Predigtgedanken 01.04.2018
01. Apr `18
Ostersonntag
(A/B/C)
Ostern: Wir sehen die Sonne aufgehen
(Manfred Wussow 2018)
Maria Magdalena ist die Hauptgestalt eines aktuellen Films. Sie wird als Frau dargestellt, die durch Jesus zu einer befreienden Spiritualität findet. Im Johannesevangelium findet sie am Ostermorgen das leere Grab. Was Ostern bedeutet, muss sie und die Jünger erst nach und nach entdecken: ein neuer Tag, eine neue Schöpfung...
Maria Magdalena
Maria Magdalena schafft es gerade hochmotiviert und überaus hübsch ins Kino – haben Sie den Film schon gesehen? In der fachmännischen Kritik heißt es: „Die junge, unangepasste Frau bricht aus der patriarchalischen Enge ihrer Familie und Dorfgemeinschaft aus (man denkt bei diesen Anfangsszenen unwillkürlich an muslimische Frauen im Nahen Osten heute), schließt sich dem Outsider Jesus an, erfährt bei ihm Achtung ... und findet durch ihn zu einer befreienden Spiritualität und einem Leben tätiger Barmherzigkeit. So ist sie am Ende nicht nur diejenige, die ihm bis in den Tod treu bleibt, sondern sie wird auch die erste Zeugin seines neuen Lebens und Predigerin eines Glaubens an Christus, der den Tod überwindet. Dabei schreckt sie nicht davor zurück, mit mächtigen Männern zu streiten – ihrem Vater, dem Bruder oder mit Petrus ... Die weibliche Hauptfigur stiftet so eine schöne Sensibilität für den »liberalen« Jesus, und schenkt eine Ahnung dafür, dass ein christlicher Glaube auch heute noch möglich ist.“
(https://www.epd-film.de/filmkritiken/maria-magdalena)
Sie werden, wenn Sie den Film gesehen haben, schon die passenden Worte für ihn finden. Dass Jesus liberal gewesen sein soll, ist eine schöne moderne Sehnsucht. Dass die weibliche Hauptfigur – in einem Film unerlässlich – eine schöne Sensibilität stiftet, wird vielen gefallen. Dass ein christlicher Glaube auch heute noch möglich ist, ist für den Kritiker auch nur eine Ahnung. Was kann ein Film darstellen? Was nicht? Und was sehe ich dann?
Im Evangelium wird uns eine Gewissheit geschenkt. Die Gewissheit, dass Jesus auferstanden ist. Dabei wiegen die letzten Worte schwer: „Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.“
Laufen und gehen
Die letzten Worte im Evangelium wiegen deshalb so schwer, weil eigentlich nur erzählt wird, dass das Grab leer ist. Der Stein ist weggerollt. Maria, die frühmorgens am ersten Tag der Woche – „als es noch finster war“ – zum Grab kommt, entdeckt das als Erste. Ist das Ostern? Schon Ostern? Der weggewälzte Stein kann alles heißen, nur nicht automatisch, dass Jesus auferstanden ist. Was muss man eigentlich wissen, um die Auferstehung Jesu glauben zu können?
Wenn wir in der Geschichte bleiben, die der Evangelist Johannes überliefert, überraschen zunächst einmal Verben: laufen und gehen. Alles gerät in Bewegung. An diesem Morgen. Maria rennt zu Petrus und Johannes, hier „der andere Jünger“ genannt. Petrus und Johannes gehen dann hinaus und kommen zum Grab. Nach der laufenden und atemlosen Maria scheinen es die beiden Herren nicht so eilig zu haben. Maria hatte doch auch nur geäußert, dass sie – wer auch immer das sein mochte – Jesus weggenommen haben. Elektrisiert hat das die beiden wohl nicht. Oder doch? Dann nimmt die Geschichte plötzlich Fahrt auf: die beiden Jünger laufen um die Wette. Der „andere Jünger“ ist wohl etwas schneller, lugt auch schon ins Grab, lässt Petrus dann aber den Vortritt. Eine Ehrenbezeugung? Vielleicht. Was die beiden sehen? Nicht viel: Leinentücher. Totentücher. Auffällig nur, dass das Schweißtuch, das den Kopf bedeckte, sorgfältig abgenommen schien und säuberlich zusammengerollt in einer Ecke liegt. Nach Flucht sieht das nicht aus. Auch nicht nach einer Entführung. Und warum hätten die Unbekannten das so machen sollen, wenn sie Jesus weggenommen hätten, wie Maria erst dachte? Nein, es muss etwas passiert sein. Von langer Hand vorbereitet? Manchmal ist es ein Detail, das eine Spur legt. Warum nur ist das Schweißtuch Jesu so liebevoll zusammengerollt, achtsam gehortet? Das Grab ist leer – nur warum? Maria rennt, am Ende laufen auch die beiden Jünger um die Wette – doch ganz am Ende heißt es im Evangelium: „Da gingen die Jünger wieder heim“.
Geschlagen, verwundet, getroffen
Es ist eine schnelle Geschichte geworden. Die Spannung wird sichtbar, doch auch das ratlose Schweigen. Ließe sich das in einem Film darstellen, ohne peinlich berührt zu sein? Zugegeben: Das Evangelium ist kein Film. Aber was wir darstellen können, sind Menschen, die traumatisiert und verängstigt sind. Schnelle Schnitte sind dann nicht angezeigt. Eher einfühlsame Szenen, die nachzeichnen, wie der Tod in das Leben einbricht. Maria kommt ja zu einem frischen Grab. Gestern erst verschlossen. In einem Garten. Josef von Arimathäa und der Schriftgelehrte Nikodemus haben Jesus gesalbt und in Leinentücher gewickelt. Ein letzter Liebesdienst. Aber das Kreuz, an dem Jesus aufgehängt wurde, steht noch. Maria hat das Bild im Kopf. Es geht ihr auch nicht aus dem Sinn. Auch nicht an diesem Morgen. Sie ist eine Geschlagene, Verwundete, Getroffene.
Viele Menschen sind geschlagen, verwundet und getroffen. Kurz tauchen sie im Fernsehen auf. Wenn wieder einmal von einem Bombenangriff berichtet wird, wenn Bilder von der Flucht gezeigt werden, wenn ein Terroranschlag die Nachrichten okkupiert.
In Frankreich denken viele Menschen an einen Polizisten, Arnaud Beltrame, der sich letzte Woche bei einem Attentat im südfranzösischen Städtchen Trèbes selbst als Geisel im Tausch für das Leben einer Frau anbot. Der islamistische Attentäter ging auf den Tausch ein; kurz darauf erschoss er Beltrame. Der Tod feiert ein Fest – und viele Menschen richten es ihm aus. Die Aktien der Rüstungsunternehmen stehen gut. Daten sind käuflich – und Menschen auch. Nicht nur Waffen, auch Worte, Schlagzeilen, Vorurteile treffen Menschen hart. Viele können sich nicht wehren, viele schweigen. Viele fressen die Wut in sich hinein.
Viele werden zu Schatten ihrer selbst. Ich freue mich immer, wenn sie aufstehen – und ihren Widersachern keine Rache entgegenbringen. Selbstverständlich ist das nicht. Aber ist Bitterkeit, Trostlosigkeit, Angst – selbstverständlich? Es ist schon bemerkenswert, wie die Geschichte von Maria tatsächlich verfilmt wird. Es ist nicht das große Kino. Eher Format Tagesthemen. Eine Reportage. Eine Talkshow. Wenn wir die vielen Bilder nebeneinander stellen, die vielen Gesichter an uns heranlassen, gleicht das jenem Morgen, von dem der Evangelist erzählt: „als es noch dunkel war“.
Frühmorgens
Als es noch dunkel war... Der Evangelist erzählt die Ostergeschichte als eine Geschichte in der Frühe des ersten Tages. Der erste Tag – das ist der Tag der Schöpfung, nein, nicht der ganzen: der Tag des Lichts, das die Finsternis abtrennt. Jetzt erst ist Dunkel Dunkel, jetzt erst wird Tag Tag, jetzt erst wird Leben Leben. Nach dem ersten Tag kann die Welt Welt sein, Schöpfung Schöpfung, Mensch Mensch. Ostern ist der erste Tag! Wir sehen die Sonne aufgehen. Und das Leben siegt.
In der Frühe sind die zurückgelassenen Leinentücher, das sorgsam und liebevoll zusammengelegte Schweißtuch Indizien, dass Jesus nicht mehr im Reich des Todes zu Hause ist, sondern ihn überwunden hat. In alten Geschichten wird sogar von Jesu Höllenfahrt erzählt. Jesus bringt die Hölle zum Einsturz, durchbricht ihre Dächer und Mauern – und führt alle hinaus, die vom Tod gefangen gehalten werden. Ob sich das in einem Film zeigen lässt? Im Fernsehen? Auf YouTube?
Vielleicht viel einfacher als geahnt: Ich sehe Menschen, die eine Kette bilden. Friedlich. Sie protestieren gegen den laxen Umgang mit Waffen. Ich sehe Menschen, die mutig, vielleicht auch kompromisslos, in Kirchen ein Asyl einrichten. Ich sehe Menschen, die es satt haben, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht und alte Kulturen vor die Hunde geraten. Ich sehe viel... Ich sehe auch über Vieles hinweg. Meistens sehe ich nicht, dass immer, wenn das Dunkel weicht, ein österlicher Tag aufgeht. Vielleicht habe ich die Auferstehung Jesu auch noch nicht verstanden? Könnte doch sein, wo es doch von den Jüngern heißt: „Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.“
Petrus, übrigens, wird in seiner Osterpredigt – die wir in der Lesung gehört haben - , sagen: „Gott aber hat ihn – Jesus - am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen, zwar nicht dem ganzen Volk, wohl aber den von Gott vorherbestimmten Zeugen: uns, die wir mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken haben. Und er hat uns geboten, dem Volk zu verkündigen und zu bezeugen: Das ist der von Gott eingesetzte Richter der Lebenden und der Toten.“
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Manfred Wussow, 01.04.2018
Manfred Wussow
Die Auferstehung Jesu stärkt unsere Hoffnung
(Bernd Kösling 2017)
In der heiligen Woche sind wir mit Christus den Weg vom Einzug als Messias, seinem Abschiedsvermächtnis bis zu seinem Tod am Kreuz und bis zum leeren Grab mitgegangen. Seine Auferstehung stärkt unsere Hoffnung und gibt uns Kraft, eine Kultur des Lebens zu pflegen.
Mit dem Messias unterwegs
Mit dem heutigen Festgottesdienst haben wir den Höhepunkt der Osterwoche erreicht. Am Palmsonntag sind wir mit dem Herrn in die heilige Stadt Jerusalem eingezogen. Jerusalem, der Ort, an dem der Tempel als Zeichen der Gegenwart Gottes stand. Jerusalem, die Stadt, in der der seit dem Ende des Königtums in Israel erwartete Messias nicht nur das Königtum erneuern, sondern dessen Kommen alles verändern wird.
Wir waren am Gründonnerstag Gäste im Abendmahlssaal, in dem Jesus seinen Jüngern die Füße wusch und ihnen so den Charakter seines Königtums bezeugte. Sie sollen nicht herrschen und ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Sie sollen ihnen die Füße waschen und den Menschen dienen.
Wir standen am Karfreitag am Kreuzweg des Herrn und konnten sehen, wie ernst es ihm damit war. Natürlich hätte sein Vater ihm Engel schicken können, die ihn aus der Hand des Pilatus befreien. Aber er war gekommen, um für die Wahrheit bis zuletzt Zeugnis zu geben: Gottes barmherzige Liebe zu allen Menschen.
Der Tod spricht nicht das letzte Wort
Heute morgen stehen wir mit den Frauen vor dem leeren Grab. Staunend. Fragend. Zweifelnd. Hoffend. Und glaubend. Glaubend, dass Gott in Jesus Christus wirklich eine neue Schöpfung begonnen hat. Den Tod, die Folge des Ungehorsams der ersten Menschen, vernichtet hat. Der Tod spricht nicht das letzte Wort über unser Leben. Die Tür zum Paradies steht wieder offen. Endgültig offen.
Der Glaube an die Auferstehung vom ewigen Tod ist allerdings keine alleinige Vertröstung auf das Jenseits. Der auferstandene Herr schickt seine Jünger hinaus in die Welt. Dort sollen sie ihren Glauben bezeugen, indem sie sich den lebensfeindlichen Kräften im Leben der Menschen nicht hilflos ausliefern, sondern mutig für das Leben eintreten: Geht hinaus: Legt den Kranken die Hände auf. Treibt die Dämonen aus. Sagt den Verzagten: Habt Mut. Tröstet die Traurigen. Befreit die Gefangenen und sagt den Menschen: Das Reich Gottes ist nahe.
Überall dort, wo Christen und Christinnen gegen die Kultur des Todes angehen und sich für eine Kultur des Lebens einsetzen, ist die Kraft der Auferstehung schon spür- und erfahrbar. Die Auferstehung, die wir am Ende unseres Lebens dann in ihrer ganzen Vollendung erfahren dürfen.
Die Kultur des Todes überwinden
Und doch - muss ich zugeben - kann man manchmal schon verzweifeln. Verzweifeln darüber, dass das Böse - trotz des Sieges Christi über den Tod - immer noch so viel Macht in der Welt hat. Giftgas in Syrien. Raketen auf eine syrische Militärbasis. Ein LKW-Fahrer, der unschuldige Menschen in der schwedischen Hauptstadt Stockholm tötet und verletzt. Ein nordkoreanischer Diktator mit Zugang zu Atomwaffen. Und all die anderen Konflikt- und Kriegsherde, Hunger- und Naturkatastrophen, die es in der Welt gibt.
Ich möchte Hoffnung haben. Ich möchte mich im Rahmen meiner Möglichkeiten in meiner kleinen Welt gegen die Kultur des Todes stemmen. Wie kann ich - über diesen Ostergottesdienst hinaus - diese Hoffnung am Leben erhalten?
Eine Kultur des Lebens aufbauen
Ich kann dabei immer wieder nur auf Christus schauen. Ausgehend von seiner Auferstehung auf sein Leben und seine Art zu leben blicken. Und ich entdecke so etwas wie eine Strategie, mit der der Herr sich für das Leben einsetzt. Da ist zum einen seine tiefe Gottesbeziehung und seine tiefe Geborgenheit in der Liebe seines Vaters. Ich lerne daraus: Ohne ein solch tiefes Gottvertrauen und eine lebendige Gottesbeziehung stehe ich dem Bösen machtlos gegenüber. Deshalb gilt mein erstes Bemühen der Pflege der Beziehung und Freundschaft zum Herrn. Diese Freundschaft ist die Grundlage meines christlichen Lebens.
Ich lerne ein Zweites: Christus hat für die Verkündigung der Frohen Botschaft nicht andere leiden lassen, sondern er hat selbst gelitten. Er hat nicht andere für sich sterben lassen, er hat sein eigenes Leben hingegeben. Er hat das Kreuz nicht anderen aufgebürdet, sondern hat es selbst getragen. Zur Nachfolge des Herrn gehört diese Bereitschaft, das Kreuz zu tragen. Das kann bedeuten, den Zweifel auszuhalten, an der scheinbaren Ohnmacht angesichts der Kräfte des Bösen zu leiden, die innere Zerrissenheit anzunehmen, das Scheitern mancher gut gemeinter Aktion und die Ablehnung mancher Hilfsangebote zu tragen.
Zeichen der Auferstehung im täglichen Leben
Es bedeutet aber auch, sich vom Herrn immer wieder die Augen öffnen zu lassen, um die kleinen Zeichen der Auferstehung in unserem Leben und Alltag sehen zu können:
Die vielen, die sich trotz Widerständen und sogar juristischen Schritten immer wieder für die Flüchtlinge einsetzen.
Die Opferbereitschaft so vieler Eltern zu sehen, die auf vieles verzichten, damit ihre Kinder sich gut ausbilden, wertorientiert leben und einfach gute Menschen werden können.
Das Engagement der Erzieher und Erzieherinnen, der Mitarbeiter in der Altenpflege und in den Krankenhäusern zu sehen, die immer wieder die Würde des Kindes, des kranken oder alten Menschen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen.
Und so wie wir die Liste der Kultur des Todes am Beginn der Predigt noch lange hätten fortsetzen können, so können wir eben auch die Liste deren, die sich für die Kultur des Lebens einsetzen noch lange fortsetzen.
Christus ist auferstanden. Wenn wir Gott bitten, uns die Augen zu öffnen, dann können wir an so vielen Stellen sehen, wie lebendig die österliche Kraft in der Welt schon ist.
Wie kann ich - über diesen Ostergottesdienst hinaus - diese Hoffnung am Leben erhalten? Das war die Frage. Indem ich mich in Gott immer tiefer verwurzele. Indem ich bereit bin, auch das Kreuz in meinem Leben zu tragen. Aber vor allem: Indem ich mir den Blick auf die kleinen österlichen Erfahrungen im Alltag meines Lebens nicht verstellen lasse.
Christus ist auferstanden von den Toten. Das ist meine Hoffnung. Darauf baue ich mein Leben.
Dechant Bernd Kösling, 16.04.2017
Ein Fest des Glaubens und des Lebens
(Lorenz Walter Voith 2016)
Ostern ist vor allem ein Fest des Glaubens. An den einen Gott, der sich in Jesus Christus gezeigt hat. Ostern bedeutend mehr als etwa ein „Frühlingsfest“ oder eine Art von „rituellem Miteinander“. Ostern kann uns ein Wegweiser sein. Es ermutigt uns, Freude und Hoffnung zu schöpfen. Ostern ist auch ein Fest des Lebens.
