworte häufig mit diesem Satz und dieser Bibelstelle wenn Menschen nach dem Warum fragen und nach etwas suchen, was sie getan haben, dass das Schicksal sie so trifft. Sicherlich ist es vernünftig nach der eigenen Verantwortung für eine Situation zu fragen und nach Veränderungsmöglichkeiten zu suchen um einen Ausweg aus einer schwierigen Situation zu suchen.
Aber hier geht es nicht darum, sondern um den Zusammenhang "der Mensch sündigt und Gott straft". Theologisch kann ich dies ohne Wenn und Aber sagen, aber persönlich, menschlich?
Ich kenne sie, diese bohrenden und zerstörerischen Fragen nach dem Warum? Warum muss ich das aushalten? Warum geht es hier nicht weiter? Was habe ich getan, dass es jetzt so ist und Gott tut nichts dagegen, so sehr ich ihn auch bitte. Warum lässt er das zu? Wo zeigt sich Gott?
Aber damit ist die Geschichte im Evangelium nicht zu Ende und meine auch nicht ebenso wie die vieler anderer die fragen.
Eine Frage der Angst
Im Evangelium hilft Jesus, der Blindgeborne kann sehen, der Zusammenhang von Sünde und Krankheit ist durchbrochen. Aber der Mann gerät jetzt erst recht in die Zwickmühle. Die religiösen Führer wollen ihm beweisen, dass von diesem Jesus kein wirkliches Heil ausgehen kann, sondern das er das ist was er immer war, ein in Sünden geborener und lebender Mensch. Sie erzeugen Angst. Selbst seine Eltern gehen zu ihm auf Distanz. So einfach ist das neue Leben nicht.
Aber der Blindgeborne erstickt den Keim neuer Lebensmöglichkeiten nicht obwohl er spürt, dass sie ihm nicht nur in den Schoss fallen. Er gibt sich nicht der Angst hin, lässt sich nicht einschüchtern, auch nicht wenn das, was geschehen ist auch für ihn kaum nachvollziehbar ist.
Eine Frage des Glaubens
Erst in der zweiten Begegnung mit Jesus kann er mit dem beginnen, was wir Glauben nennen. Es braucht diesen Prozess der inneren und äußeren Auseinandersetzung um zu spüren wo der Glaube und wo Gott in unserem Leben greifen.
Er beginnt vielleicht dort, wo wir trotz aller Schwere spüren: Gott ist da, auch wenn ich noch nicht weiß wie es weitergeht. Er wird mich halten, er hilft mir weiter zu schauen, den nächsten Schritt zu wagen, wie immer er auch aussieht.
Bernhard Rathmer, 03.04.2011
Bernhard Rathmer
"Sind etwa auch wir blind?
(Hans Hütter 2011)
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In meiner Gymnasialzeit kam jede Woche ein blinder Musiklehrer in unser Internat, um einigen Schülern Klavier- oder Geigenunterricht zu geben. Mich faszinierte an diesem Lehrer am meisten, dass er jeden seiner Schüler erkannte, indem er mit seinen Händen dessen Gesicht abtastete. Jedes Musikübungsstück kannte er auswendig. Unser Internatsleiter erzählte, dass ihm der blinde Musiklehrer einmal eine Stadtführung durch Graz gegeben habe. Ohne selbst zu sehen, zeigte und erklärte er ihm die Sehenswürdigkeiten der Stadt...
Obwohl dieser Mann blind war, "sah" er mehr und manches besser als viele, die mit gesunden Augen durchs Leben gehen.
Im Evangelium des 4. Fastensonntags hören wir von der Heilung eines Blinden und Dialoge, die sich rund um seine Heilung ergaben. Darin begegnet uns ein Mensch, der zu sehen beginnt, obwohl er von Geburt an blind war. Daneben treten Menschen auf, die sehen und doch nicht sehen, weil sie mit ihrem starren Denken nicht wahrnehmen und glauben können, was sie sehen. Sie wollen nicht wahrhaben, was offensichtlich ist. "Es kann nicht wahr sein, was nicht wahr sein darf", ist ihr Leitmotiv. Aus ihren theologischen Grundsätzen leiten sie ab, dass diese Heilung nicht rechtens ist und nicht von Gott sein kann. Der Heilende hat sich nicht an die Sabbatgebote gehalten. Ihm war die Chance, dem Blinden das Augenlicht zu geben, wichtiger als die "Schein-Heiligung" des Sabbats.
