Kontexte 01.07.2018
Deine Hände
Marareta Fries (1961) in: EG 424.
Deine Hände, großer Gott,
halten unsre liebe Erde,
gibst das Leben, gibst den Tod,
schenkst uns Wasser, schenkst uns Brot,
gib auch, dass wir dankbar werden.
Unsre Welt ist wirr und bunt,
jeder will das Beste haben.
Jeder hastet Stund um Stund.
Halt uns Menschen doch gesund,
du allein verteil die Gaben.
Hilf, dass in der weiten Welt,
Kinder nicht aus Hunger sterben.
Fruchtbar mache jedes Feld,
ohne alles Gut und Geld,
keine Seele lass verderben.
Gib Frieden, Herr, gib Frieden
Jürgen Henkys (1980) 1983 nach dem niederländischen »Geef vrede, Heer, geef vrede« von Jan Nooter 1963, in: EG 430.
Gib Frieden, Herr, gib Frieden,
die Welt nimmt schlimmen Lauf.
Recht wird durch Macht entschieden,
wer lügt, liegt obenauf.
Das Unrecht geht im Schwange,
wer stark ist, der gewinnt.
Wir rufen: Herr, wie lange?
Hilf uns, die friedlos sind.
Gib Frieden, Herr, wir bitten!
Die Erde wartet sehr.
Es wird so viel gelitten,
die Furcht wächst mehr und mehr.
Die Horizonte grollen,
der Glaube spinnt sich ein.
Hilf, wenn wir weichen wollen,
und laß uns nicht allein.
Gib Frieden, Herr, wir bitten!
Du selbst bist, was uns fehlt.
Du hast für uns gelitten,
hast unsern Streit erwählt,
damit wir leben könnten,
in Ängsten und doch frei,
und jedem Freude gönnten,
wie feind er uns auch sei.
Gib Frieden, Herr, gib Frieden:
Denn trotzig und verzagt
hat sich das Herz geschieden
von dem, was Liebe sagt!
Gib Mut zum Händereichen,
zur Rede, die nicht lügt,
und mach aus uns ein Zeichen
dafür, daß Friede siegt.
Neues Osterlied
Kurt Marti,
https://wurfbude.wordpress.com/2014/04/21/kurt-marti-anderes-osterlied/
Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn erst nach dem Tode Gerechtigkeit käme,
erst dann die Herrschaft der Herren,
erst dann die Knechtschaft der Knechte
vergessen wäre für immer.
Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn hier auf der Erde alles so bliebe,
wenn hier die Herrschaft der Herren,
wenn hier die Knechtschaft der Knechte
so weiterginge wie immer.
Doch der Befreier vom Tod ist auferstanden,
ist schon auferstanden, und ruft uns jetzt alle
zur Auferstehung auf Erden,
zum Aufstand gegen die Herren,
die mit dem Tod uns regieren.
Wahrnehmung
Predigt von Prof. Dr. Jaap de Lange (02.07.2006) Töchter, steht auf! - Das Aufstehen beginnt bei uns selbst.
https://predigtforum.de/2006/06/27/tochter-steht-auf/#predigt
Jesus nimmt Menschen wahr, die von anderen für tot erklärt werden, die aber Leben in sich tragen und ihre Zukunft nicht aufgeben müssen. Es berührt ihn. Er nimmt das Leben ernst. Auch wenn die anderen es nicht mehr sehen, nicht mehr fühlen. Wenn Menschen aneinander vorbei laufen. Wenn nichts mehr erwartet wird. Dann kommt der Schmerz. Gib auf. Du hast in deinem Leben Pech gehabt ... Da will Jesus Menschen zu ihrem Recht kommen lassen – als Mensch, als Frau.
Auferstehung beginnt mit Aufstehen
Das will uns der Erzähler der beiden Frauengeschichten erzählen. Jesus leidet mit Menschen und lässt sich ansprechen. Er läuft nicht vorbei. Er sieht hin. Uns wird gesagt: Vertrau dich ihm an. Jemand, der so Menschen sieht, kann dir viel bedeuten. Wenn dich andere aufgeben und keine Möglichkeiten mehr sehen, richtet er dich auf und gibt dich dem Leben zurück...
Hier, in dieser Geschichte, beginnt das Aufstehen bei den Menschen selbst. Sie wagen den ersten Schritt. Der Vater, der für seine Tochter auf die Knie geht ... Die Frau, die gegen alle Regeln aus den Schatten ihres Lebens tritt und sich nach vorne wagt ...
Diese Geschichte erzählt von Menschen, Frauen, Töchter, die mit Jesus auf ihr Leben blicken und ihr Vertrauen auf ihn richten: Rühr mich an, richte mich auf.