Mehr als ein Frühlingsfest
Vor wenigen Tagen wurde bei einer Podiumsdiskussion ein Präsidentschaftskandidat in Österreich zu seinem Glauben befragt. Er antwortete: „An das Neue Testament glaube ich schon, aber nicht an Gott“. Eine interessante Feststellung. Was der ältere Herr aber vielleicht nicht erkannt hat: Das Neue Testament handelt von der ersten bis zur letzten Zeile von Gott, von seinem Handeln an den Menschen, von Jesus Christus, seinem Sohn, der in diese Welt geboren wurde, der getötet wurde und am dritte Tage auferstand. Man mag in der christlichen Lehre auch ethische Leitlinien erkennen, aber da würde man das Wesentliche am Christentum übersehen.
Der bekannte Psychiater, Theologe und Buchautor Manfred Lütz, meinte dazu in einem Interview in der Zeitschrift „Herder Korrespondenz“ (Nr.3/2016): „Die Kirche ist keine Moralanstalt“. Das Problem der Kirche, beider Kirchen ist: Die Leute glauben nicht mehr an Gott! Und wenn Gott nicht existiert, dann ist die Kirche natürlich ein gigantisches Kasperltheater.“ Ich füge hinzu: Wenn Gott nicht existiert, wenn er nicht an Jesus Christus dieses einmalige Zeichen der Auferstehung vollzogen hätte, wäre unser heutiges Feiern hier „sinn-leer“, ja letztlich sinnlos. Dann wäre Ostern ein schönes „rituelles Miteinander“, eine Art „Frühlingsfest“, ein schönes „Musik-Event“ (z.B.: „Mozartmesse“), Eier, Schinken, Kren, Osterbrot und einige arbeitsfreie Tage...
Ostern: Ein Fest des Glaubens
Für die Christen der ersten Jahrhunderte bildete das Fest zu Ostern wirklich den Höhepunkt des Jahres. Diese ersten Gläubigen waren bedroht, diskriminiert, verfolgt. Aber sie wussten sich gehalten und mit dem verbunden, der durch Leiden und Tod in ein unzerstörbares Leben eingegangen war. Die frühesten Osterbilder der christlich geprägten Kunst finden sich nicht von ungefähr an Sarkophagen, auf Särgen und in Begräbnisstätten. Menschen, die trauerten, haben sich den Ostersieg Jesu vor Augen gestellt. Es waren ganz einfache Darstellungen: zum Beispiel ein Kreuz mit einem Lorbeerkranz als Lebens- und Siegeszeichen. Für diese Christen war Ostern ein Fest des Glaubens, des Lebens und der Hoffnung.
Was für ein Gegenmodell sind da muslimische „Selbstmordattentäter“, welche in letzten Jahren und Wochen in vielen Teilen der Welt sich und viele Menschen in den Tod reißen? Wo findet sich da Leben, Hoffnung und Glauben an den einen Gott?
Hunderte Millionen Menschen sind heute weltweit feierlich versammelt, um das Auferstehungsfest, Ostern, zu begehen. Wie wir hier in dieser Kirche. Ich denke, es geht in unserem Feiern nicht so sehr darum, dass wir die letzten Antworten zu Gott, oder über dem Vorgang der Auferstehung und seiner letzten Sinnspitze, erfahren können. Nein, das wäre wahrscheinlich vermessen. Viele tausende Theologen haben sich durch Jahrtausende schon darüber Gedanken gemacht und tiefsinnige Zugänge zu diesen Geheimnissen versucht aufzutun. Letztlich bleibt vieles unserer Vernunft, unseren noch so wissenschaftlichen Zugängen, verborgen. Es braucht den Glauben. Und aus diesem Glauben heraus haben sich immer schon großartige Türen öffnen lassen. Das bezeugen uns wohl Millionen von Menschen vor uns und mitten unter uns,…
Ostern ist für uns ein Fest des Glaubens. Es bedeutet für uns ein Fest des Lebens: Denn er war tot und ist nun wieder am Leben. Ostern bedeutet für uns ein Fest der Zusage: Gott geht mit uns – in guten und dunklen Tagen!
Ostern: Ein Wegweiser für jeden
Ostern will uns „Wegweiser“ sein. Die Texte des Neuen Testamentes sind durchzogen von diesen Wegweisern. Am Grabe Jesu heißt es: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Ostern hat mit jedem Einzelnen zu tun. Ich bin als Einzelner angefragt. Ich bin als Einzelner gemeint!
Noch etwas Auffallendes: Jesus, der Auferstandene, will nicht ein Volk, eine Nation, eine Sprachgruppe, eine Elite, eine fromme Schar von edlen Menschen, ansprechen. Nein: Dieser Auferstandene will jeden, auch in seiner Erbärmlichkeit, in seiner Schuld, in seiner Armseligkeit, Endlichkeit und seinen Sehnsüchten und Fragen ansprechen; auch die, die nicht glauben wollen oder können.
Ostern heute
Eine abschließende Frage an uns alle: Wie würden (oder müssten?) heute österliche Menschen aus ihrem Glauben, ihre Freude und ihrer Hoffnung heraus handeln? Z.B. im Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden, für Menschen auf der Flucht vor Tod und Zerstörung und Hunger, im Einsatz gegen einen menschenverachtenden globalen Kapitalismus, gegen extreme Ideologien, oder religiöse und politische Gruppen, die Hass, Ängste und Gewalt predigen und säen?
Vielleicht will Gott mir und ihnen dazu heute etwas ganz persönliches sagen oder mitgeben: In einem Wort aus der Heiligen Schrift, in dem einen oder anderen Gebet, in dem einen oder anderen Lied oder Zeichen.
Gesegnete und frohe Ostern!
Pater Lic. theol., Dipl. Bw. Lorenz Walter Voith, 27.03.2016
Pater Lic. theol., Dipl. Bw. Lorenz Walter Voith

Die Augen und die Herzen für das Ostergeheimnis aufmachen
(Bruno Hidber 2016)
Was wir zu Ostern feiern ist unglaublich. Um an Ostern glauben zu können, müssen wir die Augen und die Herzen öffnen. Ostern lässt uns glauben, dass nicht alles auf den Tod zugeht, sondern dass viel mehr für das Leben spricht. Ostern ist der Beginn einer neuen Schöpfung.
Unglaublich
Was wir heute feiern, ist im wahrsten Sinn des Wortes unglaublich. Da soll Einer von den Toten auferstanden sein und den Tod überwunden haben! Wir alle gehen aber dem Tod entgegen und hat der Volksmund nicht recht, wenn er sagt: Noch niemand ist von „drüben“ zurückgekehrt?
Ostern ist unglaublich: es ist nicht leicht, sich auf die Osterbotschaft einzulassen. „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“, sagt Faust bei Goethe. Ich kann so einen Satz recht gut verstehen. Bereits für die Jünger, die Jesus persönlich gekannt hatten, die mit Jesus den Weg nach Jerusalem gegangen waren und den Tod Jesu am Kreuz miterlebt hatten, bereits für sie klang die Botschaft von der Auferstehung unglaublich. Wir wissen aus den Berichten der Bibel, dass die Jünger diese Botschaft zuerst als Weibergeschwätz abgetan hatten. Und auch der auferstandene Christus selber musste größte Mühe aufwenden, um ihnen die Augen und die Herzen für die Osterbotschaft zu öffnen.
Auch wir müssen heute wieder die Augen und die Herzen auftun, um dem Unglaublichen, das mit Ostern gemeint ist, näher zu kommen. Wir müssen es lernen, die Augen wieder aufzutun in einem ganz einfachen, aber auch ganz ursprünglichen Sinne. Es stimmt: unser Leben, jedes Leben geht unweigerlich dem Tod entgegen. Wenn wir uns dieser Tatsache mit offenen Augen stellen, dann muss sich doch geradezu die Frage aufdrängen: wenn es so ist, wieso gibt es dann überhaupt Leben und immer wieder neues Leben? Wenn der Tod das Letzte sein soll, wieso werden dann trotzdem unentwegt Kinder gezeugt und geboren? Wo ist da ein Sinn? Oder könnte es doch sein, dass das Geheimnis des Lebens größer und tiefer ist als die brutale Wirklichkeit des Todes?
Augen auf!
Tun wir die Augen auf! Es ist zwar noch winterlich kalt. Trotzdem ist Frühling. Das erste Grün sprießt hervor, die ersten Blumen bringen neue, frische Farben des Lebens. Nun sind wir es gewohnt, dass nach dem Winter wieder ein Frühling kommt. Trotzdem stellt sich die Frage: wieso eigentlich? Wieso blüht jedes Jahr neues Leben auf, wieso siegt in der Natur das Leben über den Tod? Könnte vielleicht auch das ein Hinweis dafür sein, dass die Kraft und das Geheimnis des Lebens tiefer und stärker sind als die Wirklichkeit des Todes?
Wenn wir die Augen öffnen für solche Fragen, dürfte zumindest Eines klar werden: es ist gar nicht so eindeutig, dass alles auf den Tod zugeht. Ganz im Gegenteil: vieles, sogar viel mehr spricht für das Leben, für neues Leben auch aus dem Tod heraus.
Es spricht also doch vieles dafür, dem Leben mehr zu trauen als dem Tod. Wer aus solchem Vertrauen lebt, darf sich im Einklang wissen mit den tiefsten Grundströmungen der Wirklichkeit. Die Grundlage dafür finden wir in dem, was wir Christen Schöpfung nennen. Die Welt und Wirklichkeit, in der wir leben, sind nicht einfach aus blindem Zufall geworden, sondern sind geschaffen von Gott. Und Gott ist Leben, Leben ohne Anfang und Ende, Leben in Fülle.
Der Beginn einer neuen Schöpfung
All dem zum Trotz, was in unserer Welt schief und schlecht ist; allem Leid und Elend zum Trotz; aller Schuld und Sünde zum Trotz dürfen wir heute, am Ostersonntag, sagen: die Auferstehung Jesu ist der Beginn einer zweiten, neuen Schöpfung. Wenn wir es Gott zutrauen, dass er der Schöpfer und Ursprung allen Lebens ist, wieso soll er dann nicht die Macht haben, seinen Sohn aus dem Tod heraus in ein neues Leben zu rufen und mit Jesus einmal auch uns? Ostern sagt: Gott bleibt seiner Schöpfungsabsicht treu. Es mag passieren was immer will; es mag noch so viel Zerstörerisches geben - die Grundlage von allem ist und bleibt das Leben, das Gott geschaffen hat am Anfang der Schöpfung und das Gott neu geschaffen hat, als er Jesus vom Tod auferweckte.
Wenn Sie nach diesem Gottesdienst nach Hause gehen, tun sie die Augen auf! Das frische Grün, die ersten Frühlingsblumen, sie sind Botschafter des neuen, aufsprießenden Lebens. Wenn Sie ein Kind sehen, tun sie die Augen auf! Jedes Kind bezeugt einfach dadurch, dass es da ist und heranwächst, dass wir Menschen für das Leben da sind. Wenn Sie jetzt, in der Feier der Eucharistie, bei der Kommunion den Leib des Herrn empfangen, tun Sie die Augen des Herzens auf! Denn da werden wir eins mit dem auferstandenen Christus.
Im Evangelium hat es von Johannes geheißen, als er zum Grab Jesu gekommen war: „Er sah und glaubte“. Für uns gilt dasselbe. Tun wir die Augen auf, glauben wir – und alles kann gut werden!
Dr. theol. Bruno Hidber, 27.03.2016
Dr. theol. Bruno Hidber

Ostern taucht unser Leben in göttliches Licht
(Ludwig Götz 2016)
Zu Ostern stehen die Erzählungen von den Ostererfahrungen der Jünger, allen voran Maria von Magdala und Johannes, im Mittelpunkt. Aber auch viele andere Erzählungen des Neuen Testamentes sind nur von Ostern her zu verstehen.
Wenn einem die Worte fehlen
Fast jedes Jahr um Ostern erscheinen in den großen Zeitschriften und Magazinen Beiträge über die Auferstehung und über die Zweifel darüber. Zweifel, weil diese Wirklichkeit über den Tod hinaus nicht mit unseren Sinnen und noch weniger mit höchstmoderner Technik erfassbar ist.
Die Verfasser der biblischen Auferstehungsberichte tun sich gar nicht leicht, die Begegnungen mit dem Auferstandenen in Worte zu fassen. Für das, was sie da mitbekommen haben, fehlen ihnen Vergleiche. Ihre Sprache kann nur einen geringen Teil einfangen. So bleibt Vieles offen. Die Tatsache selber aber ist seitdem die Mitte ihres Lebens. Trotz der ungenügenden Worte geben uns die Osterberichte wertvolle Hinweise, um dieser Wirklichkeit, die alle Grenzen überschreitet, näher zu kommen.
Wenn ich nachsuche, welche Personen von der Auferstehung etwas mitbekommen haben und welche nicht, komme ich schon einen Schritt weiter.
Weit entfernt davon ist der Machthaber Herodes, der all seine Interessen darauf lenkte, seine Macht zu erhalten. Dabei scheute er nicht zurück, aufsteigende Konkurrenten aus seiner nächsten Verwandtschaft umzubringen.
Keine Auferstehungserfahrung wird von jenen überliefert, die Jesus abgelehnt haben, weil er ihrem Denkmuster nicht entsprach. Sie hätten zugeben müssen, dass ihre Meinungen ergänzungsbedürftig sind.
Auch jenen konnte der Auferstandene keine geistigen Türen öffnen, die ihr bisheriges Leben als das ein und alles betrachteten. Dazu gehören jene, deren Interessen nur um sie selber kreisten. Mitgemeint sind auch die Schriftkundigen, die so taten, als wüssten sie über alles Bescheid.
Maria und Johannes kommen als erste zum Grab und zum Glauben
Maria Magdalena kann uns Spuren entdecken lassen, die zu österlichen Erfahrungen führen. Ihr verkorkstes Vorleben, gequält von Dämonen hat sie an den Nullpunkt gebracht. Ihre Not zwang sie wie den verlorenen Sohn zum Umdenken. Auf der Suche nach Hilfe ließ sie sich etwas sagen. Sie war nicht zu stolz, sich helfen zu lassen. Dadurch hat sie von Jesus mehr erfahren als bloß ein paar Informationen. Ihr Glaube an Jesus wuchs, indem sie oft auf ihn zuging und ihn in Wort und Tat erlebte. Sie versuchte, mit dem Beispiel Jesu Schritt zu halten. Sie wurde bereit, sich für ihn einzusetzen. So wurde sie fähig, auch Leidvolles durchzustehen und sich zum Gekreuzigten zu bekennen. Sie ließ ihre Beziehung selbst durch den Karfreitag nicht kaputtmachen.
In diesem Glauben kommt sie bei Dunkelheit zum Grab und stellt fest: Der Stein ist weggewälzt. Diese Tatsache behält sie nicht für sich, sondern teilt sie den Mitglaubenden mit. Sie kann sich das Geschehen nicht erklären und hofft, dass die anderen weiterhelfen. Doch auch sie wissen aufs Erste keine Lösung.
Dann aber bekommt Johannes, der Lieblingsjünger, eine Ahnung. Seine Liebe zu Jesus lässt ihn mehr sehen als ein Fotoapparat. Die Leinenbinden liegen an ihrem Platz. Das Schweißtuch ist feinsäuberlich zusammengebunden an seiner besonderen Stelle. Das sieht nicht nach einem Raub aus, wo Feinde heimlich und blitzartig zugegriffen haben.
Zwischen den Zeilen ist damit ausgesagt: Ganz wichtig für den Glauben ist die Liebe, ist die Herzensbeziehung zu Christus. Sie schenkt bessere Augen für das, was der Auferstandene bewirkt. In dieser Herzensbeziehung schwingt wesentlich mehr mit als Erkenntnis. Vertraute Nähe und Zusammenhalt durch Dick und Dünn, ja der ganze Mensch mit Haut und Haar kommen dazu.
Viele biblische Texte sind nur von Ostern her zu verstehen
Ein weiterer Fingerzeig auf österliche Erfahrungen sind viele biblische Berichte vor Ostern.
In jedem der vier Evangelien spricht Jesus oft vom ewigen Leben und besteht auf seinem göttlichen Anspruch.
Die Seligpreisungen versprechen mehrmals das Himmelreich. (Mt 5,3 ff)
In Mt 7,21 steht: Nur wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt, wird in das Himmelreich kommen.
Göttlicher Anspruch steckt in den Aussagen Jesu wie z. B: Ich bin das Brot des Lebens. Ich bin der Weg, das Licht, die Tür zum Leben, die Wahrheit und die Auferstehung. Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben.
Ehe Abraham ward, bin ich. Der Vater und ich sind eins. Wer mich sieht, sieht den Vater.
Die Verklärung Christi öffnet ein Fenster in die göttliche Wirklichkeit.
Die Worte Jesu: Das ist mein Leib, mein Blut, das für euch hingegeben wird, ist die Mitte jeder Eucharistiefeier. Christi göttliche Vollmacht verleiht diesen Worten dauerhafte Wirkung.
Mehr als einmal bringen die Evangelisten die Leidensankündigung: Der Menschensohn wird den Heiden ausgeliefert, misshandelt und gekreuzigt werden. Aber am dritten Tag wird er auferstehen.