Zwischen den Schriftgelehrten, dem Geheilten und Jesus stehen die hilflosen Eltern, die sich von ihrem Sohn distanzieren, um nicht bei den Mächtigen ihrer Religion anzuecken...
Der Evangelist erzählt diese Episode so, dass noch andere Bedeutungsebenen anklingen: Der Blinde sieht, er "sieht" schlussendlich auch, dass der, der ihn geheilt hat, "der Menschensohn" ist. Die Pharisäer sehen das alles und sehen doch nicht. Damit können sie in Jesus auch nicht das von Gott gesandte Licht erkennen, das in die Welt gekommen ist (vgl. Joh 1,9 und Jes 60,1).
In ihrer Weigerung, das durch Jesus gesetzte Zeichen des Wirkens Gottes anzuerkennen besteht auch ihre Sünde. Weil sie sehen, aber das Wirken Gottes nicht sehen wollen, sündigen sie. Jesus kreidet ihnen ihre "Blindheit" als Sünde an, während er sich dagegen verwahrt, das Schicksal des Blindgeborenen auf etwaige Sünden des Betroffenen oder seiner Eltern zurückzuführen.
An Christus glauben
Im Blick auf die Gegenwart macht mich diese Erzählung in dreierlei Hinsicht nachdenklich.
Vor allen anderen Aspekten geht es darin um das Erkennen des Menschensohnes, des Messias und Christus.
In einer Zeit, in der Spiritualität boomt und Religion wieder gefragt scheint, spielt der Glaube an Jesus Christus als Erlöser und Messias in unserer Kultur eine immer geringere Rolle. Was macht die Menschen blind für Christus? Wovon werden sie geblendet, dass sie Christus nicht sehen können? Ist es "das real existierende Christentum", das sie abhält, sich mit seinem Leben und mit seiner Botschaft zu befassen? Sind wir, die wir uns zum Christentum bekennen, mit den Eltern des Blindgeborenen zu vergleichen, die sich herumwinden und ängstlich hinter ihren Antworten verstecken? Sie haben nicht mehr zu sagen als: "Das wissen wir nicht". Unsere Lebensweise macht nur wenige Menschen neugierig zu fragen: Von wem lassen die sich leiten?" An wen glauben die Christen?
Hinderliche Denkmuster
Weiters frage ich mich: Wie weit behindert meine vorgefasste Weltanschauung ein unvoreingenommenes Wahrnehmen des Wirkens Gottes in dieser Welt?
Jesus forderte einmal seine Zuhörer auf, "die Zeichen der Zeit" zu deuten. In den vielen Versuchen, die Zeichen unserer gegenwärtigen Zeit zu deuten, fällt mir auf, wie viele Menschen einfach ihre gewohnten Denkmuster und verinnerlichten Dogmen anwenden und wie schnell sie zu Urteilen gelangen, die weder zu einer vertieften Sichtweise noch zu einer neuen Erkenntnis führen. Meist treten wir auf der Stelle, wenn wir die sog. Zeichen der Zeit diskutieren. Weltanschauungen und Religionen im Besonderen neigen zur Dogmenbildung. Nicht immer verhelfen echte und oft auch nur scheinbare Dogmen zu einer klareren Sicht. Vorgefasste Meinungen können das Aufbrechen alter und verkrusteter Sichtweisen verhindern und den Blick auf die Fakten trüben.
Die Diskussion um die Stellung der Frauen, um eine Neubewertung der Sexualität, um die Lebensform Zölibat, um den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen werden in der kirchlichen Auseinandersetzung als nicht wirklich wichtig abgetan oder mit dem Hinweis auf die Tradition vom Tisch gewischt. Die Frage, ob in den Problemen, die wir als Kirche in all diesen Bereichen haben, uns nicht Gott selbst neue Wege zeigen will, wird von denen, die das letzte Wort haben, erst gar nicht zugelassen.