Spurensuche
Wir lesen diese Geschichte, nachdem wir Ostern und Pfingsten gefeiert haben, das Fest von Jesu Auferstehung – und das Fest von Menschen, die ihm nachfolgen, gerufen durch seinen Geist. Heute begegnen wir Menschen, Frauen, die ihm nahe kommen, seine Stimme hören und die Kraft entdecken, die sie zum Leben weckt. Sie suchen seine Spur, um durch ihn wieder Leben zu haben.
Zwei Frauen ... eine junge, eine ältere. In dieser Geschichte stehen sie für viele andere Frauen, denen das Leben nicht mehr glückt, die verneint werden, klein gehalten, nicht wahrgenommen, für tot erklärt. Aber dann kommt Jesus von Nazareth in die Stadt. Er sagt: Töchter, steht auf – und geht – in Frieden.
Gottes universaler Heilswille
Aus: Walter Kardinal Kasper, Barmherzigkeit. Grundbegriff des Evangeliums – Schlüssel christlichen Lebens. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2012.
Gottes Liebe, die uns aus reiner Barmherzigkeit erwählt und ins Leben gerufen hat und aufgrund derer sich Jesus Christus am Kreuz für uns hingegeben hat, ist endgültig und kann mit dem Tod nicht einfach aufhören. Die Antwort kann freilich auch nicht die Erwartung eines Happy End sein, nach dem Motto »es wird schon gut gehen«. Gott nimmt uns gerade in seiner Barmherzigkeit ernst; er will uns Menschen und unsere Freiheit nicht überrumpeln und nicht übergehen. Es kommt also auch auf unsere Entscheidung und auf unsere Antwort auf das Angebot der Liebe Gottes an. Liebe kann und wird um den anderen werben, zwingen kann und will sie ihn nicht. Gottes Liebe will also erwidert werden; sie kann aber vom Menschen auch ignoriert und zurückgewiesen werden. Da wir auf Gottes Liebe hin geschaffen sind, bedeutet die Abweisung der Liebe Gottes die Selbstverneinung des Menschen und damit das Unglück des Menschen, theologisch gesprochen: den Verlust seiner ewigen Seligkeit. Das macht den Ernst des Lebens und unserer Freiheit aus. Unsere Lebensentscheidung ist eine Entscheidung auf Leben und Tod.
Was ist der Mensch?
Aus: Johannes Bours, Ich werde ihm den Morgenstern geben. Worte für den Lebensweg. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 1988.
Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst, des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst?
Psalm 8,5
Uralte Frage: Was ist der Mensch? Diese Frage verstummt nie. Gibt es keine Antwort?
Wir sehen die Nachrichten im Fernsehen. Abend für Abend die Bilder, was überall auf der Welt Menschen tun und sich antun - da kann diese Frage immer wieder da sein: Was ist der Mensch? Soviel Leid, soviel Bosheit, aber auch soviel wunderbares schöpferisches Werk! Wir schauen in die Menschheitsgeschichte, wir schauen in unsere eigene Geschichte - der Mensch ein Rätsel, das nicht zu lösen ist. Wir stehen am Krankenbett eines jungen Menschen. Noch vor ein paar Monaten blühendes Leben - und jetzt gezeichnet von völliger Hinfälligkeit. Wir haben uns von dem von der Todeskrankheit Gezeichneten verabschiedet, und auf dem Heimweg ist wieder diese Frage in uns: Was ist der Mensch?
Die Frage wandelt sich: Was bin ich? Auch diese Frage verstummt nie. Sie fragt nicht nach meinem Beruf, sondern geht viel tiefer. Ich stehe vor dem Spiegel und schaue mir selber in die Augen: Was bin ich? Wer bin ich denn eigentlich?
Auch der Psalm hat diese Frage: Was ist der Mensch? Wie mit großem Erstaunen läßt der Psalmbeter die Frage weitergehen: „Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst, des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst?" Und wieder wandelt sich das Wort: Was bin ich, daß du an mich denkst, daß du dich meiner annimmst?
In der Frage steckt die Antwort: Er denkt an mich! Ich bin nicht verloren in Raum und Zeit! Ich bin nicht vergessen! Er nimmt mich an! Er sagt ja zu mir! - Ein anderer Psalm (18) geht sogar soweit zu sagen: „Er hat an mir Gefallen!"
"... daß du an ihn denkst": Er denkt an mich. Und sein Denken ist praktizierte Liebe, denn Gott ist Liebe! Fast unglaublich will uns das Vorkommen: der große, ewige Gott - und ich, der winzige Mensch: Er denkt an mich, er nimmt mich an, er liebt mich!
Wer bin ich denn, daß er mich liebt? Bin ich denn liebenswürdig vor Gott? Warum liebt er mich? Die tiefste Begründung sagt Angelus Silesius in dem Vers:
Gott ist des Lebens Buch.
Ich steh in ihm geschrieben
mit seines Lammes Blut -
wie sollt er mich nicht lieben!