Dem erhöhten Christus ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden. Im Weltgericht wird er alles ins rechte Lot bringen.
Und trotz aller göttlichen Vollmachten erleidet Christus den schmachvollen Kreuzestod.
Denn ein Gott der Liebe ist nicht gefeit gegen Lieblosigkeit. Liebe ist angreifbar und verletzbar und riskiert bei Rettungsaktionen das eigene Leben. So ist Gott. Um das klarzumachen, war Christus bemüht von der Krippe bis zum Kreuz.
Diese Liebe ist göttlich und ist stärker als der Tod. Diesen Glauben möchten alle Auferstehungsberichte festigen.
Unser Leben, in göttliches Licht getaucht
Ostern taucht alles, wo wir uns um Gutes bemühen, in göttliches Licht. Auch in Lebensphasen, die nach Karfreitag aussehen, ist der österliche Kern enthalten. Das darf uns freuen und neuen Mut machen. Halleluja!
Pater Ludwig Götz, 27.03.2016
Pater Ludwig Götz

Aufstehen
(Ludwig Götz 2015)
Vom Auferstandenen geht immer wieder neue Lebenskraft aus.
Vor uns ist die neue Osterkerze hoch aufgerichtet. In uns klingt noch nach, was der Evangelist Johannes von der Auferstehung berichtet hat. Auferstehung ist ein Ereignis, das alle unsere Vorstellungen und unser Verstehen sprengt. Wie Licht von der Osterkerze ausgeht, so ging und geht immer noch neue Lebenskraft vom Auferstandenen aus. Auferstehung ist nicht bloß ein längst vergangenes Ereignis. Auferstehung setzt sich fort bis in die Gegenwart, bis in unsere Nähe, und kann und will auch in uns geschehen. Das möchte ich mit einigen Beispielen aus der Kirchengeschichte nahebringen:
Saulus:
Der Auferstandene begegnet dem Saulus auf seinem Weg nach Damaskus, lässt ihn zu Boden stürzen und gibt ihm zu erkennen, dass er in den Christen ihn selber, den Auferstandenen verfolgt. Ab diesem Zeitpunkt lebt Paulus aus dieser zentralen Erfahrung mit dem Todesüberwinder Christus und wird zum größten Missionar der apostolischen Zeit. Aus dem Leben mit dem Auferstanden überwindet Paulus Gefahren und Entbehrungen und hat keine Angst vor Gefängnis und Tod. In der Apostelgeschichte (Apg 20,24) spricht Paulus glaubensstark: "Mit keinem Wort will ich mein Leben wichtig nehmen, wenn ich nur meinen Lauf vollende und den Dienst erfülle, der mir von Jesus, dem Herrn, übertragen wurde: das Evangelium zu bezeugen."
(Kerze oder Figur aufstellen)
Franziskus:
Ein Zeuge für die Auferstehung ist auch der hl. Franziskus: Mit 23 Jahren kehrt Franziskus auf halbem Weg zu seinem Kriegsherrn Walter von Brienne um, weil ihm klar geworden ist: auch die größten Herren sind nichts anderes als Diener. Nur einer ist wirklich Herr, und der lebt über allen Kreaturen.
Ein zweites Ereignis gibt dem Franziskus eine neue Richtung. Als Anführer der Tänzergemeinschaft bewegt er sich im Tanzschritt durch die Straßen, singend und musizierend. Plötzlich bleibt Franz zurück und steht regungslos da. Was um ihn herum vor sich geht, kommt nicht mehr an ihn heran. Eine größere Kraft bricht in ihm auf. Sie macht aus ihm, was diesen Heiligen bis heute auszeichnet und was unser jetziger Papst Franziskus aufgreift.
(Kerze oder Figur aufstellen)
Alfons von Liguori:
Der Auferstandene wirkt weiter. Dazu wähle ich ein Beispiel aus dem Leben des hl. Alfons von Liguori: Als Kleriker sammelt er eine Handvoll Gleichgesinnter. Abends treffen sie sich zum Gebet und tauschen in begeisterten Gesprächen ihre Glaubenserfahrungen aus. Daraus entstehen die sogenannten Abendkapellen, die 1798 bereits 85 Kreise mit ca. 1.000 Teilnehmern hatten. 1834 zählte man ca 100 Kreise mit je 300 Teilnehmern. Nochmals 50 Jahre später sind es 30.000 Mitglieder.
Eine Idee und viele Gebetserfahrungen haben zu neuem Leben geführt.
(Kerze oder Figur aufstellen)
Mutter Teresa:
Auch Mutter Teresa könnte von vielen Erfahrungen sprechen, die mit dem Auferstandenen zu tun haben: Das Schicksal der Armen versetzt sie in Unruhe, die zu einer zweiten Berufung führt. Sie schreibt: 1946 fuhr ich nach Darjeeling, um Exerzitien zu machen. Dort im Zug hörte ich den Ruf, alles aufzugeben und Jesus in die Elendsviertel zu folgen, um ihm unter den Ärmsten der Armen zu dienen. Was in den weiteren Jahren entstand, wäre ohne den Auferstandenen nicht möglich gewesen.
(Kerze oder Figur aufstellen)
Bischof Franz Xaver Nguyen van Thuan:
Noch ein Beispiel, wo ich Auferstehung spüre, ist gar nicht so lange her: Bischof Franz Xaver Nguyen van Thuan schmachtet in Vietnam in Einzelhaft. Über Wochen sieht er nur zwei Wächter, die lediglich mit "Ja" und "Nein" antworten. Er frägt sich: "Was könnte ich tun?" Eines Nachts kommt ihm ein Gedanke: "Franziskus, du bist noch sehr reich. Du trägst die Liebe Christi in deinem Herzen." Am Tag darauf beginnt er, diese Wächter zu lieben durch ein Lächeln und höfliche Worte. Er fängt an, Geschichten von seinen Auslandsreisen zu erzählen: Er schildert ihnen, wie die Völker in Amerika, Kanada, Japan, auf den Philippinen, in Frankreich, Deutschland, usw. leben. Seine Erzählungen haben ihre Neugier geweckt und sie zu allerlei Fragen veranlasst, die sie ihm auch prompt stellten. Allmählich werden sie Freunde. Sie wollen Fremdsprachen lernen: Französisch, Englisch, usw. Seine Wächter werden seine Schüler! Die Atmosphäre im Gefängnis hat sich geändert. Als die Polizisten die Aufrichtigkeit zu seinen Wächtern erkannten, bitten sie, ihnen nicht nur beim Erlernen der Fremdsprachen zu helfen, sondern schicken ihm sogar neue Schüler.
Bischof Nguyen van Thuan weiß sich als Schüler des auferstandenen Christus. In vertrauensvollen und bedrängten Gebeten holt er sich Kraft, seine Feinde zu lieben. Denn sein Herr, der Auferstandene hat seine Liebe fortgesetzt bis zur Qual am Kreuz und darüber hinaus. Diese Liebeskraft, die stärker ist als der Tod, hat Bischof Nguyen van Thuan erfahren dürfen und vielen anderen erleben lassen.
(Kerze oder Figur aufstellen)
Auferstehung im eigenen Leben:
Liebe Mitchristen, Auferstehung lebt weiter in vielfältigen Formen. Sie muss nicht sensationell sein und kann jeden Menschen aufrichten, gleichsam auferstehen lassen. So ist es normal, dass Menschen in existentiellen Situationen eine Phase der Depression durchmachen und aufgeben wollen. Wenn sie hierin aber eine entsprechende menschliche und medizinische Begleitung erfahren, kommen sie aus diesem Tal wieder heraus. So können sie fähig werden, ihr Schicksal anzunehmen und sehr bewusst die nächsten Schritte zu gehen.
Möge der Glaube an den Auferstandenen auch uns dazu befähigen.
(Kerze oder Figur aufstellen)
Pater Ludwig Götz, 05.04.2015
Leben stärker als der Tod
(Bruno Hidber 2015)
Sinn oder Sinnlosigkeit? – Leben oder Tod?
Es gibt nichts Schöneres und Kostbareres als das Leben. Gleichzeitig ist nichts so schwierig und gefährdet wie das Leben. Jeder Mensch wünscht, dass ihm das Leben gelinge, dass es gut verlaufe und das bringe, was wir uns als Glück und Erfüllung vorstellen. Aber wie viele Enttäuschungen gibt es auf dem Lebensweg; wie viel gelingt überhaupt nicht so, wie man es sich gewünscht hat; wie manches Leben geht viel zu früh und tragisch zu Ende?
Solche Zwiespältigkeit lässt in uns immer wieder mal die Frage hochsteigen: wie ist das eigentlich mit meinem Leben? Gehe ich damit einer Erfüllung entgegen, die hält, was sie verspricht, oder erweist sich alles als Illusion, werden Grab und Asche das Letzte sein? Eines wissen wir genau: wir alle müssen irgendwann sterben. Aber was kommt danach? Kommt da überhaupt noch etwas?
Nicht wenige Menschen denken diesbezüglich pessimistisch und haben sich eine fatalistische Grundeinstellung zugelegt. Sie haben vielerlei Gründe dafür. Sie verweisen auf die Unmenge von Leid, von dem wir einfach nicht wissen, warum das so ist. Warum wird eine Mutter von drei Kindern von Krebs befallen? Warum leben Bösewichte in Saus und Braus und müssen gute, ehrliche Menschen unten durch? Es gibt so viel Böses und Unrecht, dass man daran irre werden, ja sogar verzweifeln kann.
Und doch finden wir uns nicht damit ab. Immer wieder regt sich in uns drin nicht eine Stimme, die sagt: ja kann, soll das wirklich alles sein? Steckt hinter all dem, was das Leben verheißt, letztlich einfach nichts? Löst sich einmal alles, was ich ins Leben investiert habe, alles, was ich an Gutem getan habe, alles was ich ertragen und durchleiden musste – löst sich das alles einmal einfach in Nichts auf? Einmal angenommen es wäre so: müssten wir nicht das als die brutalste Sinnlosigkeit und Ungerechtigkeit empfinden, die es überhaupt geben kann?
Was ist nun die letzte Wahrheit: Sinn oder Sinnlosigkeit – Leben oder Tod?
Die letzte Wahrheit über unser Leben
Erst vor dem Hintergrund, solcher Fragen, wo es buchstäblich um alles oder nichts geht, kann in den Blick kommen, was Ostern bedeutet, kann in den Blick kommen, wie sehr unser Glaube etwas unerhört Beglückendes und Bereicherndes ist. Ostern eröffnet uns die letzte Wahrheit über unser Leben. Ostern sagt uns: es ist Sinn und nicht Sinnlosigkeit; es ist Leben und nicht Tod. Ostern tut das, indem es uns einlädt, auf das zu schauen und uns dem anzuvertrauen, was mit Jesus passiert ist.
Dieser Jesus, der elendiglich am Kreuz starb, der begraben und dessen Grab mit einem Stein versiegelt wurde – dieser Jesus lebt. Er ist auferstanden. Gott hat gewirkt, was in keines Menschen Macht steht: Leben zu schaffen aus dem Tod - starkes Leben, das sogar den Tod überwindet - Leben in Fülle.
Gewissheit durch Zweifel hindurch
Das zu glauben ist nicht selbstverständlich. Die Osterbotschaft sagt es selber: als Maria von Magdala zum Grab kommt und den Leichnam nicht findet, denkt sie, man habe ihn halt weggenommen und woanders hingelegt. Erst später, als der Auferstandene ihr begegnet, beginnt sie zu begreifen, was Unerhörtes da geschehen ist. Und von den Jüngern wissen wir, dass sie zuerst das Gerede von Auferstehung als Weibergeschwätz abgetan haben. Erst durch viele Zweifel hindurch begannen sie zu glauben und das vor allem, weil auch ihnen der Auferstandene begegnete. Und dieser Glaube wurde dann so fest und stark, dass sie ihr ganzes weiteres Leben dafür einsetzten. „Dafür sind wir Zeugen“, sagt Petrus in der Rede, die wir heute als Lesung gehört haben. Und für dieses Zeugnis hat er, wie auch die anderen Apostel schließlich sein eigenes Leben hingegeben. Für die Osterbotschaft sind sie als Märtyrer gestorben.
Das konnten sie nur tun, weil sie zur felsenfesten Überzeugung gelangt waren: die Botschaft von Ostern ist wirklich die Wahrheit mit der alles steht und fällt. Nur wenn Ostern wahr ist, ist es auch wahr, dass das Leben stärker ist als der Tod, dass das Gute stärker ist als das Böse und das Recht stärker als das Unrecht. Ich möchte Ihnen, ich möchte uns allen wünschen, dass wir dieser Botschaft trauen, dass wir uns aufs Neue diesem Gott anvertrauen, der so unerhört Großes wirkt, dass wir, wie Petrus und Johannes im Evangelium aufstehen und zu laufen beginnen, Jesus dem Auferstandenen entgegen. Wir dürfen ihm begegnen, jetzt wenn wir Eucharistie feiern. Da werden wir mit ihm beschenkt und mit seinem Leben.
Was können, was sollen wir anderes tun als uns ganz einfach freuen über dies unerhört Beglückende und voller Überzeugung unseren Glauben bekennen.
Dr. theol. Bruno Hidber, 05.04.2015
Ostern: Freude am Lebendigen
(Josef Steinle 2015)
Freude am Lebendigen macht lebendig
„Wer am Lebendigen seine Freude hat, wird selbst lebendig.“ So heißt es in einem Lied aus dem zweiten christlichen Jahrhundert. Heute, an Ostern, feiern wir den Auferstandenen, den Lebendigen, wir freuen uns an ihm, wir singen ihm, und das wirkt belebend auf uns. Ich hoffe es wenigstens.
Unter uns Menschen beobachte ich Ähnliches. Da ist ein junges Ehepaar, die beiden wollen Kinder und es kommt nichts. Das ist für sie ein großer Kummer. Aber auch die Eltern der beiden leiden mit, man sieht es ihnen direkt an, wie sie das bedrückt, niederdrückt. Und Druck ist für das Leben nicht förderlich. Doch, dann geschieht es: Nach langer Zeit des Wartens wird die junge Frau schwanger, sie bringt ein gesundes Kind zur Welt. Opa und Oma blühen sichtlich auf, sie haben eine Freude an dem Neugeborenen, sie sind wie verwandelt.
„Wer am Lebendigen seine Freude hat, wird selbst lebendig.“ Wer nur auf das Tote, das Dunkle, das Negative starrt, wer durch die Augen das in sich aufnimmt, nimmt sich selbst Leben weg, schränkt sein Leben ein.
Maria von Magdala weist uns den Weg zum Auferstandenen
Heute an Ostern wenden wir unseren Blick auf den Auferstandenen, um uns von ihm beleben zu lassen. Wie das genauer geht, zeigt uns eine Frau, Maria von Magdala, von der wir eben im Evangelium gehört haben. Sie zeigt uns den Weg, wie wir zum Auferstandenen finden, damit zur Freude und zum Leben kommen.
Von dieser Frau wissen wir einmal: Sie hat Jesus geliebt. Er hat sie von Dämonen befreit, wie es im Evangelium heißt. Daraufhin folgte sie Jesus nach, sie diente ihm mit ihrem Vermögen, das heißt: Sie war bei denen, die sich darum sorgten, dass die Wanderprediger, Jesus und seine Jünger, anständig daher kamen, versorgt wurden, etwas zu essen, zu trinken und anzuziehen hatten.
Das gilt auch für uns. Wir dürfen uns fragen: Liebe ich Jesus, mag ich ihn wirklich, spielt er in meinem Leben eine wichtige Rolle? Und wie zeige ich, dass ich ihn gern habe? Das ist das erste: Ihn lieben.
Aufbruch im Dunkel
Ein zweiter Schritt: Im heutigen Evangelium hörten wir: Maria von Magdala kam frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab. Es ist also dunkel um sie herum, und ist auch dunkel in ihr. Der Tod Jesu am Kreuz hat sie total erschüttert, hat ihr den Sinn des Lebens genommen. Es war die Katastrophe für sie.
Das kann auch uns passieren: Die gute Beziehung zu Jesus gerät in die Krise. Bei schlimmen Ereignissen fragen wir: Wo bist du? Warum hilfst du mir nicht? Warum lässt du mich im Stich?
Maria von Magdala führt uns einen Schritt weiter: Noch in der Nacht macht sie sich auf den Weg, noch im Dunkeln bewegt sie sich in Richtung Grab, in Richtung Jesus. Sie lässt sich vom Dunkeln nicht gefangen nehmen, lässt sich nicht lähmen, sondern sie bricht auf, sie sucht Jesus, sucht den, den sie verloren hat, sucht den Jesus, der für sie fort ist, tot ist.
Das gilt für uns ebenso. Im Dunkel des Glaubens, im Zweifel an Jesus, in der Angst, ob er uns im Stich lässt, dürfen wir nicht resignieren, sondern sollen uns bewegen. Sonst halten diese negativen Mächte uns gefangen und rauben uns ein Stück Leben. Gerade dann, wenn wir meinen: Es ist alles zu Ende, fängt doch die Hoffnung neu an. Ihr dürfen wir trauen, von ihr dürfen wir uns neu zu Jesus führen lassen. Die Hoffnung ist die Kraft, die uns ermutigt, ihn dann zu suchen, wenn wir meinen, er ist nicht da, er ist für uns verloren.