Positives sehen
Eine dritte Beobachtung macht mich nicht weniger nachdenklich: Viele Menschen neigen dazu, negative Ereignisse sehr schnell dem Wirken Gottes zuzuschreiben. Wenn sie mit Krankheit, Schicksalsschlägen oder Katastrophen konfrontiert sind, fragen sie: "Wie kann Gott das zulassen?" Oder sie sehen darin gar eine Strafmaßnahme Gottes. Wenn hingegen offensichtlich Positives zu verzeichnen ist, kommt ein mögliches Wirken Gottes nur selten in den Blick. Vereinfacht gesagt: Für die Krankheit ist Gott verantwortlich, die Gesundheit verdanken wir uns selbst oder den Ärzten.
Den Medien werfen wir gerne vor, dass sie mehr an schlechten Nachrichten interessiert seien als an guten. Dies gilt wohl mehr noch von uns, den Nutzern der Medien. Wie blind sind wir für das Gute und Positive in der Welt? Hängt das Schwinden von Glaube und Religion in der Öffentlichkeit vielleicht auch damit zusammen, dass wir das Wirken Gottes in der Welt nicht mehr wahrnehmen, bzw. Positives nicht mit ihm in Verbindung bringen? Können wir glauben, dass Gott auch heute noch am Werk ist? Können wir das Gute und Positive sehen oder stimmen wir ohne nachzudenken ein in die Chöre der apokalyptischen Schwarzmaler?
Sehen lernen
Müssen nicht auch wir wie die Pharisäer fragen: "Sind etwa auch wir blind?" Oder müssten vielmehr nicht auch wir Jesus bitten: "Rabbuni, ich möchte (wieder) sehen können?" Dies wäre eine lohnende Aufgabe für die Fastenzeit.
Mag. theol. Pater Hans Hütter, 03.04.2011
Mag. theol. Pater Hans Hütter

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Je tiefer mein Glaube wird, desto mehr sehe ich
(Jörg Thiemann 2008)
Ich weiß nicht, welches Schicksal härter ist: blind geboren zu sein oder durch eine Krankheit beziehungsweise durch einen Unfall erblindet zu sein. Heute wird durch vielerlei Hilfen blinden Menschen weitgehend ein selbstständiges Leben ermöglicht. Ja, ich staune sogar nicht schlecht, wenn ich höre, wie selbstständig blinde Menschen leben bei uns leben können, dass viele sogar in einer eigenen Wohnung zu Recht kommen. Zurzeit Jesu und auch heute noch in vielen ärmeren Ländern hat ein Blinder nur eine Möglichkeit, sein Leben zu fristen: indem er bettelt. Wie abhängig, wie hilflos waren und sind diese Menschen? Nicht nur das: Blind zu sein galt als Strafe Gottes für die Sünden.
Nun könnten wir Jesus hier wieder als den Wunderheiler preisen. Doch im Evangelium von heute ist gerade nicht das organische Sehen und Blindsein gemeint. Heute geht es um ein anderes Blindsein, um ein anderes Sehen lernen. Das merken wir an vielen Punkten dieser Geschichte: am Verhalten der anderen Menschen, an der Diskussion zwischen Jesus und seine Jünger, ob der blinde Mann oder seine Eltern gesündigt hätten, an dem Disput der Pharisäer mit dem jungen Mann, wer denn dieser Jesus ist, an den Aussagen Jesu über sich selbst, dass er das Licht sei.
Die Augen vor der Wirklichkeit verschließen
Was Johannes berichtet, erleben wir oft: Menschen können - oder mehr noch, sie wollen nicht sehen. Sie verschließen die Augen vor der Wirklichkeit. Wer versucht, eine Situation so zu sehen wie sie ist, der kann vor der Entscheidung gestellt werden, sein Leben zu ändern. Dem kann bewusst werden, wie falsch er bislang gedacht oder gelebt hat.
Der Blinde im Evangelium war von Geburt an blind. Auch wir sind - im übertragenen Sinn von Geburt an blind - das heißt: wir müssen im Laufe der Zeit sehen lernen, uns von Jesus die Augen öffnen lassen. Johannes möchte uns mit dieser Stelle eindeutig nahe bringen: der Glaube an Jesus und seine Worte kann uns heilen, kann uns die Augen öffnen für manches, was in unserem Leben vielleicht falsch läuft. Es kann uns auch die Augen öffnen für die Situation einer Gemeinde oder der gesamten Kirche und durchaus auch für die Situation der Welt.