Das ist der tiefste Grund dafür, daß Gott liebend an mich denkt: Der Sohn Gottes hat sich für mich dahingegeben!
Mein Gott, ich danke dir, daß du an mich denkst. Ich danke dir, daß du mich annimmst. Gib mir die Kraft aus diesem Dank heraus auch meinen Mitmenschen anzunehmen, den du annimmst, wie du auch mich angenommen hast.
Eine Frage der Übersetzung
Aus: Walter Kardinal Kasper, Barmherzigkeit. Grundbegriff des Evangeliums – Schlüssel christlichen Lebens. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2012.
Der Ausgangspunkt der Gotteslehre war und ist bis heute die Namensoffenbarung Gottes vor Mose am brennenden Dornbusch. Als Mose den sich offenbarenden Gott nach seinem Namen fragte, erhielt er die Antwort »Ich bin der ist da«, was aufgrund der griechischen Übersetzung in der theologischen Tradition mit »Ich bin, der ich bin« übersetzt wurde (Ex 3,14) Hinter dem Unterschied zwischen dem ursprünglichen hebräischen Text und der griechischen Übersetzung steht der Unterschied zwischen dem hebräischen und griechischen Denken. Das Verb »sein«, das in »ich bin« steckt, meint im Hebräischen im Unterschied zum Griechischen kein ruhendes, sondern ein dynamisches Sein; es bedeutet nicht einfach »existieren«, sondern konkret »da sein«, und zwar da sein mit und für andere. Die Antwort, die Jahwe dem Mose gibt, besagt also: »Ich bin, der für euch da ist, der mit euch und bei euch ist.« Der Name Gottes ist also eine Zusage und eine Verheißung. Als dann das hebräische Alte Testament in hellenistischer Zeit um 200 v. Chr. in Alexandrien in der sogenannten Septuaginta ins Griechische übersetzt wurde, wurde die Namensoffenbarung Gottes im Sinn der griechischen Seins-Philosophie gedeutet. Entsprechend übersetzte die Septuaginta: »Ich bin der Seiende«.
Diese Übersetzung hat Schule gemacht und das theologische Denken über viele Jahrhunderte bis heute geprägt. Um deutlich zu machen, dass Gott kein Seiendes neben oder über allen anderen Seienden ist, wurde Gott nicht als »der Seiende«, sondern als »das Sein selbst« (ipsum esse subsistens) bestimmt. Dieser Begriff wurde zum eigentlichen Namen Gottes.
Vertrauensvolle Zuneigung
Aus: Pierre Stutz, Du hast mir Raum geschaffen. Inspiriert von den Psalmen. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2003.
Ich hoffe auf Dich Gott
Du neigst Dich mit zu
und hörst mein Schreien
Auch in Zeiten der Oberflächlichkeit
und der Resignation
traue ich Dir wundervolles zu
Du
durchbrichst unsere Gleichgültigkeit
Du
durchkreuzt unsere Kleinherzigkeit
Du
heilst unsere Lahmheit
holst uns heraus aus Sattheit und Langeweile
stiftest uns zum sinnvollen Handeln an
damit wunderbares geschieht und
Menschen sich neu begegnen können
Türen und Herzen sich zur Gastfreundschaft öffnen
Dank
sei Dir immer gesungen
(Nach Psalm 40,2)
Ein perfektes Kind - wer wünscht sich das nicht?
Christiane Kohler-Weiß in: Leben 2010. Ein Lesebuch. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2009.
Wenn Männer und Frauen Eltern werden, dann erträumen sie sich ihr Eltemglück oft in den buntesten Farben. Ihr Kind wird sicher etwas ganz Besonderes werden! Gesund sollte es sein, selbstverständlich! Aber nicht nur das: intelligent und hübsch und charmant und kreativ natürlich auch! Und später würde es dank der guten Erziehung höflich sein, gutes Sozialverhalten aufweisen und ein Instrument spielen. Schön wäre auch, wenn das Kind meist fröhlich wäre, sich gut selbst beschäftigen könnte und nicht so viel störte. Ein solches Kind wäre sicher auch beliebt und hätte viele Freundinnen und Freunde. Ob es sportlich sein sollte, hängt von den Veranlagungen der Eltern ab, aber Selbstbewusstsein und Durchsetzungsfahigkeit dürfen heute auf keinen Fall fehlen. Eltern eines solchen Kindes zu sein - oder am besten mehrerer solcher Kinder - müsste doch das reine Glück bedeuten und die Eltern unendlich stolz machen!