Beharrliches Suchen
Auf der Suche nach Jesus lässt sich Maria von Magdala nicht irritieren. Sie sieht, das Grab ist leer, die Tücher liegen schön zusammengefaltet da, sie weiß nicht, was das zu bedeuten hat. Die beiden Jünger gehen wieder zurück in die Stadt, nach diesem Befund. Sie bleibt. Sie sucht weiter, fragt weiter, lässt nicht nach.
Wenn wir auf uns schauen: Unser ganzes Leben, unser ganzer Glaubensweg kann ein beständiges Suchen nach Jesus sein. Natürlich gibt es die Stunden, in denen wir ihn nahe fühlen, sein Wirken, seinen Schutz deutlich erfahren, aber dann geht die Suche wieder weiter. Wer wie Maria von Magdala ihn beständig sucht, ein Leben lang zu ihm unterwegs ist, beweist ihm damit seine Liebe, seine Treue.
Freude der Begegnung
Und dann begegnet Maria dem Herrn. Sie erkennt ihn nicht, sie meint, es ist der Gärtner, fragt ihn, ob er den Leichnam weggebracht hat. Da spricht der Auferstandene sie an, sagt in seiner unnachahmlichen Art „Maria“ zu ihr. Da gehen ihr die Augen auf, sie weiß: Es ist der Herr, ihr Meister. Sie umarmt ihn und will ihn nicht mehr loslassen. So muss er ihr sagen: „Halt mich nicht fest!“. Maria begegnet dem Lebendigen, dem Auferstandenen, sie drückt ihre Freude an ihm aus, sie ist überwältigt von Freude, weil er vor ihr steht und sie anspricht.
Ich denke, wir können uns gut vorstellen, wie lebendig sie daraufhin geworden ist, wie sie vor Leben sprüht, wie sie ganz außer sich ist, wie sie für andere zum Zeichen des Lebens wird. So geht sie zu den Jüngern und verkündet: „Ich habe den Herrn gesehen.“
Das dürfen wir jetzt auch: Uns am Lebendigen freuen, uns darüber freuen, dass der Auferstandene jetzt unter uns lebt, uns mit seiner Gegenwart beschenkt. Wir sollen unserer Freude Ausdruck verleihen, im Gebet, im Singen, im Halleluja, sollen es von Herzen tun. Und Sie werden sehen: Das macht lebendig.
Pater Josef Steinle, 05.04.2015
Pater Josef Steinle

Eine Frau wird Hauptzeugin der Auferstehung
(Manfred Wussow 2014)
Vor Sonnenaufgang
"Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war." So beginnt eine Geschichte, die aus dem Leben gegriffen sein könnte. Aus unserem Leben. Wir sehen eine Frau, einsam und verlassen. Sie hat eine schreckliche Nacht hinter sich. Ihre Gedanken drehen sich, überschlagen sich, kommen nicht zur Ruhe. Noch bevor die Sonne aufgeht, macht sie sich auf den Weg. Sie geht zum Friedhof. Zum Grab Jesu. Mit ihren Erinnerungen, mit ihrem Herzeleid ist sie allein. Wie schnell alles ging! Vorgestern erst gab es den (Schau)Prozess, dann das Todesurteil, schließlich die Hinrichtung. Warum? Maria von Magdala weiß sich nicht zu beruhigen.
Immer wieder erzählen wir Menschen Geschichten, die hilflos um die Frage "warum" kreisen. Es ist die älteste Frage der Welt. Antworten entziehen sich, kaum, dass man es mit ihnen versucht hat. Die Gedanken werden schwer. Sie drehen sich im Kreise. Es ist, als ob ein großer Stein auf dem Herzen liegt. Maria von Magdala ist in ihrem Schmerz nicht allein - sie hat viele Gefährtinnen, viele Gefährten. Sogar unter uns. Aber an diesem Morgen sind ihr die anderen Menschen fremd und weit weg.
Frühmorgens, als es noch dunkel war, kam Maria von Magdala zum Grab.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen...
Alles ist in Bewegung
Ich freue mich, dass der Evangelist Johannes wissend und liebevoll auf Maria Magdalena schaut. Einen Menschen muss es geben, der Gedanken lesen und Stille aushalten kann. Einen Menschen! Heute schlüpft Johannes in diese Rolle. Er fühlt mit. Er schenkt uns aber auch einen Blick auf das Leben, das sich uns oft genug entzieht. Er sieht mehr.
Johannes fängt an, zu erzählen. An diesem Morgen geht Maria nicht nur zum Grab, an diesem Morgen laufen die Jünger um die Wette. Der schwere Stein ist weggerollt, das Grab ist leer. So entsetzlich der Tod ist - der Gedanke, dass der Tote weg ist, ist noch entsetzlicher.
Ich denke jetzt an die Menschen, die immer noch nicht wissen, wo die Unglücksmaschine untergegangen ist. Die nicht wissen, wo die Menschen sind, die sie vor Wochen zuletzt gehört, zuletzt gesehen haben. Die jetzt vor der Frage stehen, einen Menschen für tot zu halten - und zu erklären.
Diese Geschichte hat es in die Pressemitteilungen und Nachrichten geschafft. In vielen Geschichten aber verschwinden Menschen ohne Namen und ohne Erinnerungen. Im Tod sind nicht alle Menschen gleich. Nicht einmal im Tod.
Das Grab ist leer
Der Stein sollte wohlweislich das Grab verschließen. Für immer. Schwer, massiv, aus einem Stück. Er trennt die Welt der Lebenden und der Toten. Menschen haben diese Trennung immer schon bitter und traurig erfahren. Aber die Welt war in Ordnung, solange man wusste, wo der Mensch war, den man liebte (oder auch - und unter uns: den man hasste). Aber jetzt? Der weg gerollte Stein gibt auf einmal ein Loch frei, lenkte Blicke und Sinne in die Welt dahinter: die Leinenbinden einfach abgestreift, das Kopftuch fein säuberlich zusammengelegt in einer Ecke. Johannes lässt das Licht in die Höhle fallen, ohne Angst, überrascht zu werden. Was hier geschehen ist, muss ganz absichtsvoll, geradezu überlegt geschehen sein. Und wir sollen keine Gelegenheit haben, wegzugucken - oder das Loch zu übersehen.
Über das leere Grab ist viel gesagt, viel spekuliert, viel gezweifelt worden. Aber die Erfahrung, die Johannes in Worte fasst, lässt sich anders gar nicht sagen:
Das Leben, Ostern, beginnt mit einer großen Leere. Der Tod ist leer. Er hat keinen Ort mehr, kein Heimatrecht, kein Denkmal. Wer den Tod sucht, findet nur noch ein Loch. Darum musste der Stein weg gerollt werden - und das Loch offenbaren.
Petrus wird gerufen und läuft. Johannes wird gerufen und läuft. Beide laufen um die Wette. Petrus, ein wenig kurzatmig und zurückgeblieben, darf dann doch als erster in die leere Höhle. Eine kleine Barmherzigkeit am Rande. Johannes erzählt’s mit einem Augenzwinkern und Lächeln.
Frühmorgens, als es noch dunkel war, kam Maria von Magdala zum Grab. Dann bringt sie zwei Jünger auf Trapp. An diesem Morgen gerät alles in Bewegung.
Die Sonne lugte schon über den Rand der Welt.
Glaube wächst
Ich habe Ihnen nicht das ganze Evangelium von Ostern vorgelesen. Nur den Anfang. Es ist noch ganz früh am Morgen. Maria geht allein. Dann holt sie die Jünger. Wir bekommen den Wettlauf der beiden mit. Ein schönes Bild! Dann sehen wir das große Loch! Mehr nicht. Johannes, der mit feinen Strichen diese Geschichte vor unsere Augen malt, führt uns aber so zum Glauben. Behutsam. Dass der Osterglaube nicht vom Himmel fällt, selbst wenn er von Engeln verkündet wird, verstehe ich nur zu gut. Mit Spannung und Erleichterung lese ich sogar von den Jüngern: "sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste." Eine feine Gesellschaft, zu der ich mich zugehörig fühle. Ich kann heute Morgen auch zugeben, etwas noch nicht zu wissen, nicht zu verstehen, nicht zu glauben.
Aber das ganze Evangelium von Ostern muss ich nachher noch einmal nachlesen. Johannes 20! Evangelium - und große Literatur. Der Höhepunkt des ganzen Evangeliums!
Maria wird Jesus, den sie zuerst für den Gärtner hält, zärtlich und liebevoll mit einem Kosename bedenken: Rabuni. Kaum zu übersetzen. Meisterchen? Schon sehr gewagt! Was sie sich vorher nie zu sagen traute, fällt ihr jetzt aus dem Mund. Eine große Last, eine große Angst fällt auch von ihr ab. Eine neue Geschichte beginnt. Es ist auch eine Liebesgeschichte. Nicht zufällig verlegt Johannes die Szene in einen Garten. Wo wir nur das Loch sehen konnten, sehen wir jetzt das Paradies. Es ist tatsächlich der erste Tag. An ihm hat Gott das Licht geschaffen - und die Nacht getrennt. Das muss ich alles noch einmal nachlesen. Johannes 20!
Frühmorgens, als es noch dunkel war, kam Maria von Magdala zum Grab.
Die Sonne legt schon Farben aufs Land.
Zeugin des Lebens
Maria von Magdala. Als Frau hatte ihr Wort kein Gewicht. Vor Gericht konnte sie nicht einmal als Zeugin geladen werden - oder auftreten. Wenn ihr eine Rolle auf den Leib geschneidert schien, dann die der traurigen Hinterbliebenen. Johannes sieht sie in dieser Rolle auch zum Grab geben. Frühmorgens. Die große Welt schläft noch. Dann die große Überraschung: Jesus nennt Maria mit ihrem Namen. Maria!
Was daraus folgt, ist so aufregend wie Ostern selbst: Eine Frau ist Haupt-, ist Kronzeugin für die Auferstehung Jesu. Die Jünger übrigens wuseln bei Johannes nur durch die Geschichte. Maria von Magdala aber wird sie ihnen aufschließen. Jesus hat es ihr aufgetragen. Sie vertritt ihn. Mit seinem Wort.
"Maria von Magdala ging zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie richtete aus, was er ihr gesagt hatte."
Jetzt war die Sonne aufgegangen.
1630 dichtete Johann Heermann:
"Frühmorgens, da die Sonn aufgeht,
mein Heiland Christus aufersteht.
Vertrieben ist der Sünden Nacht,
Licht, Heil und Leben wiederbracht.
Halleluja.
In kurzem wach ich fröhlich auf,
mein Ostertag ist schon im Lauf;
ich wach auf durch des Herren Stimm,
veracht den Tod mit seinem Grimm.
Halleluja.
Manfred Wussow, 20.04.2014
Das ewige Ostern hat schon begonnen
(Emmerich Beneder 2013)
Wenn ein Toter spräche
Was würdet ihr sagen, wenn in unserer Stadt zu Ostern das Plakat hänge "Der tote Christus spricht zu uns". Ich vermute, da würden Menschenmassen in die Kirche strömen. Doch keine Kirche könnte die Menschen fassen. Man müsste auf einen öffentlichen Platz ausweichen. Ein Toter steigt aus dem Grab. Da steht die Welt Kopf. In der Zeitung würde stehen: "So einen Menschen muss man gesehen und gehört haben".
Rede des Auferstandenen
Was würde der totgewesene Jesus zu uns sagen? "Der Tod hat nicht das letzte Wort. Er ist der Durchgang zu einer noch größeren Herrlichkeit. Bleibt nicht beim Kreuz stehen. Der Mensch muss aus seinem kleinen Ich ausziehen, um in die Weite Gottes zu kommen. Habt keine Angst! Fürchtet euch nicht! Schaut vielmehr auf die ewige Freude, die vor euch liegt. Wir haben hier keine bleibende Stätte. Der Mensch muss sterben, um zu Gott zu kommen". Ich bin überzeugt, dass oft ein lang anhaltender Applaus die Rede Jesu unterbrechen würde.
Und Jesus würde in seiner Rede fortfahren: "Das Unrecht hat nicht gesiegt. In der Welt haben wir Bedrängnis; aber seid getrost: ich habe die Welt überwunden (vgl Joh 16, 33). Das sage ich euch, damit ihr in mir den Frieden habt (vgl. Joh 16, 33). Habt keine Angst! Ich bleibe bei euch bis zum Ende der Welt".
Fragen an Jesus
Und wenn es nach der Rede Jesu noch eine Diskussion gäbe, würde sicher die Frage gestellt werden: "Und wie schaut es drüben aus?" Christus würde sagen: "Das kann man mit menschlichen Worten nicht schildern. Es ist nicht zu fassen, was Gott denen bereit hat, die ihn lieben." Ein anderer Mensch würde vielleicht die Frage stellen: "Jesus, warum musstest du eigentlich leiden?" Christus würde antworten: "Ich habe vom Vater den Aufrag bekommen, am Kreuz die Fackel der unsterblichen Liebe Gottes zu seiner Schöpfung zu entzünden. Alle Menschen sollen erfahren, dass der gute Hirt sein Leben für die Schafe hingibt. Als Judas den Abendmahlsaal verließ, um mich zu verraten, sagte ich: Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist in ihm verherrlicht (Joh 13,31). Denn es wurde offenbar, dass die Liebe des Vaters immer größer als alle Schuld der Menschen ist. Sie kennt kein Maß, sie geht ins Unendliche, sie übersteigt den Verstand, sie hört nie auf. Ich habe das Leiden getragen, weil ich für euch mein Herz öffnen wollte, weil ich für euch Brot werden wollte. In der Eucharistie habe ich mich so klein gemacht, dass ich auf eure Hilfe angewiesen bin. Ich brauche euren Mund, um sprechen zu können. Ich brauche eure Hände, um mein Werk fortzusetzen. Mit der Eucharistie wollte euch mein Vater meinen Leib schenken, damit auch ihr zur Auferstehung und zum ewigen Leben gelangt. Das ewige Ostern hat schon begonnen. Freuet euch!
Dr. Emmerich Beneder, 31.03.2013
Dr. Emmerich Beneder

St. Georgsweg 15
6020 Innsbruck
Gott liebt das Leben, wie er es geschaffen hat
(Manfred Wussow 2013)
Eine Frau verschwindet
In dieser Geschichte wirbelt alles. Maria von Magdala, ganz früh am Morgen, findet ein geöffnetes Grab, rennt zu Simon und Johannes, ist ganz aufgeregt, fast aufgelöst - und verschwindet dann. Ich höre schon die klugen Ausleger: typisch Frau! Sie sagen es zwar ein wenig feiner, auch ein wenig gebildeter, aber auffällig ist es schon, wie ein Mensch aus seiner Geschichte verschwindet. Aus dieser Geschichte. Von Maria von Magdala ist dann auch nicht mehr die Rede. Weder von ihrem Glauben noch von ihrem Zweifel. Verwundert reibe ich mir die Augen. Das hat doch Markus, immerhin der erste der Evangelisten, ganz anders erzählt! Drei Frauen hören die Botschaft des Engels, drei Frauen sollen die Botschaft zu den Jüngern bringen, drei Frauen fliehen entsetzt vom Grab! Aber sie sind die ersten Zeugen! Maria von Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome. Sie sind jetzt ganz verschwunden. Maria, wo bist du? Es kann nicht lange dauern - irgendwann muss sie wieder auftauchen.
Wettlauf
Wie es weitergeht? Wir sehen zwei Jünger um die Wette laufen. Simon, Petrus, Fels genannt - und Johannes, einfach der "Lieblingsjünger". Wo die anderen sind, verrät der Evangelist nicht. Ich vermisse sie jetzt auch nicht, ich bin ganz fasziniert von dem Wettlauf der beiden. Petrus hechelt hinterher, Johannes flitzt davon. Er könnte "Erster" rufen, tut es aber nicht - er lässt Petrus sogar den Vortritt.
Ich muss jetzt an die Szene denken, in der Jesus seine Jünger fragt, für wen ihn die Leute halten. Sie erzählen dann, was sie schon gehört haben - über ihn. Meinungen, Gerüchte, Vermutungen. Klar, die Menschen machen sich ein eigenes Bild. Von dem, was sie hören, was sie sehen, was ihnen begegnet. Dann fragt Jesus seine Jünger: Und ihr - für wen haltet ihr mich? Wir hören Simon dann sagen: Du bist Christus, du bist der Messias. Jesus nennt ihn dann: Fels. Petrus.
Als erster darf er nachsehen, seine Autorität wird gestärkt. Aber was sieht er? Was kann er bezeugen, wenn er gefragt wird? Eben nur, dass das Grab leer ist. Ich bin überrascht, wie leer die ganze Geschichte wird. Es ist nicht einmal ein Engel da, der redet, eine Botschaft übermittelt, einen Auftrag erteilt. Den anderen Evangelisten war das so wichtig - jetzt begnügen wir uns mit, Entschuldigung, Leichentüchern, die in der Ecke liegen.