Menschen, die nicht sehen wollen
Wo unser Glaube, unsere Liebe zueinander wächst, wo unsere Liebe zu Jesus wächst, dort werden wir unsere Welt, unsere Mitmenschen anders sehen lernen. Jesus schenkt uns Augen des Glaubens, Augen der Hoffnung und Augen der Liebe. Den Blick der Liebe konnten die Pharisäer nicht haben. Zu sehr waren sie davon überzeugt, die Wahrheit für sich zu haben. Sie haben Jesus nicht als Messias anerkannt. In dem Wort anerkannt ist ja auch erkennen enthalten. Die Pharisäer waren blind für Jesus, für das, wer und was er ist: der Messias. Es hätte ja auch ihre Bedeutung und ihre Stellung verändert. So sehen sie auch nur das, was sie sehen wollen. Sie verschließen die Augen vor dem, wer Jesus ist. So können sie gar nicht anders handeln. Sie wollen nur sehen, dass er am Sabbat heilt. Damit ist er für sie ein Sünder. Die Pharisäer stehen für die Menschen, die nicht sehen wollen, damit ihr Leben, in dem sie sich eingerichtet haben, nicht in Frage gestellt wird. Auch die Nachbarn und Freunde tun sich schwer zu glauben, dass ein Blinder sehend geworden ist. Einige bleiben skeptisch. Sie stehen für die Menschen, die sich schwer tun, Änderungen wahrzunehmen: nein eigentlich soll alles so bleiben wie es ist: die alten Rollen, auf die wir die Mitmenschen so gerne festlegen.
Jesus aber lehrt uns das richtige Sehen.
Wollen wir das auch? Wir stehen in der Fastenzeit. Durch manchen Verzicht wollen auch wir unsere Sinne schärfen, dass wir einen Blick dafür bekommen, was wirklich wichtig ist. Von was bin ich in unguter Weise abhängig? Uns kann eine immer größere Freiheit geschenkt werden. Uns wird neues Leben geschenkt.
Wer als Glaubender die Welt sieht, sieht die Welt, die Mitmenschen anders. So kann ich in jedem Mitmenschen jemanden sehen, der von Gott geliebt ist. Wie wäre es, das einmal sich auch zu denken bei Mitmenschen, mit denen ich mich schwer tue? Sehe ich in ihnen, dass auch sie von Gott geliebte Kinder sind. Damit ist nicht gesagt, dass es auch einmal Auseinandersetzungen geben kann. Doch wenn ich im anderen den Bruder oder die Schwester sehe und eben nicht den Feind, dann kann eine Auseinandersetzung vielleicht fruchtbar werden.
Mit den Augen der Liebe sehen, kann auch bedeuten: ich sehe einen Mitmenschen nicht nur in dem, was er mir persönlich nutzt, ich beurteile jemanden nicht nach Besitz, Intelligenz, Leistung, Können oder Position, ich versuche in jedem Menschen einen Wert zu entdecken. Als Student habe ich einmal eine Behindertenwerkstatt besucht. Der Leiter sagte mir: "Diese Menschen strahlen eine Fröhlichkeit aus, weil sie nicht diesen Druck haben. Behinderte Menschen können uns eben das lehren: Leben ist nicht bloß Leistung." Ein alter Mensch ist dann auch nicht einer, der nichts mehr leisten kann und zur Seite geschoben wird. Im Gespräch mit ihnen kann ich auch von deren Lebenserfahrung lernen. Umgekehrt kann auch ein älterer Mensch Neues im Umgang mit Jüngeren erfahren. Mit den Augen der Liebe sehen kann auch bedeuten, nicht bloß auf die Fehler zu schielen, nicht bloß auf das, was mir persönlich nicht passt, sondern mehr auf das Gute. Dann werden auch notwendige und berechtige Kritik anderen wirklich helfen und nicht zerstören oder klein machen.