Die Träume von Eltern für ihre Kinder sind ähnlich glänzend und maßlos wie die Träume Heranwachsender von ihren Partnerinnen und Partnern. Sie haben viel mit unseren Sehnsüchten und wenig mit der Realität zu tun. Solange wir das wissen, sind solche Träume etwas Wunderschönes. Sie erhöhen die Vorfreude auf die Geburt eines Kindes. Und wenn das Kind dann da ist und es seinen Eltern vorkommt wie das süßeste, hübscheste, vollkommenste und begabteste aller Kinder, dann sind es die Augen der Liebe, die all das in dem Baby sehen. Und die Augen der Liebe haben immer Recht, denn sie eröffnen dem Kind eine weite Zukunft. Ohne die Möglichkeiten, die liebende Eltern in ihren Kindern angelegt sehen, können sich Kinder nur schwer entfalten. Eltern stehen immer in der Versuchung, die eigenen Kinder nach den eigenen Vorstellungen formen zu wollen. Und die Möglichkeiten des Formens haben heute Ausmaße angenommen, die für Eltern noch vor 25 Jahren undenkbar waren, vor allem durch die Entwicklungen in der Pränatalmedizin und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Frauenkarriere mit Stolpersteinen
martina.salomon@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2008)
24.01.2008 | 18:18 | MARTINA SALOMON (Die Presse)
© DiePresse.com
Der "EU-Genderbericht" stellt Österreich kein gutes Zeugnis aus. Männerseilschaften funktionieren (noch).
Warum nur ist in Österreich der Anteil von Frauen in Führungspositionen in den letzten Jahren gesunken statt gestiegen? "Weil Österreich ein zurückgebliebener Machoverein ist", sagt ein männlicher Spitzenmanager trocken (Name der Redaktion bekannt).
Diplomatischer ausgedrückt, haben in Österreich Männerseilschaften immer eine große Rolle gespielt: CV, Rotarier, Freimaurer, Professorengesellschaften. War irgendwo ein Job zu vergeben, erinnerte man sich flugs an einen Bruder im Geiste. Zwar verlieren solche Kreise an Bedeutung. Neben den formellen Netzwerken gab und gibt es aber auch noch informelle: Die Bier- oder die Sportrunde nach der Arbeit ist traditionell ebenfalls eher männlich dominiert.
Nicht erst seit gestern bemühen sich Frauen, diese Stolpersteine wegzuräumen. Was wurde da nicht alles ins Leben gerufen! Frauenquoten bzw. positive Diskriminierung, eigene Netzwerke, Mentoring-Programme, Gendergerechtigkeit im Unterricht bis zur teilweisen Aufhebung der Koeduktion. Das wird zwar oft lächerlich gemacht, hat aber teilweise etwas gebracht - zumindest bei den Bildungsabschlüssen. Unter den Jüngeren, das zeigt auch der EU-Bericht, herrscht Geschlechtergerechtigkeit - eine Aufholjagd, die jedoch im Nirgendwo endet. Denn eigentlich ist es nur in der Politik unmodern geworden, keine Frauen in der ersten Reihe sitzen zu haben. Wer die vielen monogeschlechtlichen öffentlichen Diskussionsrunden beobachtet, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in Österreich nur Männer das Sagen haben.
Subjektiv fühlen die sich manchmal trotzdem von den "Powerfrauen" an die Wand gedrängt. Manche greifen zur perfiden Gegenstrategie: Frauen, die an der Spitze stehen, werden lächerlich gemacht. Ihnen wird vorgeworfen, was man über Karrieremänner nur selten hört: Dass sie den Job ausschließlich der guten Verbindung zu diesem oder jenem Mächtigen verdankten. Und dass sie in Wahrheit unfähig seien, ein dummer Trampel eben.
Es ist ein Klischee, aber trotzdem wahr: Frauen an der Spitze werden kritischer betrachtet. Gleichzeitig haben sie viel zu oft eine dünne Haut und nehmen Auseinandersetzungen persönlich, die ihre Kollegen schon am nächsten Tag wieder vergessen haben. Stecken sie Rempeleien kühl lächelnd weg, gelten sie als "emotional kalt", siehe Hillary Clinton. Sie löste das Dilemma mit einem kleinen Tränenausbruch während des Wahlkampfs, was ihr wiederum als Taktik ausgelegt werden und folglich ebenso auf den Kopf fallen könnte.
Österreich ist gesellschaftspolitisch nicht liberal: Darüber, wie jemand zu leben hat, haben alle anderen immer ziemlich präzise Vorstellungen. Zumindest bis zum Kindergartenalter sieht man Mütter lieber daheim. Umgekehrt betrachten all jene (städtischen) Frauen, die bald wieder arbeiten gehen, ihre nicht-berufstätigen Geschlechtsgenossinnen mit arroganter Herablassung. Rabenmütter kontra Hausmütterchen, und Teilzeitjobs gelten auch irgendwie als pfui, weil Arbeitnehmervertreter dabei immer argwöhnen, dass das nicht freiwillig geschieht.