Was mag den Evangelisten dazu bewogen haben, die Geschichte so zu erzählen? Auffällig ist das schon: In einer Ecke liegen - wie hastig zurückgelassen - die Leinenbinden, abseits von ihnen dann, säuberlich zusammengelegt, das Schweißtuch. Nur noch Überbleibsel, Reste, Erinnerungsstücke. Wo Jesus jetzt ist? Noch weiß kein Mensch, so früh am Morgen, was geschehen ist. Petrus nicht, Johannes nicht, ich auch nicht. Es wird etwas dauern, bis Jesus sagt: Ich habe Hunger. Kinder, habt ihr etwas zu essen? Da ist er dann wieder einer von uns. Das kleine Holzkohlenfeuer, von dem der Evangelist später erzählt, ist mir lieber als das leere Grab. Obwohl der Evangelist uns dort lange festhält! Für ihn ist das leere Grab Zeuge eines entmachteten Todes. Nicht einmal an diesem Ort kann er seine Herrschaft aufrecht erhalten! Leer! Einfach leer! Darum muss Petrus dort rein, darum muss sich Johannes ihm zugesellen! Von dem Lieblingsjünger heißt es dann auch, dass er sieht - und glaubt. Ich vermute, Ihnen liegt die gleiche Frage auf dem Herzen wie mir: Und - was glaubt er?
Bewegung
In dieser Geschichte geht alles ganz schnell. Das Spiel der Augen, ein Lauf um die Wette, der keuchende Atem. Gemächlich ist hier nichts. Meditative Stimmung stellt sich nicht ein. Der Evangelist weiß, was er macht: Zum Geheimnis von Ostern müssen Menschen eilen, laufen, rennen - Ostern bringt Herzen und Füße in Bewegung. Wir spüren das Leben. Wie wir hastig ein- und ausatmen, uns den Schweiß von der Stirn wischen, langsam zur Ruhe kommen. Wie ich den Evangelisten doch bewundere! Petrus, der mit der Zunge immer so schnell war, kommt mit hängender Zunge an. Wenn etwas zu Ostern passt, dann dieser Wettlauf!
Wettlauf! Was die Jünger an diesem Morgen umtreibt - oder auf die Palme bringt - führt zu den vielen Wettläufen, auf die wir uns einstellen, die von uns gefordert, in denen wir im Stich gelassen werden. Es ist der Wettlauf mit dem - Tod. Er darf nicht schneller sein als wir. Wir müssen ihm zuvorkommen. Auf der Straße rast ein Rettungswagen. Im OP kämpft ein großes Team eine ganze Nacht lang um das Leben eines Menschen. Im Gespräch ringen Menschen um eine, um ihre Zukunft. In harten Auseinandersetzungen werden Entscheidungen getroffen, die einem Land ein Überleben sichern - wie jetzt erst für Zypern. Der Tod hat viele Gesichter. Er macht Menschen klein, traurig, hilflos. Er vergreift sich an der Zukunft. Er wühlt in alten Geschichten. Er gewährt keine Vergebung. Er kennt kein Pardon. Als Herrscher spielt er sich auf. O Gott, wie allmächtig er ist ...
Johannes läuft, rennt, Johannes ist gut drauf. Petrus hechelt ihm nach, kommt kaum mit, bleibt ihm aber an den Fersen. Was sie sehen: Leere! Ein leeres Grab! Binden - achtlos zurückgelassen. Es war ein Wettlauf - mit dem Leben. Endlich: der Tod ist nicht allmächtig. Schaut in sein Loch! Seine Höhle ist - leer.
Ich weiß: Das Bild vom leeren Grab verunsichert viele Menschen. Sie können das (!) nicht glauben. Aber: Gibt es ein größeres, schöneres Bild vom Leben - als eine leere Stelle - mitten im Leben, die von einem überwundenen Tod kündet? In dieser Leere kann Hoffnung wachsen. In dieser Leere lebt Liebe auf. Liebe schafft diese - Leere.
Fassen kann ich es aber auch nicht: Geben sich die Jünger mit einem leeren Grab zufrieden? Fragen sie nicht einmal, wie das kommt? Haben sie die Aufregung von Maria vergessen? "Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat" - diese Frage ist doch noch offen, oder? Coole Jungs, die Jünger! Ob der Evangelist noch etwas vor hat? Etwas zurückhält? Das kann doch nicht alles sein!
Eine Frau kommt wieder
Die Überraschung am Morgen! Während die beiden Jünger gemächlich nach Hause gehen - der Evangelist erzählt das tatsächlich so, findet der Evangelist Maria von Magdala weinend am Grab. Haben die Jünger sie nicht gesehen? Haben sie sie - übersehen? - Sie ist also doch da! Das wäre auch nicht mit rechten Dingen zugegangen. Ob sie mein Rufen gehört hat? Maria, wo bist du?
Die Fortsetzung - wir können sie uns ausnahmsweise nicht für ein andermal aufheben. Maria sieht Jesus als erste wieder. Als erste redet sie mit ihm. Und, kaum zu glauben: sie soll den Jüngern von Jesus sagen, dass er zu seinem Vater zurückgehen wird. Was das für eine Wendung ist! Ich hätte im Traum nicht daran gedacht! Maria sagt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen -und das hat er zu mir gesagt.
Der Evangelist ist doch ein Fuchs: Die Jünger dürfen das leere Grab studieren - mit Maria spricht Jesus. Ihr gibt er sich zu erkennen. Nein, Gärtner ist es nicht. Dass sie ihn dann nicht berühren, anfassen soll - was macht das schon? In dieser Begegnung gibt es keine Leere. Nur: Nähe und Liebe. Sage jetzt niemand etwas über Rollen, Mannsbilder und Hierarchien: Ostern bringt so ziemlich alles durcheinander, was durcheinander zu bringen ist. Gott liebt das Leben! Wie er es geschaffen hat!
Bei dem Evangelisten muss ich mich dann doch entschuldigen. Ich dachte schon, er hätte die Maria aus dieser Geschichte herausgeholt, um Petrus den Löwenanteil zu sichern. Jetzt bin ich wieder versöhnt. Können Sie das verstehen? Ob wir vielleicht einen Brief nach Rom schreiben sollten? Aber die kennen die Geschichte doch auch!
Frohe Ostern!
Der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn
Manfred Wussow, 31.03.2013
Frauen - im Zentrum des Ostergeschehens
(Lorenz Walter Voith 2012)
Lassen Sie mich heute - als Priester - einmal einen anderen Zugang zum Osterfest und zur Begegnung mit dem Auferstandenen wählen. Eine Betrachtung über die Rolle der Frauen in diesem Geschehen.
Waren nicht Frauen die ersten Trägerinnen der Botschaft der Auferstehung? Waren nicht gerade Frauen treue Jüngerinnen Jesu Christi - durch den Tod hindurch bis zur Begegnung mit dem Auferstandenen und sicher wohl auch im Leben der ersten Christengemeinden?
Mitte März 2012 fand in Österreich die Pfarrgemeinderatswahl statt. Über 56 % der Gewählten neuen Pfarrgemeinderäte sind Frauen; viele davon noch sehr jung. Eine kaum neue Feststellung. Frauen in der katholischen Kirche sind maßgeblich an der Weitergabe des Glaubens, wie auch an der Gestaltung des Gemeindelebens beteiligt. Und wenn ich so in unsere Gottesdienstgemeinde schaue: Die Frauen sind in der Mehrzahl! Viele diakonale Einrichtungen, wie zum Beispiel in der Wiener "Gesprächsinsel", oder aber in Alten- und Krankenhäusern, werden wesentlich von Seelsorgerinnen getragen, manche davon sind auch Ordensfrauen.
In der Zeit der ausgesprochenen Männerkultur im antiken Orient, ist es schon erstaunlich, dass uns die Heilige Schrift so deutlich große Frauengestalten mit ihrem Glauben an Jesus überliefern. Das Evangelium und die Tradition ist durchzogen von Frauengestalten, die bei der Auferstehung dabei waren und helfen, in das Geheimnis Christi einzudringen: Maria von Nazareth, Anna, ihre Mutter, Elisabeth, Anna, die Frau Simeons, Lazarus Schwestern Martha und Maria, die Frau die von ihren Blutungen geheilt wurde, die Frau, die Jesus in Betanien mit Öl salbte, die Frau die Petrus erkannte im Hof bei der Gefangennahme Jesu, die Frauen am Kreuzweg, Veronika, die Frauen unter dem Kreuz und die Frauen am Ostermorgen...
Szenen am Grab
Kommen wir zu zwei Aspekten im heutigen Evangelium nach Johannes:
Zum ersten: Das leere Grab; Maria von Magdala findet das leere Grab, zu dem sie und die andere Maria in aller Früh des ersten Tags der Woche unterwegs waren (vgl. andere Evangelien). Erschreckt und wohl auch besorgt und verwundert berichtet sie schnell davon den Aposteln. Was mag in Magdalena vorgegangen sein: Angst, Zorn, Trauer...?
Petrus und Johannes eilen zum Grab. Beide finden auch das leere Grab vor, wie berichtet. Die Leinenbinden sind zusammengebunden. Beide gehen zurück zu den anderen, nicht ahnend, was hier wirklich passiert ist.
Dann die wichtige Szenen: Maria aus Magdala (und wohl auch die andere Maria) sind noch beim leeren Grab. Magdalena weint, weil der Leichnam Jesu offenbar weggenommen wurde, so ihre Vermutung. Dort begegnet sie Jesus. Jesus ruft diese treue Jüngerin beim Namen - in seiner wohl unverwechselbaren Art. Und Sie erblickt ihm und antwortet - wohl auch wie früher und in aller Ehrfurcht: "Rabbuni". D.h. Meister!
Der Auferstandene gibt ihr den Auftrag: Geh zu den Jüngern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott!
Bei den anderen Evangelisten erhält sie noch den Auftrag: Verkünde den Jüngern davon. Lass Sie sich versammeln, damit ich sie gemeinsam treffen kann.
Maria von Magdala und die andere Maria werden so zu den ersten Trägerinnen und Botinnen des Glaubens an den Auferstandenen Herrn! Wie oft werden sie wohl von diesen entscheidenden Erfahrungen berichten? - Vermutlich ein Leben lang.
Die Erfahrungen mit dem Auferstandenen, welche dann auch noch viele Jüngerinnen und Jünger machen durften, bildet die Herzmitte des Glaubens, die uns Christen bis heute verbindet.
Frauen in der Nachfolge Jesu wurden im Besonderen für diese Weitergabe des Glaubens berufen. Später wird auch Paulus bei seinem ersten Eintreffen in Europa (Philippi) von einer Frau aufgenommen. Lydia bildet mit ihrem Haus die erste Christengemeinde in Europa. Später schreibt der heilige Augustinus: Magdalena ist die "Apostolin der Aposteln". Ein würdiger Titel!
Weitergabe des Glaubens heute
Die Weitergabe unseres christlichen Glaubens braucht immer bestimmte Ausgangspunkte. Die Familie ist dafür ein idealer Ort. Oftmals liegt die erste Glaubensweitergabe der Kinder bei den Frauen: Bei Müttern, Großmüttern, Katechistinnen... Diese Verantwortung und diese Herausforderung dürfen wir gerade im Hinblick auf das heutige Osterevangelium besonders dankbar bedenken.
Wie geht es den Frauen dabei heute, in einem Umfeld, das sich säkular und plural zeigt? -Christentum und kirchliches Leben sind nicht mehr der "Normalfall". - Wie geht es ihnen im Mix von eigenen beruflichen Aufgaben und der Sorge um Familie und Kinder? Wie geht es ihnen damit, in einer Kirche zu stehen, die sich meist mit ganz anderen Themen "herumschlägt"?
Stärken wir diese Berufung auf vielen Ebenen! - Natürlich auch im gleichzeitigen Mittragen von Vätern, Großvätern, von Männern in den Gemeinden.
Die Botschaft von Ostern
Ostern ist wirklich ein Angelpunkt unseres christlichen Glaubens. Dieser Glaube an Ostern darf aber nicht in kindlichen Bildern und Verstehensweisen stehen bleiben.
Auferstehung Jesu Christi - so sagen uns große Kirchenväter und Theologen - heißt nicht, dass Christus wider gegen alle Naturgesetze, einfach das alte Leben wieder "aufgenommen" hat. Nein. Auferstehung Christi sagt: Hier begann etwas ganz Neues, in einer neuen uns nicht direkt zugänglichen Ebene der Wirklichkeit, eine "neue Zeit".
Damit ist aber das Geschehen von Ostern auch für die ersten Christen, wie für uns heute bedeutsam geworden. Wir alle sind hineingenommen in die Verheißung, dass mit dem Tod nicht alles aus ist. Wir sind hineingenommen in eine frohe Botschaft, die letztlich Sinn und Ziel verheißt. Und wir sind hinein genommen in die Zusage Christi: "Ich bin bei euch alle Tage eures Lebens!"
Von Dietrich Bonhoeffer, dem evangelischen Märtyrer der Nazi-Herrschaft stammt das Wort: "Wer Ostern kennt, kann nicht verzweifeln!".
Die großen österlichen Frauengestalten haben dies wohl als Erste erkannt und bezeugt.
Pater Lic. theol., Dipl. Bw. Lorenz Walter Voith, 08.04.2012
Drei Weggefährten zum Glauben an den Auferstandenen
(Felix Schlösser 2011)
Drei vor dem leeren Grab
Der Osterglaube der Christen ist der Glaube an den Auferstandenen - mehr als der Glaube an die Auferstehung. Der Vorgang der Auferstehung selbst wird in keinem der überlieferten Ostererzählungen geschildert. Bezeichnenderweise ist dies nur der Fall in einem nicht in den Kanon der Schrift eingegangenen sog, apokryphen Petrusevangelium, wo die Ausmalung des Auferstehungsvorganges wie ein Schauspiel erscheint.
Bezeugt wird der Auferstandene durch das leere Grab, in dem nicht mehr der tote Jesus zu finden ist. Bezeugt wird der Auferstandene durch Erscheinungen, sagen wir besser durch Begegnungen mit dem lebenden Jesus. Durch die Wundmale wird er als der leibhaftige Gekreuzigte wieder erkannt. Zugleich wird er in neuen, verwandelten Leiblichkeit offenbar.
Im Osterkapitel des vierten Evangeliums, von dem wir eben den ersten Abschnitt gehört haben, ist vom leeren Grab die Rede. Drei Menschen werden von dieser Situation überrascht. Überrascht, weil sie den Leichnam Jesu nicht dort finden, wohin sie ihn selber gelegt haben. Es waren Maria von Magdala, Simon Petrus und, wie es dort heißt, "der andere Jünger, den Jesus liebte". Kommen wir jetzt mit diesen drei Gestalten am Grab Jesu ein wenig näher in Berührung, um selber über sie mit dem auferstandenen Jesus in Berührung zu kommen.
Maria von Magdala
Da ist zuerst Maria von Magdala. Zusammen mit der anderen Maria, der Mutter des Jakobus, fehlt sie in keinem der Osterberichte der vier Evangelien. Sie gehört zum Kreis der Frauen aus Galiläa, die Jesus begleitet hatten (Lk 8, 2). Vor ihrer Begegnung mit Jesus war Maria aus Magdala vom Bösen in Beschlag genommen; in welcher Form wissen wir nicht. Jesus hatte sie, so lesen wir, von sieben Dämonen befreit (Mk 16, 8) Seitdem war wie nicht mehr von seiner Seite gewichen.
Wir können uns vorstellen, wie ihr zumute gewesen sein mag, als sie beim Morgengrauen zum Grab Jesu ging. Von Osterhoffnung war in ihrem Herzen nichts zu spüren. Durchkreuzte Hoffnung - gekreuzigte Hoffnung! Der Trennungsschmerz vermehrte sich noch, als sie dann nicht einmal mehr den Leichnam Jesu fand. Voller Bestürzung lief sie zu Petrus und Johannes: "Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat" (Joh 20, 2). Kein Gedanke, der Herr könne auferstanden sein. Wie in anderen Auferstehungsgeschichten wird auch in der Reaktion dieser Frau deutlich, dass unter den Anhängern Jesu keinerlei Wunschdenken vorherrschte, dass sich da keine überspannten Gemüter in einen Traumglauben hinein gesteigert hatten. Wir haben es nicht mit Phantasten, sondern mit nüchternen Menschen zu tun. Das bestärkt meinen eigenen Glauben an den Auferstandenen.
Als Maria von Magdala, so wird im Osterkapitel des Johannesevangeliums dann weiter erzählt, später zum Grab zurückkehrte, stand sie wiederum vor der leeren Begräbnisstätte. Sie weinte. "Frau, warum weinst du? Wen suchst du?" Sie vernimmt diese Worte, sieht jemanden neben sich stehen, vermutet in ihm den Gärtner. Ja, sie rechnet wirklich nicht mit einem von den Toten auferstandenen Jesus. Erst als Jesus sie mit ihrem Namen anredet. "Maria!", da erkennt sie ihn. "Rabbuni - Meister!" Trotz der andersartigen Gestalt scheint Jesus ihr so zu begegnen wie damals in sein Leben vor dem Tod. Doch sein Leben aus dem Tod ist anders. Jesus lässt sich nicht festhalten an äußerlich Greifbarem. Der Auferstandene will in Maria den Glauben wecken an eine das Irdische überschreitende Wirklichkeit. Und sie lässt sich davon anrühren. Sie darf als Erste dieses neue, in die Welt einbrechende Leben bezeugen. "Geh zu meinen Brüdern", sagt Jesus zu ihr. Dann gibt Maria von Magdala Zeugnis von dem, was sie mit den Augen des Herzens, mit den Augen des Glaubens wahrgenommen hat. "Ich habe den Herrn gesehen" (Joh 20, 19). Die Wahrheit der Erscheinungen des Auferstandenen ist nicht mit einer Art Fotorealismus einzufangen, ist nicht auf der Netzhaut eines Auges fest zu machen. Dann würden wir doch nur am äußeren Erscheinungsbild des Auferstandenen haften bleiben.