Gott sieht auf das Herz
In der alttestamentlichen Lesung wird uns dazu gerade ein sehr gutes Beispiel gegeben. Da beruft der Prophet Samuel einen König für Saul. Nach und nach treten die Söhne des Isai auf. Doch die ersten sieben Söhne hat Gott nicht zum König berufen. Samuel erfährt: die Menschen schauen auf äußere Kraft, auf Stärke, auf Reichtum, Gott aber schaut auf das Herz. Weil nun Samuel ganz mit Gott verbunden ist, darum sieht er, worauf Gott sieht. So wird David berufen. Rein menschlich gesehen wäre er nie König geworden.
Was könnte in Kirche und Gesellschaft anders sein, wenn Menschen nicht nur auf das Äußere, auf die großen Worte achten würden, sondern mehr den Blick der Liebe wagen würden. Dieses Sehen meint sicher auch, dass die Kirche Gottes die Zeichen sehen lernt, die es in dieser Zeit zu sehen gilt.
Was sind denn die Zeichen unserer Zeit? Der Islam scheint immer stärker zu werden. Betrachten wir auch den Islam mit Augen der Liebe, dann sehen wir ihn nicht als Bedrohung, sondern wir spüren vielleicht: als Christen müssen wir uns mehr um unseren Glauben wieder bemühen, deutlicher als Christ/Christin leben. In den vielen Menschen, die dem Gottesdienst am Sonntag fernbleiben, sehen wir dann nicht bloß schlechtere Christen. Vielleicht haben sie nicht erkannt, wie wertvoll ein Gottesdienst ist, vielleicht haben sie oft wirklich andere Formen. Sicher sind auch sie eine Anfrage an uns.
Sehend werden
Ich glaube wir müssen noch viel mehr unsere Beziehung zu Jesus vertiefen, ihm öfters begegnen, das Gespräch mit ihm suchen, das Gebet, aber auch das konkrete Tun seines Wortes. Je mehr wir sehend werden durch IHN, durch seine Worte, umso mehr wird uns wirkliches Leben geschenkt. Jesus hat den Menschen in ihr Herz geschaut, dem Zöllner Zachäus zum Beispiel. Jesus ist das Licht der Welt. Auch mich und dich, jeden einzelnen will Jesus herausholen aus der Finsternis eines Lebens ohne ihn. Paulus schreibt an die Epheser, dass wir als Kinder des Lichtes leben sollen, dass wir Güte üben, dass wir die Gerechtigkeit, die wirtschaftliche und auch die Gerechtigkeit im Urteilen anstreben sollen, die Wahrheit erkennen sollen. Wo wir mit den Augen des Glaubens sehen, wo wir den Blick der Liebe üben, da werden wir Lichter in der Dunkelheit, da setzen wir Zeichen.
Jesus will unsere Blindheiten heilen. Es gibt eine Blindheit, die wir seit Geburt in uns tragen. Es gibt aber auch die Blindheit, die wir selbst verschuldet haben. Je mehr ich glaube, je mehr ich ihn erfahre, desto mehr werde ich von der Blindheit geheilt. Durch den Glauben lerne ich mit den Augen des Glaubens und der Liebe zu sehen.
Pater Jörg Thiemann, 02.03.2008
Der Weg zum Glauben
(Klemens Nodewald 2008)
Gott hat sich meiner erbarmt
Das Evangelium des heutigen Tages gliedert sich in drei Abschnitte.
- Die körperliche Heilung des Blindgeborenen
- Das Verhör des Blindgeborenen durch die Pharisäer
- Die Öffnung der Augen des Blindgeborenen für Jesus als den Menschensohn
Die Heilung von seiner Blindheit wird den Blindgeborenen mit übergroßer Freude erfüllt haben. Dies umso mehr, da viele Juden ein so markantes Gebrechen wie Blindheit für eine sichtbare Strafe Gottes hielten. Die Pharisäer schleudern es dem Geheilten eiskalt und schonungslos ins Gesicht: Du bist ganz und gar in Sünde geboren. Ja vielleicht hat der Blindgeborene selbst schon einmal den Gedanken gehegt, dass er für Sünden seiner Vorfahren büßen müsse. Indem Jesus ihn von seiner Blindheit befreit, reißt er ihn heraus aus diesen trüben Gedanken. Er, der bisher von vielen Verachtete, darf Gottes Güte leibhaftig erfahren.