Kinder werden - speziell in Firmen - sowieso als reine Frauenangelegenheit betrachtet. Das hemmt den Aufstieg weiblicher Beschäftigter mit und ohne Kinder und ist auch für aktive Väter ein Problem, die schnell als Softies gebrandmarkt sind, die unter dem Schlapfen stehen. Voraussetzung für eine Karriere ist unsichtbarer Nachwuchs, am besten keiner. Die öffentliche Hand hat immer viel Geld in familiäre Direktleistungen, aber zu wenig in Kinderbetreuungseinrichtungen (auch in deren Qualität!) investiert. Aber nicht alles kann der Staat leisten. Es ist deshalb zu hoffen, dass die SPÖ im nächsten Wahlkampf nicht auch noch den Kinderbetreuungsnotstand entdeckt und wie bei der Pflege einen halbwegs funktionierenden privaten Markt vergesellschaftet und damit noch weiter verteuert.
Nicht zuletzt ist die Zeit-Lücke für Frauen zwischen der Phase, in der sie "gefährdet" sind, Kinder zu bekommen oder tatsächlich welche haben, und dem Alter, ab dem sie "zu alt" für eine Karriere sind, knapper bemessen als anderswo. Das frühere Pensionsalter fällt ehrgeizigen Arbeitnehmerinnen auf den Kopf.
Dass sich Unterrichtsministerin Claudia Schmied nun entschlossen hat, nur weibliche Unirätinnen zu nominieren, ist nicht elegant, aber mutig und notwendig. Denn an den Unis sind die "old boys networks" offenbar noch immer sehr eng geknüpft.
Verschwörung
michael.prueller@diepresse.com
08.01.2011 | 17:48 | Michael Prüller (Die Presse)
© DiePresse.com
Die skurrile Theorie eines spanischen Bischofs - die Unesco wolle die halbe Menschheit homosexuell machen - hat einen ernst zu nehmenden Hintergrund.
Vor ein paar Tagen hat der katholische Bischof von Córdoba, Demetrio Fernández González, in einer Predigt erklärt, die Unesco habe den Plan, dass in den nächsten 20 Jahren die Hälfte der Weltbevölkerung homosexuell werde. Das versuche sie durch verschiedene Programme der Gender-Ideologie, die davon ausgehe, dass niemand als Mann oder Frau geboren werde, sondern sich sein Geschlecht aussuchen könne. Vom Unesco-Plan habe ihm vor wenigen Tagen der "Familienminister" des Vatikans, Kardinal Ennio Antonelli, berichtet.
Außer unzähligen höhnischen Kommentaren gibt es dazu keine Reaktionen. Man würde doch erwarten, dass Kardinal Antonelli sich berichtigend zu Wort meldet. Aber über allen Gipfeln ist Ruh. Das jüngste Dokument auf seiner Homepage stammt aus dem Jänner 2009, und eine Mail-Adresse, um bei einem Sekretär anzufragen, gibt es nicht. Bei rund 4900 katholischen Bischöfen ist es schon rein statistisch erwartbar, dass gelegentlich einer einmal etwas Schrulliges sagt. Aber das Ausbleiben offizieller Reaktionen der Kirche macht es für Außenstehende schwerer, sie in der Diskussion ernst zu nehmen.
Und der Gender-Begriff ist tatsächlich höchst diskussionswürdig. Es gibt unter diesem Übertitel einen Bereich, wo sich Ideologie und Wissenschaft vermengen. Wo postuliert wird, dass es ein biologisches Geschlecht (Sex) gibt und ein soziales (Gender), das mit dem biologischen nichts zu tun hat, sondern von der Gesellschaft konstruiert und perpetuiert wird. Nach dieser Auffassung ist Gender tatsächlich - wenn man es schafft, sich über die Konventionen hinwegzusetzen - wählbar und soll auch frei gewählt werden. Dem steht nun die Auffassung gegenüber, dass die Frauen- und Männerrolle sehr wohl von der Biologie vorgegeben wird. Es liege in der Natur (bzw. in der Schöpfungsordnung), wie ein "richtiger Mann" und eine "richtige Frau" seien.
Es geht da um die alte Frage, ob der Mensch sein Lebensglück eher findet, wenn er sich frei von Vorgaben macht, oder eher, wenn er einer von der Natur (oder Gott) vorgegebenen Bestimmung folgt. In einem weiteren Schritt geht es dann um die Frage, was die Aufgabe der Gesellschaft bzw. des Staates sein soll: Geschlechterrollen zu dekonstruieren oder zu affirmieren (oder sich da rauszuhalten).
Bischof Fernández hat seiner Kirche in dieser wichtigen Frage wohl keinen großen Dienst erwiesen. Außerdem: Dass die halbe Menschheit homosexuell würde, wenn sich die Gender-Ideologie durchsetzt, sollte gerade er nicht glauben. Denn wenn die Natur (oder Gott) den Menschen als Mann und Frau erschafft und sie grundsätzlich aufeinander hin ordnet, dann müsste doch eine abweichende Entscheidung des Individuums langfristig jedenfalls die Ausnahme bleiben.