Im Glaubensweg der Maria von Magdala können auch wir uns wieder erkennen. Wie immer man die Dämonen, sie sie gefangen gehalten hatten, verstehen mag. Wir können wie sie aus der Unfreiheit des Nicht-lieben-Könnens befreit werden, aus der Zone des Nicht-glauben-Könnens oder des Greifens- und Begreifen-Wollens herausgeführt werden in einen alles Begreifen übersteigenden Glauben. "Als es noch dunkel war", heißt es im Evangelium, machte sich Maria von Magdala auf den Weg. Aus dem Dunkel heraus wurde ihr auf eine ungeahnte, nicht fassbare Weise der Glaube neu geschenkt.
Auch uns kann er neu geschenkt werden, wenn wir nicht die Türen unseres Herzens verschlossen haben, wenn wir uns offen halten für das, was Gott in uns zum Leben erwecken will, an Glaubenszuversicht, an Lebenszuversicht. Ein Glaubensweg durch manche Dunkelheiten und Anfechtungen hindurch. Doch auch ein Weg, den wir mit Maria von Magdala in das Licht des Ostermorgens, des Osterglaubens gehen dürfen.
Petrus und "der andere Jünger"
Der Weg erscheint oft sehr weit, scheint sich in Hoffnungslosigkeit zu verlieren, ins Leere zu laufen. Dies war auch für die Jünger so, die mit Jesus vor seinem Tod tagaus tagein Umgang hatten, die aber den Weg seiner Passion nicht verstanden, die alles zu Ende gehen sahen. Zu Lebzeiten war es ein Weg an seiner Seite, und doch ein Weg von ihm weg in Unverständnis und Unglauben. Und dann auf unglaubliche Weise wieder ein Weg zu ihm hin. In der im Glauben gemachte Erfahrung, dass mit dem Tod Jesu alles erst richtig beginnen wird.
Frauen brauchen da offenbar nicht so lange wie Männer. Nicht weil sie leichtgläubig sind, sondern weil sie eher mit dem Herzen sehen als mit dem Verstand. Nicht nur Maria von Magdala, auch anderen Frauen erschloss sich Jesus als der Auferstandene, ehe die Jünger Jesu zu glauben vermochten. Vor den Aposteln wurden sie zu ersten Zeugen der neuen Lebenswirklichkeit Jesu. Sie haben, wenn man so will, die Apostel missioniert.
Nachdem Maria von Magdala den beiden wichtigsten Vertretern der Apostelgruppe, Petrus und Johannes, von ihrer bestürzenden Entdeckung des leeren Grabes berichtet hatte, wollten sie es selber wissen. Sie liefen los. "Der andere Jünger", wie er genannt wird, Johannes, den eine besondere Herzensnähe mit Jesus verband, lief schneller als Petrus. Der ungestüme, doch wankelmütige Petrus brauchte mehr Zeit. Obwohl Johannes zuerst angekommen war, trat er nicht als erster ins Grab ein. Er überließ Petrus den Vorrang. Ein Hinweis des Evangelisten, dass Petrus schon in der frühen Kirche als der Erste im Apostelkollegium angesehen wurde. Dennoch hat Petrus länger gebraucht zu dem Glauben, der ihm Jesus verheißen hatte. Dass er nämlich später einmal seine Brüder stärken werde (Lk 22, 32). Von Johannes, der dann nach Petrus ins Grab geht, wird gesagt. "Er sah und glaubte" (20,8).
Wie andere hätte er beim Anblick des leeren Grabes an einen Raub des Leichnams denken können. Nein, er sah und glaubte. Im nächsten Satz heißt es: "Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste" (20, 9). Es reichte also kein Schriftbeleg, aus dem alles klar hervorging. Der Glaube, der aus dem Herzen hervorgeht, eröffnet erst den Zugang zum auferstandenen Jesus. Es ist eine neue Sehweise, mit der nun Johannes sieht - und glaubt. In Johannes verkörpert sich, in seiner liebenden Nähe zu Jesus, eine Gestalt des Glaubens. Sie könnte auch uns prägen, könnte auch uns Jesus näher bringen.
Aber vielleicht finden wir uns noch mehr in Petrus wieder, der in seinem Glauben länger brauchte, der, anders als Johannes, vor dem Kreuz weglief, der Jesus nicht mehr kennen wollte. Doch auch er fand, über alles Kalkulierbare hinaus, zu dem, der wirklich lebt und der ihm, dem schwachgläubigen Petrus, neue Glaubenskraft, neue Lebenskraft schenkte. Wenn unser Glaube angefochten wird, lassen wir uns von Petrus aufrichten. Vielmehr von dem aufrichten, durch den Petrus aufgerichtet wurde. Durch Jesus.
Maria von Magdala, Johannes, Petrus - drei Gestalten des Glaubens. Drei Zeugen des Glaubens, die uns auf ihre je eigene Weise auf unserem Weg zum Glauben an den Auferstandenen zur Seite stehen könnten. Maria von Magdala, Johannes, Petrus - Weggefährten auf unserem Glaubensweg.
Pater, Dr. theol. Felix Schlösser, 24.04.2011
Pater, Dr. theol. Felix Schlösser

Das Licht des ersten Tages
(Manfred Wussow 2011)
Am ersten Tag der Woche
Maria von Magdala geht zum Grab. Es ist der erste Tag der Woche, es ist noch dunkel. Sie ist allein. Allein auch mit sich. Ich versuche, mit vorzustellen, wie leer ihr Kopf jetzt ist -aber auch, wie voll er ist mit Erinnerungen, Enttäuschungen und Hoffnungen. Dann sieht Maria, dass der Stein weggenommen ist. Eine unheimliche Erfahrung. Sie versteht noch nicht, dass es ein Zeichen ist:
Der Stein, der die Welt der Lebenden von der der Toten trennt - weggenommen.
Der Stein, der Leben abschließt - weggenommen.
Der Stein, der Herzen schwer macht - weggenommen.
Wie sich dieses Wort anhört: w e g g e n o m m e n !
Ich habe mich gefragt, warum das Evangelium so sehr betont, dass es der erste Tag ist. Wäre nicht jeder Tag gleich gut - oder gleich schlecht? Aber die Spur führt weit zurück. Sie führt zu dem Anfang. Zu dem Anfang von allem. Zu dem Anfang der Schöpfung. Wir hören die erste Worte: Es werde Licht! Und wir hören auch das erste Staunen: Siehe, es ward Licht!
Ob der weggenommene Stein etwas mit Licht zu tun hat? Am Ostermorgen wird es hell. Das Leben wird hell. Darum muss es auch noch dunkel sein, als Maria zum Grab geht. Noch ist es Nacht. Nacht auch im Herzen, im Kopf, in den Gliedern.
Hier halte ich ein. Wie viele Menschen wohl, allein, alleingelassen, zu einem Grab gehen? Ihre Hoffnungen begraben? In Sorgen zergehen? Einsam und verlassen sind? Selbst bei strahlendem Sonnenschein kann sich Nacht breitmachen - und eisige Kälte. Der Tod hat viele Gesichter!
Ich möchte darum heute Morgen mit Maria von Magdala ihren Weg mitgehen.
Sie soll nicht allein sein. Ich bin dann auch nicht allein...
Entdeckungen in Etappen
Aber lassen wir uns von Johannes diesen Morgen erzählen! Die Jünger, zu Hilfe gerufen, kommen nur bis zu den sorgfältig abgelegten Leinenbinden und dem Schweißtuch. An diesem Ort ist Jesus nicht. Nicht mehr. Zwar rennen die Jünger - aber weit kommen sie nicht. Johannes zelebriert diese Geschichte geradezu. Mit Wettlauf, Ersten und Zweiten. Wir stoßen trotzdem nur auf eine große Leere.
Dann wird unser Blick auf Maria gelenkt. Sie steht draußen. Im Abseits. Sie sieht in das leere Grab. Engel fragen sie, warum sie weint. Sind Engel die einzigen Wesen, die menschlich sind? Maria möchte nur wissen, wohin man Jesus gelegt hat. Mehr - oder anderes - kann sie sich nicht vorstellen, als dass ihn jemand weggenommen, verlegt hat. Eine Antwort bleibt aus. Wir sehen aber, wie sie sich umdreht. Langsam? Ruckartig? Wie umgewendet? Hinter ihrem Rücken muss etwas geschehen sein. Sie trifft auf den - Gärtner. Oder auf den, den sie für einen Gärtner hält. Dann nimmt die Geschichte ihre unerwartete Wendung - Wendung im tiefsten Sinn des Wortes: Maria wird von Jesus angesprochen. Viele Worte werden nicht gemacht. Maria nennt ihn nur "Rabbuni". Es klingt zärtlich, vertraut, liebevoll! Dass sie ihn mit einem Kosenamen anreden darf!
Unerwartete Begegnung
Auf diese Begegnung hat der Evangelist die Geschichte zielstrebig hingeführt. Er ist auch der einzige, der die Geschichte so erzählt. Der Weg zum Grab, ratlose und rastlose Jünger, Engel, die eigentlich nichts sagen - und dann die Begegnung! Die Begegnung von Jesus und Maria. Alles dreht sich jetzt um die Wendung. "Sie wandte sich um"!
Ostern wird, wenn ich mich umdrehe! Wenn ich nur den Tod sehe, ganz und gar in seinen Bann gerate - dann kann mir der Auferstandene nicht begegnen. Begegnet er mir aber, muss der Tod meinen Blick, mein Herz, meine Gedanken frei geben. Maria dreht sich um - und sieht dem Leben ins Gesicht. Umdrehen ist auch ein schönes Wort. Es drückt Bewegungsfreiheit aus - und Richtungswechsel. Es zeigt auch, dass nichts beim Alten bleiben muss. Weder beim alten Blick noch bei der alten Erstarrung. Nur wer sich umdreht, kann Neues sehen!
Jetzt schaue ich zurück. Ich habe auf den weggenommen Stein geschaut, glaubte, hinter ihm das Geheimnis zu entdecken, aber dann habe ich gesehen, was Ostern ausmacht: Jesus möchte mir begegnen. Der Stein - ein Hingucker. Sagen kann der nichts. Er bleibt auch immer nur ein Stein. Aber ich kann mich wenden. Ich kann mich umdrehen. Ich bin kein Stein. Hinter meinem Rücken hat sich Jesus zu mir gewandt.
Auf dem Weg zu einer neuen Schöpfung
Ich hatte mir vorgenommen, heute Morgen mit Maria von Magdala mitzugehen. Sie soll nicht allein sein. Dachte ich. Ich bin dann auch nicht allein.
Aber es ist etwas Unerwartetes geschehen: Sie hat mich mitgenommen. In einen Garten. So wird man die Szene wohl sehen müssen - mit Gartengrab und Gärtner. Was aber zwischen den Zeilen mitschwingt - und blüht wie Blumen in einem Garten, ist, dass uns das Evangelium ins Paradies führt. An jenen Anfang, in der die Schuld noch nicht geboren war - und der Tod noch nicht war.
Immer deutlicher wird, was an diesem ersten Tag der Woche geschieht: Als Jesus aufersteht, werden alle Ängste, Schuldverstrickungen, Resignationen und Verfluchungen überwunden. Ins Unrecht gesetzt. Ihrer Macht beraubt. Es wird Licht! Wir sehen eine neue Schöpfung.
Wenn ich mir nicht vorgenommen hätte, heute Morgen mit Maria von Magdala mitzugehen - ich hätte das nie zu Gesicht bekommen!
Und ganz nebenbei geht mir auf, dass ich, wenn ich einen Menschen in seiner Verzagtheit, Trauer und Einsamkeit annehme, von ihm einen neuen Blick auf das Leben geschenkt bekomme. Es ist tatsächlich so: Wie oft wollte ich schon einen Menschen trösten - und wurde getröstet? Wie oft schon wollte ich einen Menschen auffangen - und wurde aufgefangen?
Das ist das Geheimnis von Ostern!
Maria hat das übrigens den Jüngern Jesu sagen sollen. Nicht schlecht zu wissen, dass die nicht alles wussten - und auch nicht immer die Ersten waren.
Maria aber wächst mir immer mehr ans Herz.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Manfred Wussow, 24.04.2011
Ostern - ein Fest des Lebens
(Jörg Thiemann 2010)
Sehnsucht nach Leben
In einem sehr schönen Roman von David Safier lesen wir die Geschichte einer jungen Frau, Marie aus Malente. Diese begegnet Jesus, der wiederkommt, um sich auf die Endschlacht vorzubereiten. Zwischen der jungen Frau und Jesus entwickelt sich ein sehr inniges und freundschaftliches Verhältnis. Marie hat eine Schwester, Kata ist ihr Name. Kata ist sehr krank. Sie litt vor einigen Jahren an einen Gehirntumor. Doch mit großer Entschlossenheit hat sie diesen Tumor besiegt. Marie spricht sie während ihrer Krankheit auf ihre Entschlossenheit, den Tumor zu besiegen an. Kata antwortet: "Ich habe keine andere Wahl. Ich glaube doch nicht an ein Leben nach dem Tod."
Das ist sicher auch eine Einstellung vieler Menschen. Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod. Also: ich möchte hier lange leben. Ich möchte viel vom Leben haben. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Menschen mit dieser Lebenseinstellung ihr Leben sinnvoll gestalten wollen, sich einsetzen für andere, ja bewusst mit ihrer Zeit umgehen. Auch diese Menschen wollen die Zeit, die ihnen geschenkt ist, mit viel Leben füllen.
Oft darf ich diesen Menschen begegnen. Ich spüre: in diesen Menschen zeigt sich eine ganz tiefe Sehnsucht nach Leben. Es zeigt sich auch bei diesen Menschen der Wunsch, etwas Bleibendes, was den eigenen Tod überdauert, zu schaffen. Leben, das den Tod überdauert. Leben, welches stärker ist als Krankheit, Leben, das sich gegen jede Zerstörung stemmt, ja mit diesem Wunsch sind wir als Christen mit vielen Menschen verbunden.
Ostern ist für uns Christen das Fest des Lebens. Um nun einmal auf den Anfang zu sprechen zu kommen. Als Christen wollen auch wir Krankheit und Tod überwinden. Es ist nur verständlich, dass jeder kranke Mensch, zumal wenn es ein junger Mensch ist, von seiner Krankheit geheilt werden möchte. Alles andere wäre eine Todessehnsucht, die mit dem Glauben an Gott nicht zu vereinbaren wäre. Gott zeigt uns gerade in der Auferstehung seines Sohnes, dass er ein Gott ist, der die Welt und die Menschen zum Leben geschaffen und berufen hat.
Sich für das Leben einsetzen
Darum setzen sich Christen für das Leben ein. Das kann geschehen in verschiedenen Formen: man kann sich einsetzen für das ungeborene Leben. Dieses hat vom Beginn der Vereinigung von Mann und Frau unbedingtes und unbeschränktes Lebensrecht. Es ist aber nicht nur Frauen aufgetragen, das Lebensrecht zu schützen. Die ganze Gesellschaft muss Sorge tragen und Bedingungen dafür schaffen, dass Kinder sich entfalten können.
Eine andere Form ist sicher der Einsatz für eine gerechte Welt, für gerechte Löhne, für eine gerechte Verteilung der Lebenschancen aller Menschen, für eine Umwelt, in der auch die nachfolgenden Generationen menschenwürdig leben und sich entfalten können. In diesem Einsatz zeigt sich ebenfalls eine Bejahung des Lebens. Es ist zu erklären aus dem tiefen Glauben an Gott. Selbst dann, wenn ich mich gar nicht unbedingt aus religiösen Motiven einsetze, so sehe ich doch eine tiefe Sehnsucht der Menschen nach einem menschenwürdigen Leben. Diese Sehnsucht nach Leben ist an sich schon religiös.
Ich glaube als Christ, dass Gott diese Sehnsucht in unser Herz gelegt hat. Diese Sehnsucht nach Leben mit Gott: sie kann in uns wachsen, sie kann aber auch leider verkümmern und verschüttet werden. Jesus ist in die Welt gekommen, um von Gott Zeugnis zu geben, der ein Freund des Lebens ist. Wie sagte doch Petrus in seiner Predigt, welche uns die Apostelgeschichte erzählt: ". . . wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm." Durch Wort und Tat hat Jesus dieses Leben bezeugt. Jesus hat die Religion und den Glauben an Gott eben nicht dazu missbraucht, um bestehende Ungerechtigkeiten zu rechtfertigen. Darum haben sie ihn ". . . an den Pfahl gehängt und getötet." Doch nicht der Tod hat gesiegt, nicht der Tod und alle, die ein erfülltes Leben aller Menschen behindern, nicht diejenigen haben gesiegt, die nur egoistisch an ihr eigenes Leben denken, nein: Gott hat gesiegt, der uns Menschen Leben schenkt. Der Tod ist überwunden. Jesus lebt, er ist nicht im Grab geblieben.
Sehnsucht nach Leben, das den Tod überdauert
Der Tod und das Leid haben nicht das letzte Wort. Darum ist der Glaube nicht ein billiger Trost auf das Jenseits, das ja irgendwann einmal in ferner Zukunft kommt. Nein: das wäre ein klarer Missbrauch des Glaubens. Es gilt die Sehnsucht nach Leben in uns und in den Mitmenschen ernst zu nehmen.