Der Blindgeborene erlebt seine Heilung als großes Geschenk Gottes. Für ihn ist klar: Der, der mir das Augenlicht schenkte, muss ein Mann Gottes sein, mit besonderer Gnade und mit Gaben des Himmels ausgestattet. Als Jude weiß er, dass Propheten gelegentlich aus der Kraft Gottes Wunder wirkten. So wächst in ihm die Überzeugung: Gott hat sich meiner erbarmt, indem er auch mir einen Propheten sandte, der mich heilte. Und der Blindgeborene wird - selbst wenn es nicht eigens berichtet wird - Gott von Herzen für dieses Geschenk gedankt haben.
Andere sehen das anders
Die Freude über das Wunder an ihm wird aber längst nicht von allen geteilt. Anstatt auf ihn zuzugehen, ihn zu beglückwünschen und mit dem Blindgeborenen in Jubel auszubrechen, beäugen ihn die Menschen mit Abstand. Nachbarn und solche, die ihn als Bettler kennen, stellen sich zusammen: Nicht um Gott zu preisen, sondern um darüber zu diskutieren, ob es wirklich der Blindgeborene sei oder nur einer, der ihm ähnlich sieht.
Die Pharisäer, zu denen der Blindgeborene gebracht wird, unternehmen sogar den Versuch, den Blindgeborenen von dem Gedanken abzubringen, dass ihm durch einen Gottesmann Heil widerfuhr. Sie nennen Jesus einen Sünder. Das heißt mit anderen Worten: Der Böse hat an dir gehandelt.
Da der Blindgeborene sich aber nicht beirren lässt, stoßen sie ihn aus der Gemeinschaft der gläubigen Juden aus.
Es ist schon bewundernswert, wie sich der Blindgeborene bewährt. Er lässt sich durch Diskussionen nicht ausreden, was er als Gnadengeschenk Gottes erlebt hat. Für ihn ist Jesus ein Prophet, ein Gottesmann. Auf dieser durch Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit gewonnenen Einstellung kann Jesus weiterbauen. In einer neuen Begegnung öffnet er dem Blindgeborenen die Augen für sich als den Menschensohn.
Der Weg zum Glauben
Der Evangelist Johannes zeigt am Beispiel des Blindgeborenen den Weg zum Glauben. Am Anfang steht das Gnadenwirken Gottes an uns Menschen. Zu einer innigen, tiefen Beziehung zu Gott wird jedoch nur der vorstoßen, der Gottes Wirken an sich wahrnimmt. Dabei lässt sich nicht immer bis ins Letzte klären, welchen Anteil an Gutem uns gegenüber die Menschen haben und an welchem Punkt das Wirken Gottes einsetzt.
Dass ich lebe - dass es mir so gut geht, wie es mir geht - dass ich unwahrscheinliches Glück hatte - dass ich bestimmte Erfahrungen machen konnte, mit denen ich überhaupt nicht gerechnet hatte - dass ich in meiner Unsicherheit die richtige Wahl getroffen habe - dass ich bestimmte Ziele, von denen ich nur träumen konnte, erreichte - all das ist ein Ineinander von liebevoller Zuwendung seitens der Mitmenschen, eigener Leistung und dem Gnadenwirken Gottes.
Wenn sich auch nicht hundertprozentig klären lässt, welchen Anteil wir den einzelnen jeweils zuschreiben müssen, so lässt sich dennoch bei ehrlicher Betrachtung an bestimmten Stellen erkennen: Hier war auch Gott am Werk. Diese Besinnung ist notwendig, um den Mitmenschen und Gott gebührend dankbar zu sein. Nur wer wahrnimmt, wie sehr er sich verdankt, wird tiefe, innige Beziehungen suchen.
Über eine tiefe und enge Beziehung zu Gott und eine feste Bindung an ihn, die wir aufbauen oder pflegen, freuen sich auch in unseren Tagen längst nicht alle Menschen. So wie der Blindgeborene mit seiner Überzeugung auf Widerstand stieß, werden auch wir mit unserem Glauben nicht nur Freunde haben. Die einen halten uns für übertrieben fromm; andere versuchen, uns davon zu überzeugen, dass unsere Sicht im Blick auf Gottes Wirken Einbildung ist.