Geben und Nehmen
Paul Tillich, in: Waldemar Wolf/Renate Spennhoff (Hg.), Miteinander hoffen, Biblische Texte, Gebete und Betrachtungen. Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1995.
Die gewöhnliche Frage: "Was sollen wir tun?" muss mit der ungewöhnlichen Frage: "von wo empfangen wir etwas?" beantwortet werden. Die Menschen müssen wieder verstehen lernen, dass man nicht viel geben kann, wenn man nicht viel empfangen hat. Die Religion ist in erster Linie eine geöffnete Hand, eine Gabe entgegen zu nehmen, und erst in zweiter Linie eine tätige Hand, Gaben auszuteilen.
Die Warner
Aus: Erich Fried, Beunruhigungen, Gedichte. Wagenbach-Verlag, Berlin 1985.
enn die Leute dir sagen:
"Kümmere dich nicht
soviel
um dich selbst"
dann sieh dir
die Leute an
die dir das sagen:
An ihnen kannst du erkennen
wie das ist
wenn einer
sich nicht genug
um sich selbst
gekümmert hat
Und er hat mich nicht geheilt
Aus: Marie-Luise Langwald, Frauen-ge-danken. Klens-Verlag, Düsseldorf 1990.
Ich habe mich an ihn herangedrängt.
Ich habe ihn berührt
und habe gehofft.
Und er hat mich nicht geheilt.
Geheilte Frau,
hilf mir verstehen,
dass er mich dennoch sieht,
dass er mich dennoch liebt,
dass er mich dennoch rettet.
Hilf mir glauben,
dass er mich heilt -
vielleicht anders.
Hilf mir glauben: Er will mein Heil.
Talita kum
Aus: Marie-Luise Langwald, Frauen-ge-danken. Klens-Verlag, Düsseldorf 1990.
Manchmal glaube ich,
deine Hand zu spüren,
die mir Heilung schenkt.
Manchmal glaube ich,
deinen Ruf zu hören,
der mich aufstehen heißt.
Manchmal glaube ich,
deine Kraft zu fühlen,
die mich leben lässt.
Talita kum!
Deine Hand spüren
in meiner Krankheit,
deinen Ruf hören
in meiner Lähmung,
deine Kraft fühlen
in meinem Tod -
ich lausche.
Sprichst du zu mir?
"Berühren berührt…"
http://www.maennerarzt-linz.at/index.php?id=180
...ist wohl der beste Einstieg für ein Plädoyer für die zärtlichste Form der Sexualität. Die Sehnsucht nach Berührung ist so alt wie die Menschheit selbst. Und nicht nur Menschen wollen berührt werden, unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen, zeigen ganz ähnliche Verhaltensmuster. Denken Sie an die "berührenden" Bilder einer Orang-Utan-Mutter, die ihr Kleines stillt oder die Äffchen im Zoo, die sich lausen. Der taktile Reiz, eben das Berühren der Haut schafft Emotionen, berührt also die Seele. Das Wort "Berühren" hat nicht umsonst diese übertragene Bedeutung, das Berühren der Seele, das Schaffen von Emotionen.
"Ich berühre Dich!" beschreibt das rein mechanische Berühren mit der Hand, aber auch das Erreichen der Herzens. Man ist berührt, wenn man berührt wird, da will man etwas sagen, da meint man etwas".
Die Haut ist durchsetzt mit tausenden von Sinneszellen, die den mechanischen Reiz in elektrische Impulse umsetzen und an das Gehirn melden. Ist die Berührung unerwünscht wird Stresshormon freigesetzt, empfindet man sie als angenehm, schafft sie Vertrauen. So unromantisch es klingen mag, auch "Vertrauen" hat ein biologisches Äquivalent, das Hormon Oxytocin. Oxytocin ist das Vertrauenshormon, es schafft Bindungen und positive Emotionen gegenüber Menschen.
Oxytocin, das Bindungshormon
Vertrauen ist zwar ein Begriff aus der Psychologie, doch wie alle psychischen Phaenomene hat auch er ein biologisches Äquivalent: das Oxytocin.
Taktile Reize führen bei Männern und Frauen zur Freisetzung großer Mengen von Oxytocin aus der Hypophyse. Versuche haben gezeigt, dass dieses Hormon Vertrauen in andere Menschen schafft, ohne die generelle Risikobereitschaft zu erhöhen. Es hemmt das Stresshormon Cortisol und führt so zu größerer Bereitschaft, Konflikte in Frieden zu lösen.
Oxytocin hemmt nicht nur das Stresszentrum sondern auch das Kritikzentrum im Frontalhirn, es ist also das biologische Äquivalent zur "rosaroten" Brille. Wir wussten immer schon, dass Liebe blind macht (Shakespeare), jetzt wissen wir auch warum.