Wir Christen und Christinnen des 21. Jahrhunderts haben unseren Glauben durch Zeugen geschenkt bekommen, denen Jesus als der Auferstandene immer wieder begegnet ist. So bleibt für uns nur die Entscheidung entweder zu glauben oder nicht zu glauben. Richte ich mein Leben auf diese Botschaft aus? Ich kann Gründe für den Glauben finden, ich kann ebenso Gründe finden, nicht zu glauben, oder skeptisch zu bleiben.
Ich persönlich kann nur sagen: in der Botschaft von Ostern finde ich meine Sehnsucht erfüllt und in Jesus, dem Auferstandenen bestätigt. Jesus hat auch mir, aber nicht nur mir, sondern allen Menschen ewiges Leben erworben. Ich falle nach diesem Leben nicht ins Nichts zurück. Ich habe ein Ziel, für das es sich zu leben lohnt. Dieses Ziel lässt mich die Welt nicht verneinen, nicht geringachten. Es motiviert mich, mich einzusetzen und diese Welt mitzugestalten. So wie Jesus nicht einfach bloß gepredigt hat, sondern seine Worte mit vielen Taten unterlegt hat, wie er mitten in Tod - und Leiderfahrungen Zeichen tat, die auf das Leben hinwiesen, so möchte ich mich nicht nur mit Worten begnügen.
Unsere Sehnsucht auf Gott ausrichten
Der Gott des Lebens ist für mich das Wichtigste in meinem Leben. Von der Botschaft von Ostern - Gott hat Jesus von den Toten auferweckt - davon will ich mein Handeln und Denken bestimmen lassen. Denn Ostern sagt mir: auch ich werde auferstehen. Paulus fordert uns auf: "Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische!" Dieses ist der Kernsatz der Lesung aus dem Brief des Apostels. Wir werden eingeladen unsere Wünsche, unsere Sehnsüchte auf Gott auszurichten. Wenn wir das tun, dann werden die Wünsche und Pläne Gottes mit der Welt auch unsere werden.
Diese Wünsche und Pläne sind immer auf Leben in Fülle ausgerichtet. Das, was wir durch die Auferstehung Jesu an Ostern empfangen, das gilt es an unsere Mitmenschen weiter zu geben. Als Christ bin ich davon überzeugt, dass der Glaube an Gott meinem Leben echten Sinn gibt. Schon in diesem Leben, in dieser Zeit wirkt sich der Glaube an das ewige Leben aus. Ich kann diesen Sinn nicht machen. Diese Welt an sich trägt den Sinn nicht in sich selbst. Dass Leben von Gott ausgegangen ist und in Gott vollendet wird, schenkt meinem Leben Hoffnung. Weil - und das auch in der Kirche, in der Gemeinschaft der Christen - so viele Menschen ihr Leben nicht auf das Himmlische, nicht auf Gott ausrichten, sondern auf das Irdische, auf das, was die Welt bietet, auf das, was in der Welt zählt, darum gibt es soviel Streit, Hass, Krieg, Gewalt, Leid.
Wer fest an die Botschaft von Ostern glaubt, will nicht nur für sich haben, nicht nur möglichst viel für sich bekommen und nichts verpassen. Wir sollen Zeugen werden für den auferstandenen Jesus. Dessen Sehnsüchte und Wünsche sind andere geworden. In den verschiedenen Evangelien hören wir von den ersten Zeugen unseres Osterglaubens. Betrachten wir die Evangelien genauer, dann spüren wir: bei allen Beteiligten muss der Glaube an die Auferstehung Jesu erst wachsen. Vielleicht aber waren die Menschen offen, weil Jesus in ihnen tiefe Wünsche und Sehnsüchte angesprochen hat. Gott hat diese Fragen und Sehnsüchte in unser Herz gelegt. In Jesus hat Gott jeden Tod, jede Krankheit überwunden. Auch wir Menschen des 21. Jahrhunderts haben in uns diese Sehnsucht. Lassen wir diese Sehnsucht in uns wachsen. Amen.
Pater Jörg Thiemann, 04.04.2010
Pater Jörg Thiemann
Gott schafft neues Leben
(Bernhard Rathmer 2010)
Was ist aus diesem einen Menschen geworden. Er, der all das erlebt hat was Menschen erleben können: anerkannt, umworben, aufgesucht und umjubelt; verleugnet, bedroht gedemütigt und ans Kreuz genagelt.
Ecce homo - seht da den Menschen.
Ganz oben und ganz unten. Gebraucht und in die Ecke geschoben.
trostlos
All das, was wir als Menschen sind, finden wir in dem einen Menschen Jesus Christus. Und dieser Mensch ist gescheitert, tot, er liegt im Grab. Da ist nichts mehr was hoffen lässt. Da ist nichts mehr was eine Perspektive eröffnet. Nichts.
Eine einzige Frau, ein Mensch scheint sich noch zu erinnern, macht sich auf den Weg, aber das auch in aller Frühe, dann wenn es noch dunkel ist. Die Dunkelheit schützt, gesehen werden möchte sie lieber nicht. Das Grab, verschlossen, versiegelt durch einen großen Stein. Trostloser geht es kaum.
In diesem einen Grab liegt unsere ganze menschliche Trostlosigkeit, unsere Angst, unsere Sorge, unser Scheitern, unser Weinen, alles was uns niederdrückt, was unser Leben schwer macht.
In diesem Grab sind unsere Krankheiten und unsere Angst vor dem Tod.
In diesem Grab liegt all die Ungerechtigkeit und Gewalt, die Menschen trifft.
In diesem Grab sind die missbrauchten Körper und Seelen so vieler Menschen , heute besonders auch der Jungen und Mädchen die von Menschen missbraucht wurden, die doch für sie verantwortlich waren.
In diesem Grab sammelt sich das Leid so vieler Menschen.
Dieses eine Grab als Ort des Menschen. Ecce homo.
Diese eine Frau die still und allein dort hingeht, wo niemand sich traut hinzugehen.
Der Stein ist weg
An diesem einen Ort, an diesem einen Grab geschieht was alles verändert. Der Stein ist weg. Die Versiegelung des Leids und der vielen Geschichten, die doch niemand mehr hören mag ist aufgebrochen. Gott hält die Grabesruhe unserer Welt, unser Wegschauen und Stillhalten nicht ein. Er lässt den, der unser ganzes menschliches Leben gelebt, getragen und ertragen hat nicht im Tod. Er, Gott, weckt ihn auf, führt ihn nicht nur ins Leben zurück, sondern verwandelt was Menschen beiseite schieben zu neuem unvergänglichem Leben.
Maria begreift nicht, was geschehen ist und wir begreifen nicht, was geschehen ist, weil dieses eine, das von Gott kommt, so anders ist, dass wir Menschen nur ratlos und gläubig davor stehen. Vielleicht ahnen wir etwas von dem, was nun ist und was kommt, mehr nicht.
Gott schafft neues Leben.
Durch Jesus.
Für uns.
Ostern.
Bernhard Rathmer, 04.04.2010
Bernhard Rathmer
Das Leben in einem neuen Licht sehen lernen
(Claudia Simonis-Hippel 2010)
Wer seine Denkgewohnheiten von Unerwartetem umwälzen lässt, erfährt neue Lebensmöglichkeiten
Der lange Weg vom Tod zu neuem Leben
Vielleicht sind Sie jetzt ein bisschen enttäuscht von diesem Evangelium am Ostertag: Es klingt so ganz anders als die schwungvollen und anschaulichen Osterlieder, die wir heute singen. Der Bibeltext schildert gar keine direkte Begegnung mit dem auferstandenen Jesus selbst! Stattdessen wird beschrieben, wie es den Frauen am Grab ergeht. Aber auch hier ist nicht von Osterjubel die Rede, sondern von Ratlosigkeit, Erschrecken und Verwunderung. Aber genau das ist sehr realistisch, denn so etwas Ungeheuerliches, wie das, was mit „Auferstehung“ gemeint ist, kann man nicht sofort begreifen und bejubeln. Der Weg vom Schock über die Brutalität des Todes zum Sehen neuer Lebensmöglichkeiten ist weit.
Diese Erfahrung machen auch Menschen heute: Wenn ein lieber Mensch stirbt und eine große Lücke hinterlässt; wenn eine Beziehung zerbrochen ist und alle Versuche, neu anzufangen, gescheitert sind; wenn Eltern damit fertig werden müssen, dass ihre Kinder eigene, den Eltern unverständliche Wege gehen; wenn Alter oder Krankheit die Lebensmöglichkeiten einschränken; wenn einem Menschen die Lebensfreude und Lebensmut schwinden – in solchen Situationen erwarten wir nicht mehr viel vom Leben.
Gewohnte Vorstellungen werden umgewälzt
Ganz ähnlich erging es den biblischen Frauen, als sie sich am Ostermorgen zum Grab Jesu aufmachten, aber dann wurde für sie alles anders. Ich lade Sie ein, diesen inneren Weg dieser Frauen mitzugehen und sich auf die Umwälzungen einzulassen. Dann kann auch in uns Festgefahrenes wieder in Bewegung kommen.
Noch tief im Morgengrauen kommen die Frauen mit ihren Erwartungen zum Grab: wenigstens gibt es einen Ort, an dem sie den geliebten Menschen, den sie verloren haben, besuchen können. Die Frauen sind gut vorbereitet mit wohlriechenden Salben, um das zu tun, was man damals in Israel mit einem Toten tat: mit einer Salbung wenigstens dem Leichnam eine letzte Ehre und Zuwendung zu erweisen. Aber es kommt ganz anders als geplant und erwartet. Schon der weg gewälzte Stein deutet an, dass hier Umwälzendes geschieht, dass hier große Kräfte am Werk sind. Die Frauen betreten die Grabhöhle und finden – nichts. Ratlosigkeit, Verwirrung: Erklärungsmöglichkeiten werden gesucht. Noch bevor die Frauen wieder richtig zu sich kommen, geschieht wieder etwas Überraschendes: zwei Männer mit leuchtenden Gewändern, Engel, Boten Gottes, treten herbei. Das löst Erschrecken aus.
Eine andere Sichtweise eröffnet neue Möglichkeiten
Mitten in diese aufgewühlten Gefühle und Gedanken der Frauen sprechen die Engel eine Frage: „Was sucht Ihr den Lebenden bei den Toten?“ Diese Frage bringt eine völlig neue Sichtweise ins Spiel: Jesus, der - wie die Frauen es mit eigenen Augen gesehen haben - gekreuzigt wurde und starb; Jesus, dessen Leichnam sie salben wollten, wird als „Lebender“ bezeichnet.
Das ist eine ungeahnte Möglichkeit, die der bisherigen Erfahrung und dem gewohnten Denken der Frauen widerspricht. Aber dieser neuartige Gedanke öffnet in der festen Überzeugung von der Endgültigkeit des Todes vielleicht einen winzigen Spalt Richtung Hoffnung und Zukunft. Die so verstörten Frauen brauchen Zeit, um sich und ihr Denken neu zu sortieren. Ihr Weltbild wurde zuerst zerstört durch Jesu brutalen Tod und jetzt noch einmal umgewälzt durch eine neue Sichtweise. Die Bruchstücke ihres Weltbildes müssen sie nun neu sortieren, manche verwerfen und Reste neu zusammen puzzeln.
Und dann bringen die Engel noch eine alte, bisher unbeachtete Deutung ein: „Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat… Der Menschensohn muss … ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen.“ Diese bisher unverständliche Ankündigung Jesu passt plötzlich als wichtiges Puzzlestück in das neue Denken: „Da erinnerten sie sich an seine Worte.“ Manches im Leben ergibt erst im Nachhinein einen Sinn.
Hoffnung auf neues Leben steckt an
Jetzt kommen die Frauen auch äußerlich in Bewegung. Sie kehren dem Grab den Rücken und gehen zurück in die Stadt zu den anderen Jüngern, die noch in Angst, Trauer und Aussichtslosigkeit verharren. Mutig sind die Frauen, dass sie von ihrer für sie selbst noch so neuen Erfahrung berichten. Von den Aposteln wird ihr Zeugnis auch prompt als „Geschwätz“ abgetan – wie die Aussage einer Frau damals auch vor Gericht nicht zählte. Allein Petrus scheint etwas überzeugend Hoffnungsvolles an ihren Worten und ihrer Ausstrahlung wahrzunehmen. Wie die Frauen ist er ist offen für einen neuen Impuls und sei er noch so paradox. Petrus eilt zum Grab, um sich sein eigenes Bild zu machen. Er sieht zwar keinen Engel, aber das Ganze löst etwas in ihm aus: Verwunderung – ein neues, lebendiges Gefühl.
Wer seine gewohnten Vorstellungen loslässt, kann neues Leben erfahren
In starken Bildern und Worten spricht das Evangelium von der Erfahrung neuer Lebendigkeit, wie auch wir sie heute machen können - mitten in unseren persönlichen Todeserfahrungen.
Zunächst erlebe ich meine Situation vielleicht so: Das, was meinem Leben Sinn gab, mir Lebensfreude und Kraft schenkte, ist nicht mehr. Trauer braucht zwar Zeit, aber es besteht auch die Gefahr wie gebannt vor den Gräbern meiner Verluste, Enttäuschungen und Hoffnungslosigkeiten stehen zu bleiben: Wenn ich mit nichts mehr rechne, mir nichts mehr von Beziehungen, vom Beruf, vom Leben verspreche, dann macht mich das blind für andere Möglichkeiten und Sichtweisen. Die Frauen im Osterevangelium ermutigen uns aber zu einer anderen Haltung: Ich kann mich auch in meinen vertrauten Vorstellungen und meinem Weltbild verstören lassen. Dann kann ich mich öffnen für ein deutendes Wort von außen, das meine Situation in einem neuen Licht erscheinen lässt: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“. Wenn ich mich auf dieses neue Denken einlasse und beginne, erfülltes Leben zu suchen, dann kann sich die Verheißung der Auferstehung auch für mich heute erfüllen.
Auferstehung, neues Leben kann dann bedeuten, dass sich jemand nach einer gescheiterten Beziehung wieder auf neue persönliche Begegnungen unterschiedlicher Qualität einlassen kann; dass Eltern trotz allem den Glauben und vor allem die Liebe zu ihren Kindern nicht verlieren; dass ein alter oder kranker Mensch auch in engen Grenzen seine Lebensmöglichkeiten neu schätzen lernt; dass jemand am Grab eines lieben Verstorbenen die innere Gewissheit spürt, dass die Liebe stärker ist als der Tod.
Gott verlockt uns zu neuem Leben
Wie ist das bei Ihnen? Lassen Sie sich von dem, was ganz anders als erwartet ist, noch herausfordern und bewegen? Wagen Sie es, daran zu glauben, dass es für Sie viel mehr Möglichkeiten erfüllten Lebens gibt, als Ihre bisherige Erfahrung und Denkweise es zulässt?
Angenommen, auch wir hätten den Mut, unsere gewohnten Denk- und Sichtweisen umwälzen zu lassen – wie viel mehr Lebensmöglichkeiten könnten wir entdecken! Dazu will Gott uns am heutigen Ostertag verlocken – damit auch jede und jeder von uns Auferstehung mitten im eigenen Leben erfährt.
Claudia Simonis-Hippel, in: Bernhard Krautter/Franz-Josef Ortkemper (Hg.), Gottes Volk Lesejahr C4/2010. Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2010, S. 24-38.
Dipl. Rel. Päd. (FH) Claudia Simonis-Hippel, 04.04.2010
Dipl. Rel. Päd. (FH) Claudia Simonis-Hippel

Er lebt!
(Norbert Riebartsch 2009)
"Ich habe ihn gesehen. Ich schwöre es. Er lebt!" Diese Worte werden Maria von Magdala in einer Aktualisierung der Jesusgeschichte in den Mund gelegt. Es ist der Film "Jesus von Montreal" aus dem Jahr 1990.
Gerade sind wir wieder Maria von Magdala begegnet. Sie findet als erste das leere Grab vor. Sie deutet es zunächst als Diebstahl des Leichnams. Sie unterrichtet Petrus und Johannes. Diese sehen. Petrus versteht nicht. Johannes glaubt. Was das heißt, kann er nicht sagen. Aber damit fängt Ostern an. [Wo die Langfassung des Evangeliums gelesen wurde: Und dann kommt es zur Begegnung zwischen Maria und Jesus, von der Maria den Jüngern berichtet.]
Die Osterbotschaft aktualisieren
Bei einer Aktualisierung zeigt sich das Anliegen dessen, der es tut. Was halte ich für wichtig? Was kann man weglassen? Was spiegelt nicht mehr den Geist unserer heutigen Zeit?
Im Beispiel des Films heißt das: Es ist wichtig, dass jemand eine Überzeugung hat. Und es ist wichtig, dass diese Überzeugung gut weitergegeben wird. Die Überzeugung Maria von Magdalas war etwas ganz Neues: "Ein Toter lebt. Er lässt sich sehen. Er will, dass man von seinem Leben weiß."
Maria von Magdala war darin so überzeugend, dass sich Petrus und Johannes auf diese Erfahrung eingelassen haben. Die Jünger konnten nach und nach Andeutungen Jesu verstehen. Sie konnten sich daran erinnern, dass er genau das vorhergesagt hatte. Mit dieser neuen Sicht auf die Dinge erkanten auch die Jünger mehr und mehr: Er lebt. Und irgendwann waren auch sie bereit und in der Lage, ihre Erfahrung mit Jesus zu berichten.