In diesen Situationen kommt es darauf an, ob wir wie der Blindgeborene reagieren werden. Dort, wo wir unserer gewonnenen Überzeugung treu bleiben und an Gott festhalten, wird er auch bei uns weiterbauen können, so dass unser Glaube sich festigt und Fundament unseres Lebens wird. Dem Evangelisten ist es wichtig, dass wir diesen Zusammenhang sehen und erkennen: Gott kann an uns und in uns nur wirken, wenn wir nicht verleugnen, dass er an uns gnadenhaft gehandelt hat.
Ebenso möchte uns Johannes vertraut machen mit der Wahrscheinlichkeit, dass auch wir - wie der Blindgeborene - mit unserem Glauben der Ablehnung begegnen werden. Der Evangelist möchte uns beizeiten darauf hinweisen, damit wir nicht hilflos dastehen, wenn es geschieht.
Der Blindgeborene als Vorbild
Dem Blindgeborenen musste sich Jesus als Menschensohn offenbaren. Uns ist Jesus als der Sohn Gottes bekannt. Johannes stellt uns den Blindgeborenen als Vorbild vor Augen: Einmal in seiner Treue zu Gott, die er im Verhör unter Beweis stellt; zum anderen in seiner Reaktion auf die Selbstoffenbarung Jesu als den Menschensohn hin. Das sich Niederwerfen des Blindgeborenen vor Jesus drückt mehr aus als nur eine Huldigung. Es zeigt eine konsequente Bindung an den Menschensohn an. Eine Beschreibung oder Ausdeutung, wie diese sehr enge Bindung an Gott oder Christus für jeden von uns konkret aussehen könnte oder müsste, unterlässt der Evangelist. Wir selber dürfen bestimmen, wie wir Christus ehren, ihm dienen, uns ihm anvertrauen wollen. Entscheidend ist, dass wir aus einer tiefen Verbundenheit mit Gott und Christus leben. Dann werden wir in den unterschiedlichsten Lebenssituationen wie von selbst die richtigen Wege, Formen und Verhaltensweisen finden.
"Der Weg zum Glauben", so haben wir das heutige Evangelium gedeutet. Er beginnt mit den Gnadenerweisen Gottes, die er uns schenkt. Ob wir diese sehen und wahrnehmen, davon hängt unsere Beziehung zu Gott ab. Je tiefer wir das Wirken Gottes an uns verinnerlichen, umso leichter wird es uns werden, Gott die Treue zu halten und uns ihm und Christus ganz anzuvertrauen. Wir werden - wie der Blindgeborene - die Kraft entwickeln, uns durch die Widerstände von außen nicht beirren oder umstimmen zu lassen. Mögen dieses Evangelium und der Blindgeborene dazu beitragen, dass sich unser Glaube festigt und unsere Verbundenheit mit Christus enger und tiefer wird.
Pater Klemens Nodewald, 02.03.2008
Licht und Dunkel
(Max Angermann 2008)
Wie sensibel und verletzbar Augen sind, lernte ich schon in meiner Kindheit und frühen Jugend kennen. Eine chronische Augenentzündung schränkte vorübergehend meine Sehfähigkeit stark ein. Wie schrecklich ist es, überhaupt nichts zu sehen, Nacht am hellen Tag zu erleben! Wie sensibel müssen dann die Ohren, der Tastsinn entwickelt sein, um den Alltag halbwegs bewältigen zu können!
In solch schwieriger Situation taucht die quälende Frage nach Schuld und Leid auf. Man beginnt sein eigenes Leben zu durchleuchten, persönliches Versagen nimmt bei den Überlegungen plötzlich viel größere Bedeutung ein, Bemerkungen aus der nächsten Umgebung können durchaus das Leid vergrößern. Wie belastend muss das auch für den namenlos gebliebenen Mann aus dem Evangelium gewesen sein immer wieder damit konfrontiert zu werden, ob er nicht doch Schuld auf sich geladen hätte. Leid als Strafe für sündhaftes Leben. Diese uralte Problematik verfolgt uns Menschen ständig. Offenbar liegt es in uns, nach Gründen für Unglück und Leid zu suchen, einen Sündenbock zu finden, den man alles umhängen kann. Je größer das Unglück, je schmerzhafter das Leid, umso dringender ist das Bedürfnis, einen oder mehrere Schuldige ausfindig zu machen, am besten immer den, der sich am wenigsten wehren kann. Enttäuschung, Schmerz und Verbitterung verstärken sich bei Leidtragenden, wenn kein Sündenbock trotz genauester Untersuchung eines Unglücksfalles gefunden wird. Erstaunlich sind auch die kühnen Konstruktionen, die entstehen, um Leid und Unheil zu erklären.