Zärtlichkeiten führen also an Männern und Frauen zur Freisetzung von Oxytocin. Dies schafft Vertrauen, entstresst und lässt sogar die Schwächen des geliebten Partners in einem guten Licht erscheinen.
So einfach ist das: Berühren Sie sich!
Über den Körper die Seele berühren
http://www.annamaurer.at/ueber-den-koerper-die-seele-beruehren.html
In der IGM-Körpertherapie werden grundlegende Konzepte aus Gestalttherapie, transpersonaler Psychotherapie und Körperpsychotherapie berücksichtigt. Die Basis bilden berührende Techniken der Integrativen Gestalt Massage (IGM). Durch die erlernten Griffe und Abläufe gewinnt der oder die IGMTherapeut( in) immer mehr an Sicherheit im Körperkontakt und erlebt die langen ruhigen Berührungen nicht nur als haltgebend, sondern auch als raumlassend. Mit der Übung wächst das Einfühlungsvermögen und man lernt, tiefer zu berühren. Erlerntes und Erfahrenes fließen zusammen und verbinden sich immer mehr mit dem eigenen inneren Wissen (Intuition). Nachdem der ganze Körper berührt worden ist, wird nun in die Differenzierung gegangen. Mehr und mehr gewinnen die Hände die Freiheit dorthin zu gehen, wo es sie hinzieht. Es kann überraschend sein, welche Körperstellen sie ausfindig machen und für welche Berührungsinterventionen man sich intuitiv entscheidet.
Manchmal ruhen die Hände auch für eine Weile. Das kann am Kopf, auf dem Bauch oder an mehreren Körperstellen hintereinander sein. Der oder die IGMTherapeut(in) wird zum aufmerksamen Beobachter, nimmt wahr wie sich das Körpergewebe entspannt, ein Pulsieren spürbar wird und Veränderung passiert. Durch Berührung wird das "Körpergedächtnis" aktiviert. Sobald diese Körperstellen mit den Händen in Kontakt kommen, können Erinnerungen, die in Muskeln, Knochen, Organen oder im Gewebe gespeichert sind, abgerufen werden. Klient(inn)en werden aufgefordert, zu diesen Stellen hinzuatmen, die Spürzonen zu aktivieren und darauf zu achten, welche Gefühle und Bilder sich dazu einstellen. Dabei werden körperliche Beschwerden als Botschaften der Seele miteinbezogen. Der oder die IGMKörpertherapeut(in) massiert die entsprechende Stelle, verändert den Druck und reagiert auf den Körper. Auch die oder der Klient(in) kann unterstützend sagen, was diese Körperstelle noch brauchen könnte und berichtet, was sich verändert etwa, dass es leichter geworden ist oder sich freier anfühlt. Immer wieder unterstützen die Therapeut(inn)en ihre Klient(inn)en dabei, die eigene Aufmerksamkeit auf den inneren Körper und Empfindungsraum zu richten: einfach hinspüren und wahrnehmen, was im Augenblick passiert, ohne Bewertung oder inneren Kommentar Gefühle zuzulassen, sie nicht zu verstärken, sondern sie sein zu lassen, wie sie sich zeigen möchten. Durch die Körperinterventionen kommen Prozesse in Bewegung, kann sich innerlich etwas verdichten, das bisher zurückgenommen und verkapselt war. Lebhafte Erinnerungen können auftauchen und Verletzungen bewusst werden. Klient(inn)en berichten nach solchen Sitzungen zum Beispiel: "Ich habe meine Traurigkeit wieder gespürt, hemmungslos weinen können, fühlte mich gelöst und innerlich ruhig, hatte das Gefühl der Mittelpunkt zu sein, fühlte mich wie ein Baby im Wickelpolster..."
In der Nachbearbeitung geht es darum, Themen, Geschichten oder auch zentrale Muster herauszukristallisieren, um mit ihnen in einen erfahrungsorientierten Prozess einzutreten, in dem das ganze Spektrum der Körperlichkeit miteinbezogen wird. Sprachfindung, Körperfindung, Symbolisierung, Handlung und Sein werden zusammengeführt.
Pluralität
In der
berühmten modernen
Kirche
aus Beton und Glas,
die ich besuchte,
waren selbst die Gläubigen
aus Beton.
Aber in Stereo,
stromlinienförmig,
floss der Gottesdienst
an mir vorbei.
Nicht weit davon,
in einer
sagenhaft vergammelten
alten Kirche,
zerflossen
zwei Dutzend Kerzen
beim heiligen Antonius
vor Rührung.
Ein seltsamer Besuch
Aus: Lorenz Marti, Wie schnürt ein Mystiker seine Schuhe? Die großen Fragen und der tägliche Kleinkram. Herder Verlag Freiburg Basel Wien 2006.
Eine junge Frau klopfte an die Pforte des Predigerklosters und verlangte nach Meister Eckhart.