Aktualisieren für heute
Als Besucher dieses Ostergottesdienstes stehen wir in einem Übergang: Auf der einen Seite hören wir die alten Texte einer Erfahrung, wie sie vor 2000 Jahren gemacht und erzählt wurde. Vor 1800 Jahren schrieb man es dann auch auf. Auf der anderen Seite müssen wir eine Übersetzung in das Heute schaffen. Es ist ja schön, dass die Menschen damals glaubten und handelten. Aber was bedeutet es mir? Spüre auch ich, dass er lebt? Oder begegne ich Menschen, die für mich überzeugend sagen können: Er lebt? Wie stelle ich mir die Stimme der Maria von Magdala vor, wenn sie den anderen sagt: "Er lebt!"
Begegnungen für das Leben
Ich möchte es an Begegnungen deutlich machen. Als Seelsorger habe ich Begegnungen mit Menschen. Ich treffe auf Menschen, die der Kirche nahe stehen. Wenn in einem Gespräch mit ihnen ein Gebetsanliegen genannt wird oder ein Segen erbeten wird, dann ist es für mich Zeichen. Dieser Mensch spürt einen lebendigen Gott an seiner Seite. Dem kann man mit den kleinen Sorgen des Alltags und den großen Sorgen der eigenen Zukunft kommen.
Ich treffe auf Menschen, die distanziert bis kritisch zur Kirche sind. Im Gespräch fällt ein Stichwort, das einen Weg zu diesen Menschen ermöglicht. Dieses Stichwort ist mir auf die Zunge gelegt worden. gedacht hätte ich daran nie. Aber so wird aus der Diskussion über Kirche eine Begegnung von Menschen mit Glaubenssehnsucht. Eine Antwort auf diese Sehnsucht ist der Satz: Jesus lebt und du kannst seine Spuren merken. Oder es kommt zu Begegnungen, die für mich wichtig werden. Manchmal gehe ich mit Fragen an Gott um, auf die ich keine Antwort finde. Dann kommt in einer Begegnung ein belangloser Satz an mein Ohr, der mir zeigt: Hoppla, Jesus lebt und schenkt dir so die lange gesuchte Antwort.
Liebe Schwestern und Brüder, wenn es stimmt, dass Jesus lebt, dann ist er selbst an Begegnung mit uns interessiert. Dann wiederholt er nicht gute Begegnungen und Gespräche aus einer früheren Zeit. Dann will er uns Antworten geben auf die Fragen von heute. Das kann er nur, weil er lebt und das Hier und Jetzt teilt.
Ihnen eine frohe Ostern zu wünschen ist nichts anderes als der Wunsch, dass Jesus Ihnen wieder begegnen kann.
Pater Norbert Riebartsch, 12.04.2009
Pater Norbert Riebartsch

Hugstetter Str. 55, Pforte Medizin
79106 Freiburg
E-Mail: pater.norbert@uniklinik-freiburg.de
Das Auferstehungszeugnis der Evangelien
(Franz Burgey 2009)
Paulus über die Erscheinungen des Auferstandenen
"Wenn Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos. Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, dann sind wir erbärmlicher daran als alle Menschen..."So schreibt Paulus im Jahr 51 an die Christen in Korinth. Die Korinther sind skeptische Großstadtmenschen, die nicht gutgläubig und gutmütig jede Mär hinnehmen, sondern offenbar große Zweifel an der Auferstehung Jesu geäußert hatten, sonst wäre dies ja kein Thema für Paulus gewesen. Ihnen schreibt er deshalb anschließend an obige Sätze eine Art von "Dokumentation" der Erscheinungen des Auferstandenen, deren Kern aus dem Jahre 35 stammt und historisch von bester Qualität ist.
Die Evangelienberichte über den Auferstandenen.
Diese "Dokumentation" besteht in einer, man möchte fast sagen: trockenen Aufzählung. Viel lebendiger und anschaulich wirken dagegen die Berichte der Evangelisten über diese Erscheinungen. Sie sind allerdings erst später geschrieben, zum Teil sogar wesentlich später als der Korintherbrief: Markus um 65, die Evangelien nach Matthäus und Lukas zwischen 80 und 90 und das von Johannes erst um 90 -100 nach Christus. Aber nicht nur dies scheint die Beweiskraft der Evangelienberichte zu schmälern sondern auch noch ein anderer Umstand.
Die Unstimmigkeiten und Übereinstimmungen in den Evangelienberichten
Wenn man nämlich die Berichte der Evangelisten zusammenzuordnen sucht, stößt man auf eine eigenartige Tatsache. Wenn es die Absicht der Evangelisten gewesen sein sollte, mit ihren Auferstehungsberichten die Menschen von der Tatsächlichkeit der Auferstehung Jesu zu überzeugen, so haben sie das auf den ersten Blick reichlich ungeschickt angestellt. Von einer guten Bezeugung eines wichtigen Ereignisses erwartet man, dass die Zeugenaussagen übereinstimmen. Das gerade aber vermisst man bei den Evangelisten. Zwar sind sie sich alle einig darin, dass Jesus auferstanden ist; aber wie sie das im Einzelnen berichten, nämlich wem Jesus erschienen ist und in welcher Reihenfolge, ist sehr unterschiedlich dargestellt.
Die Frauen als erste Zeugen
Selbst an der einzigen Stelle, wo sie alle übereinstimmen, haben sie anscheinend keine glückliche Hand. Sie stimmen nämlich darin überein, dass am frühen Morgen des ersten Wochentags nach dem Ostersabbat die Frauen zum Grabe gingen und diesen Frauen als ersten sich Jesus als der Auferstandene offenbarte. Nun war aber in der damaligen Gesellschaft die Frau nicht rechtsfähig, sie konnte in keinem Prozess als Zeuge auftreten; eine Frau galt in der Öffentlichkeit nichts. Und ausgerechnet die Frauen werden mit Nachdruck als Erstzeugen der Auferstehung genannt.
Die "Ungeschicklichkeit" Jesu, des Erstandenen
Dies schein ja sehr daneben zu liegen: Zeugen zu benennen, deren Zeugnis keinen Wert besitzt. Wie soll man aber verstehen, dass die vier Evangelisten, die zu ganz verschiedenen Zeiten und an ganz verschiedenen Orten die Überlieferungen bzw. das Selbsterlebte niederschrieben, alle den gleichen unverständlichen Fehler begehen? Unverständlich deshalb, weil den Evangelisten die Rechtslage klar bekannt war: Frauen sind als Zeugen nicht akzeptabel. Für diesen Fehler gibt es dann eigentlich nur eine Erklärung. Dass es eben kein Fehler der Evangelisten war, sondern dass tatsächlich Jesus den Frauen zuerst erschienen war. Nicht sie, die Evangelisten, sondern der Auferstandene, Jesus selbst, hatte diese "Ungeschicklichkeit" begangen, zuerst den Frauen zu erscheinen.
Warum erscheint Jesus zuerst den Frauen?
Aber warum machte das der Auferstandene so? Das kann man nur vermuten. Die Frauen waren diejenigen, die, während die Apostel geflüchtet waren, bis zuletzt am Kreuz ausgeharrt hatten. Sie hatten den Tod Jesu erlebt, so sollten auch als erste den Auferstandenen sehen. Jesus belohnt ihre Treue.
Oder es zeigt sich hier die Grundeinstellung des christlichen Glaubens wie sie Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther in aller Eindringlichkeit dargelegt hat? " Das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten." Das gilt zuerst von Christus selbst, Was ist denn verächtlicher als ein Mensch, der als Verbrecher am Kreuze hängt. "Aber," sagt Paulus, "wir verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit. für die Berufenen aber Gottes Kraft und Gottes Weisheit".
Das Schwache hat Gott erwählt
Und dieses Geschick spiegelt sich nun im Schicksal der Jünger. Seine ersten Zeugen sind die Schwachen, die Niedrigen, die Frauen, die wertlosen Zeugen, die Bedeutungslosen. So sieht es die Welt, aber Gott hat das Schwache erwählt, denn was kümmert sich Gott um törichte Zeitmeinungen.
Heute, in der Zeit wachsenden Heidentums, ist die Botschaft von dem Gekreuzigten und Auferstandenen mehr denn je eine Torheit. Gott aber setzt sich souverän über das hinweg, was die Menschen als gültige Beweise anerkennen und fordern. Und die Geschichte zeigt bis zum heutigen Tag welch ungeheuere Kraft in dieser Schwachheit verborgen ist.
Hören auf die Botschaft des Auferstandenen
Gott weiß seine Wahrheit durchzusetzen. Wer grundsätzlich bereit ist, auf Gott zu hören, findet in der Schrift und in der Geschichte des Christentums Bestätigung genug. Und wer grundsätzlich nicht bereit ist, findet immer eine Ausrede für seinen Unglauben. Gott lässt uns die Freiheit der Entscheidung. Nicht er hat es nötig, uns den Glauben aufzudrängen, sondern wir haben es nötig, die Wahrheiten Gottes anzunehmen zu unserem Heil. Zu unserem Heil!
Wenn jener Amokläufer von Winnenden und jene anderen Mörder, von denen man momentan schier jeden Tag in der Zeitung liest, diese Botschaft geglaubt hätten - und gehört haben sie sie sicher - so hätten sie ihre fürchterlichen Taten nicht ausgeführt. Es heißt von diesen Leuten oft, sie hätten keine Perspektive mehr in ihrem Leben gesehen, keinen Durchblick mehr gefunden. Das ist ja auch kein Wunder. Wer sich in diese Welt einmauert, kann ja kein Licht mehr sehen. Aber Christus ist die Perspektive des Lebens.
"Christ ist erstanden, von der Marter alle," singen wir heute, "des soll'n wir alle froh sein, Christ soll unser Trost sein…" - Ja, Christus ist unser zuverlässiger Trost, dass wir nach allen Leiden und Heimsuchungen dieses Lebens mit ihm in seine Herrlichkeit eingehen.
Franz Burgey, 12.04.2009
Franz Burgey

Vor Sonnenaufgang
(Manfred Wussow 2008)
Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.
So beginnt eine Geschichte, die aus dem Leben gegriffen sein könnte. Aus unserem Leben. Wir sehen eine Frau, alleine unterwegs. Sie hat eine schreckliche Nacht hinter sich. Ihre Gedanken drehen sich, überschlagen sich, kommen nicht zur Ruhe. Noch bevor die Sonne aufgeht, macht sie sich auf den Weg. Zum Grab Jesu. Sie ist mit ihren Erinnerungen, mit ihren Schmerzen allein. Vorgestern erst gab es den Prozess, dann das Todesurteil, dann die Hinrichtung. Es ging alles so rasend schnell. Warum? Es schrie in ihr: Warum?
So oder ähnlich verlaufen viele Geschichten, die Menschen erzählen, auch immer wieder neu erzählen. Sie werden ihres Schmerzens, ihrer Enttäuschung, ihrer Hilflosigkeit nicht Herr. Wenn sie am Grab stehen, sind sie dem Menschen nahe, den sie verloren haben. Sie haben einen Ort für ihre Trauer. Sie können weinen. Sie können sogar reden. Reden mit dem Menschen, der ihnen nicht antworten wird. Aber da ist.
Frühmorgens, als es noch dunkel war, kam Maria von Magdala zum Grab. Die Sonne war noch nicht aufgegangen.
Leere
Der Evangelist Johannes hat seine Blicke ganz und gar auf Maria Magdalena gerichtet.
Hellhörig wie er ist, fängt er jedes Wort von ihr auf. Er belauscht sogar ihr Gespräch mit dem Gärtner. Oder den, den sie für den Gärtner hält. Die Frage, die Maria umtreibt, aber auch erstarren lässt, rückt uns auf den Leib. Wo ist - Jesus?
Entschuldigung, ich bin fast schon zu weit. Denn von dem Entsetzen habe ich noch nicht erzählt, das Maria überfällt, als sie den Stein weggerollt sieht. Schwer, gewichtig, übermenschlich verschloss er die Welt des Toten und schob sich unüberwindlich vor die Welt der Lebenden. Menschen haben diese Trennung immer schon bitter und traurig erfahren. Aber die Welt war in Ordnung. Solange man wusste, wo der Mensch war, den man liebte (oder auch - und unter uns: den man hasste). Aber jetzt? Der weg gerollte Stein gab auf einmal ein Loch frei, lenkte Blicke und Sinne in die Welt dahinter: die Leinenbinden einfach abgestreift, das Kopftuch fein säuberlich zusammengelegt in einer Ecke. Johannes lässt das Licht in die Höhle fallen, ohne Angst, überrascht zu werden. Was hier geschehen ist, muss ganz absichtsvoll, geradezu überlegt geschehen sein.
Nur die, die den Blick in das Innere wagen, sich selbst aussetzen, sehen die Leere. Den leeren Ort, die leeren Köpfe. Johannes ist heute in Hochform: Er weiß, dass das die Welt noch nicht gesehen hat. Er beschreibt geradezu, was die Welt noch nicht gesehen hat, er beschreibt die - Leere.
Über das leere Grab ist viel gesagt, viel spekuliert, viel Zweifel gebreitet worden. Ich weiß. Aber die Erfahrung, die Johannes in Worte fasst, lässt sich anders gar nicht sagen:
Das Leben, Ostern, beginnt mit einer großen Leere. Der Tod ist leer. Er hat keinen Ort mehr, kein Heimatrecht, kein Denkmal. Wer den Tod sucht, findet nur noch ein Loch. Darum musste der Stein weg gerollt werden - und das Loch offenbaren.
Frühmorgens, als es noch dunkel war, kam Maria von Magdala zum Grab.
Die Sonne lugte schon über den Rand der Welt.
Redezeit
Maria ist ganz benommen davon, was sie in der Frühe entdeckt: den weg gewälzten Stein, zurückgelassene Leinenbinden, hilflose Jünger. Engel fragen sie: Frau, warum weinst du?
Die anderen Evangelisten erzählen, dass die Engel etwas verkünden. Sind sie doch Boten, Boten Gottes. Weiß, eben aus einer anderen Welt. Aber Johannes zeichnet sie in ihrer Würde und Schönheit. Er zeichnet sie als Seelsorger. Ganz Ohr, wenig Mund. Außer, dass sie fragen, sagen sie nichts. Sie lösen die Zunge, sie gewähren Redezeit. Redezeit im Loch, in der Tiefe, in der Angst. Wo die große Leere ist, soll Maria reden können. So mancher Stein musste schon vor dem Wort weichen!
Johannes hat die Ostergeschichte als eine Rede-Geschichte erzählt. Die feinen Züge schälen sich immer bewusster heraus. Wie einfach doch! Maria! Maria hört ihren Namen. Jesus gibt sich zu erkennen. Aber er sagt nichts - außer, dass er ihren Namen nennt. Jetzt ist alles, was er sagte und tat, ins Leben zurückgeholt, über den Tod gehievt, in einer vertrauten Geschichte gegenwärtig. Es genügt ein Wort: Maria!
"Da wandte sie sich ihm zu und sagte auf hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister." Ein Bekenntnis ist das, aber auch eine Liebesgeschichte. Denn Rabbuni ist ein Kosenamen, ein Namen, der soviel Vertrauen in sich schließt, dass die Welt auf dem Kopf stehen kann, dem Tod aber das Lied vom Leben über die Lippen kommen muss.
- Wenn Engel fragen: warum weinst du - und der Auferstandene mich mit Namen nennt - dann ist Ostern.
- Wenn ich zu einem Engel werde, Geschichten und Tränen sammle - dann ist Ostern. Wenn ich in jedem Namen Gottes Geschichte suche - dann ist Ostern.
Frühmorgens, als es noch dunkel war, kam Maria von Magdala zum Grab.
Die Sonne legte schon Farben aufs Land
Zeugin des Lebens
Maria von Magdala. Als Frau hatte ihr Wort kein Gewicht. Vor Gericht konnte sie nicht einmal als Zeugin geladen werden - oder auftreten. Wenn ihr eine Rolle auf den Leib geschneidert schien, dann die der traurigen Hinterbliebenen. Johannes lässt sie auch so zum Grab gehen. Frühmorgens. Um dann die größte Entdeckung in Worte zu fassen: sie ist - Maria. Die Überraschung ist groß. Jesus nennt ihren Namen zärtlich, sie nennt den seinen vertraut - "Rabbuni". Indem Namen genannt werden, kann die Ostergeschichte sich auftun. Das Leben über den Tod siegen. Was daraus folgt, ist so aufregend wie Ostern selbst: Eine Frau ist Haupt-, ist Kronzeugin für die Auferstehung Jesu. Die Jünger übrigens wuseln bei Johannes nur durch die Geschichte. Maria von Magdala aber wird sie ihnen aufschließen. Jesus hat es ihr aufgetragen. Sie vertritt ihn. Mit seinem Wort.
"Maria von Magdala ging zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie richtete aus, was er ihr gesagt hatte."
Jetzt war die Sonne aufgegangen.
1630 dichtete Johann Heermann:
"Frühmorgens, da die Sonn aufgeht,
mein Heiland Christus aufersteht.
Vertrieben ist der Sünden Nacht,
Licht, Heil und Leben wiederbracht.
Halleluja
In kurzem wach ich fröhlich auf,
mein Ostertag ist schon im Lauf;
ich wach auf durch des Herren Stimm,
veracht den Tod mit seinem Grimm.
Halleluja."
Manfred Wussow, 23.03.2008