So meinte Abraham a Sancta Clara, der berühmte Augustiner-Prediger, in seiner Dichtung "Merk's Wien", die Wiener Bevölkerung würde von Gott für ihren liederlichen Lebenswandel, für ihre Modetorheiten durch die Pest und die Türkenbelagerung bestraft. Welch düsteres Gottesbild kommt da zur Sprache! Die Antwort Jesu geht in eine andere Richtung: "Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden." (Joh.9,3)
Gewiss ist damit noch immer keine Antwort auf die Grundfrage gegeben, warum es Krankheit, Leid, Unheil in der Welt gibt. Das wird immer ein Mysterium bleiben. Eine Erkenntnis vermittelt aber dieser Satz des Evangeliums schon: Die Sünde (Absonderung, Ausgrenzung) wird nicht vererbt. Es gibt keine Kollektivschuld, keine Sippenhaftung für persönliches Versagen. Daher ist auch das Wort "Erbsünde" sehr unglücklich gewählt. Wir sprechen heute besser von "Sündenverflochtenheit".
Das Evangelium zeigt auch ein Kontrastprogramm von Licht und Dunkel. Lichtvoll in dunkelsten Stunden des Leides und Schmerzes ist wohl das Bild von der verschlossenen Tür. Wenn sich eine Tür fest verschließt, öffnet sich eine andere. Die Tragik besteht aber darin, dass man nach der geschlossenen Tür blickt und die andere geöffnete gar nicht beachtet oder erst viel später findet. Die "Aha-Erlebnisse" im Nachhinein geben Licht.
Zweierlei Sichtweisen
Den Pharisäern muss offenbar auch erst ein Licht aufgehen. Sie kennen das Gesetz gut, weil sie in Gottes Geheimnis eingeweiht wurden. Das Gesetz, das über Mose an das Volk Israel geht, gibt diesem auserwählten Volk einen Vorrang. Es geht um die Selbstmitteilung in der Person Jesu, die die Pharisäer nicht erkennen bzw. nicht ernst nehmen. Jesus offenbart sich dem Blinden und den Pharisäern, er steht neben ihnen. Gott teilt sich sehr stark in dieser Begebenheit in der Person Jesu mit, offenbar für die Pharisäer vergeblich. Hier setzt Jesu Kritik an, in dem er die eingeengte Sichtweise der Pharisäer rügt, nicht ihre Blindheit. Komplette Blindheit entschuldigt mangelndes Verhalten.
Worin besteht die eingeengte Sichtweise, von der wir alle auch immer wieder betroffen sind? Es hilft eine Redewendung: Mit Blindheit geschlagen sein. Das gilt durchaus auch für Sehende. Mit Blindheit geschlagen sind all jene, die zu wenig sensibel sind für die Lebenssituation anderer, vielleicht sogar auch für die eigene. Es sind alle Fettnäpfchentreter und Dreschflegel, die schon immer alles gewusst haben. Es sind all jene, die schon mit vorgefertigten mitunter sehr einseitigen Bildern über Menschen und ihr Verhalten rechten und richten. All das verursacht Leid, nicht solches, das sich sofort in den Medien findet, aber doch persönlich sehr weh tut.
Den Pharisäern sagt Jesus, dass Heil nicht ausgeforscht und kritisch hinterfragt werden soll, sondern gefeiert und geheiligt werden will, gerade am Sabbat, dem ersten Tag der Woche Jesus verabreicht dem blinden Mann, für den wir stehen alle stehen könnten, die "Augensalbe des Glaubens und Vertrauens". Der Blinde sagte: "Ich glaube Herr! Und er warf sich vor ihm nieder. Da sprach Jesus: Um zu richten bin ich in diese Welt gekommen: damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden." (V 39 und 40) Erst dann wird sich unser Blick schärfen und die Blindheit unseres Herzens wird geheilt, wie es im Schlussgebet heißt. - Amen.
Dr. Max Angermann, 02.03.2008