"Wen soll ich melden?", fragte der Pförtner.
"Ich weiß es nicht."
"Warum wisst Ihr das nicht?"
"Weil ich weder ein Mädchen bin noch ein Weib noch ein Mann noch eine Frau noch eine Witwe noch eine Jungfrau noch ein Herr noch eine Magd noch ein Knecht."
Der Pförtner schüttelte den Kopf und suchte Meister Eckhart: "Kommt und schaut den seltsamen Besuch an, der Euch zu sprechen wünscht!" Eckhart eilte zur Pforte und erkundigte sich, wer ihn zu sprechen wünsche. Und die Frau wiederholte ihre rätselhafte Antwort.
Eckhart wurde nachdenklich und bat sie um eine Erklärung. Die Frau antwortete, dass keine dieser Rollen sie im Innersten ausmache: "Von alledem bin ich keines."
Leise sagte der Meister später zu seinen Brüdern: "Jetzt habe ich den allerlautersten Menschen getroffen, der mir je begegnet ist."
Wer diese Geschichte zum ersten Mal hört, wird wohl wie der Pförtner den Kopf schütteln. Was soll das? Warum sagt die Frau nicht, wer sie ist? Wozu diese Geheimnistuerei?
Das gesellschaftliche Ritual läuft anders ab: Wer gebeten wird, sich vorzustellen, nennt zuerst seinen Namen, dann den Beruf, vielleicht das Alter oder den Wohnort. Wenn in einer Tischrunde, zum Beispiel bei einer Geburtstagsfeier, die Anwesenden vorgestellt werden, dann ebenfalls mit Name, Beruf und anderen Äußerlichkeiten mehr. Doch dies sind alles Etiketten, die schnell wieder verbleichen, abfallen oder manchmal auch abgerissen werden. Der Mensch ist mehr als ein Funktionsträger, welcher diese oder jene Rolle spielt.
Es ist wohl kein Zufall, dass in der Legende eine junge Frau so spricht. In der Symbolsprache steht die Jungfrau für einen Menschen, der frei ist von allen äußeren Bindungen. Sie ist nicht "verheiratet" mit den Rollen, die sie übernimmt, oder den Funktionen, die sie ausübt. Sie ist ledig von allen äußeren Zuschreibungen. Sie ist sie selber. Wer aber ist das? "Ich weiß es nicht."
Die junge Frau bewahrt sich gewissermaßen ihre Unschuld, indem sie sich mit keiner möglichen Definition ihrer Person identifiziert: "Von alledem bin ich keines." Alles, was du meinst, das bin ich nicht, und was ich bin, das weiß ich nicht.
Auch diese Frau könnte problemlos aufzählen, sie sei die und die und mache dies und das. Eine solche Antwort hätte der Pförtner auch erwartet. Aber sie verweigert sich solch oberflächlichen Zuschreibungen, die vielleicht gar nichts mit ihrem eigentlichen Wesen zu tun haben. Sie streift alle möglichen Etiketten ab, bis gar nichts mehr übrig bleibt, was sie über sich aussagen könnte. Sie steht gewissermaßen nackt da. Und das scheint sie nicht zu bekümmern. Sie ist frei.
Dieses Vorgehen gleicht dem eines Bildhauers, der alles wegschlägt, was nicht zum Bild gehört, um das Eigentliche hervorzuholen. Eine Schicht nach der anderen wird abgetragen. Ich bin nicht mein Name, nicht meine Körpergröße, nicht mein Beruf. Ich bin nicht meine Leistungen und nicht meine Defizite. Nicht meine Stärken und nicht meine Schwächen. Nicht meine Gesundheit und nicht meine Krankheit. "Von alledem bin ich keines." Das alles sind äußere Dinge, die vorübergehen, keinen Bestand haben und einen Menschen nicht wirklich ausmachen, auch wenn sie im Moment wichtig sein mögen.
Von dieser unbekannten Frau lerne ich, genau darauf zu achten, wie ich mich definiere: Sätze wie "Ich bin dies un das" oder "Ich bin so und so" sind gefährlich. Ich täusche da-mit die anderen ebenso wie mich selber. Ich lege mich auf ein bestimmtes Bild meiner selbst fest, das mit der Wirklichkeit meiner Person nur bedingt übereinstimmt. Denn: Ich bin nicht dies und das, ich bin nicht so und so - ich bin auch ganz anders. Nein: Ich bin. Das ist alles.
Was bleibt am Schluss? Eine heilige Mitte. Ein unteilbarer Kern. Ein Individuum, wörtlich übersetzt: Ein Unteilbares. "Individuum est ineffabile", sagt der mittelalterliche Franzis-kaner und Philosoph Wilhelm von Ockham: "Das Individuum, die Person, ist unaussagbar."
Im Innersten ist jeder Mensch ein Geheimnis. Freilich wissen es die wenigsten.