Predigtgedanken 12.08.2018
"Steh auf und iss!"
(Manfred Wussow 2018)
Elija ist in jeder Hinsicht am Ende, nicht zuletzt als Eiferer für Gott. Gott lässt ihn nicht fallen. Vierzig Tage wird er in der Wüste herumirren, bis er Gott neu findet. Ein Bild für den Menschen, der mehr braucht als Brot und Wasser. Brot vom Himmel stärkt ihn. Auch wir brauchen das Brot vom Himmel, in dem sich Jesus uns anbietet.
Himmel in der Wüste
Hat Elija lebendiges Brot gegessen? Brot vom Himmel? So ungewöhnlich die Frage, so entschieden die Antwort: natürlich. Es ist doch ein Engel, der Elija unter dem Ginster findet. Es ist doch ein Engel, der ihn wachrüttelt. Es ist doch ein Engel, der ihm Brot und Wasser hinstellt, himmlisch kredenzt!
Ein paar Schritte müssen wir zurückgehen. Elija, ein Prophet, ein unerbittlicher dazu, muss fliehen. Um sein Leben fürchten. Elija hat sich nicht nur mit der Königin angelegt und sich weit, viel zu weit aus dem Fenster gelehnt. Er hat, was schlimm genug ist und sich nur mit Ekel erzählen lässt, gegnerische Priester nach einem sog. Gottesurteil umgebracht. Eine dreistellige Zahl. Angeblich sogar mit eigener Hand. Der Prophet als Wüterich, als Gotteskrieger. Solche Figuren tauchen im Abendprogramm auf. Sie schreiben Bekennerbriefe und schmücken sich mit abgeschlagenen Köpfen. Und Elija soll einer von ihnen gewesen sein? Die frommen Nackenhaare sträuben sich. Vorsichtshalber will ich gleich mal nachschauen. Womöglich new facts, alternative facts, alternative Fakten?
In der Bibel wird das Bild Elijas nicht retuschiert. Seine Geschichte wird erzählt. Auch als Gewaltgeschichte. Nur, wenn über Gewalt geredet wird, kann sie sich nicht mehr verstecken oder versteckt werden. Für Gewalt gibt es keine Schonzeit. In unseren heiligsten Überlieferungen werden wir in Abgründe gestoßen, die sich wie ein dunkles Loch vor uns auftun. Im Namen Gottes, im Namen der Wahrheit, im Namen der Gerechtigkeit werden immer noch Morde, Hass und Gewalt gerechtfertigt. Kein Wunder, dass so mancher Krieg heiliggesprochen wird. Und der Lohn im Himmel schon verteilt wird.
Jetzt aber sehen wir Elija in der Wüste. Nach einem Tag schon ist er am Ende. Es gibt kein Zurück, es gibt nicht einmal ein Ziel. Elija will sterben. Dem großen Redner fehlen die Worte, dem Draufgänger der Mut, dem Gotteskrieger fehlt Gott.
Gott kennenlernen
Ich kann schon einmal kurz verraten, wie die Geschichte ausgehen wird. Elija muss in der Wüste Gott kennenlernen. In der Wüste! Als einen, der sich nicht mit den Attributen der Macht schmückt, sondern ganz still vorangeht. Man muss ihm, man kann ihm folgen. Aber mehr als seinen Rücken wird kein Mensch je sehen. Aber eine große Stille ist um ihn her, dem Säuseln eines Windhauches vergleichbar. Wenn die Hitze des Tages vergangen und die Sonne am Horizont untergegangen ist. Der Trotz ist weg. Die Angst ist weg. Der Hass ist weg.
Elija ist in einer tiefen Depression. Er glaubte, mit großen Gesten, großen Worten, letztlich sogar mit dem Schwert, für Gott kämpfen zu müssen. Alles Böse müsse ausgerottet werden. Es könne auch nur eine Wahrheit geben. Und klar doch, nur ein Gott. Unser! Elija weiß, was Wahrheit ist – die Menschen aber sind in seinen Augen nur noch gottlos und verworfen. Die Königin – dann auch noch aus einem fremden Land, in dem ohnehin nur die falschen Götter regieren – muss in die Schranken gewiesen werden. Es reicht auch nicht mehr, nur zu reden. Elija ist der Predigten müde. Elija will eine Eindeutigkeit herbeiführen, die ein für allemal klarstellt, wer Herr im Haus ist. Dabei benutzt er, Entschuldigung, auch Gott. Seinen Gott. Elija ist sich sogar sicher, ihn richtig zu verstehen, ihn gehört zu haben.
Elija liegt unter dem Ginster. Ein Häufchen Elend? Am Ende mit dem Latein? Was durch seinen Kopf geht, wissen wir nicht. Es erzählt uns auch keiner. Aber ein Engel nähert sich ihm. Schubst ihn an. Iss, trink! Du hast einen weiten Weg vor dir. Dieser Weg ist nicht nur in der Wüste auszumessen, im Sand, im Geröll nachzuzeichnen. Es ist der lange und beschwerliche Weg, den Elija gehen muss, um Gott, um sich kennenzulernen. Oder sagen wir gleich: Um Gott, um sich zu finden! 40 Tage und 40 Nächte wird Elija gehen (müssen), weit ab von der vertrauten, eingehegten und geordneten Welt. 40 Tage und 40 Nächte braucht Elija, noch einmal neu anzufangen. Der Prophet wird aus dem Verkehr gezogen, um Prophet zu werden. Eine spannende Entdeckungsreise! Aber heute freuen wir uns an dem Engel. Brot stellt er ihm hin. Und den Krug mit Wasser. Mehr braucht Elija nicht. Es ist die eiserne Ration, himmlisch kredenzt.
Hat Elija lebendiges Brot gegessen? Brot vom Himmel?
Brot, das vom Himmel herabkommt
Zugegeben, im 1. Buch der Könige, in der Geschichte von Elija, wird weder von lebendigem Brot noch vom Brot aus dem Himmel erzählt. Aber so ein Glücksfall! Die, die einmal die Lesungen für diesen Sonntag zusammenstellten, hatten genau den richtigen Riecher. Wenn eine Geschichte aus dem Evangelium passt, dann die von dem Brot, das vom Himmel herabkommt.
Schon in den letzten Wochen haben wir das Evangelium nach Johannes gelesen. Ein Kapitel! Das sechste.
Wissen Sie noch, wie alles angefangen hat? 5000 Männer (plus Frauen und Kinder), ein Junge, 5 Brote und 2 Fische, am Ende 12 Körbe mit Resten. Ein Brotwunder, ja, mehr noch das Wunder vom Teilen. Wer teilt, vermehrt sogar noch die Fülle! Nichts nimmt ab, nichts wird weniger. Alle werden satt. Der Evangelist hat eine Spur fein gelegt: Wir alle haben Hunger nach Leben. Nach Liebe. Überraschend vielleicht: nach Gott! Der kleine Junge, Vertreter sozusagen der Zukunft, gibt von dem Wenigen ab und wird Zeuge von Gottes Reich. Das Reich Gottes wird nämlich beschrieben als der Ort, an dem alle Menschen glücklich sind, keiner Mangel leidet, keiner durch irgendeinen Rost fällt. Darum wird ein Brotwunder erzählt, doch alle hören gelungenes Leben heraus, Liebe, die alles vollendet, Zukunft, die nicht mehr von Vergangenheit eingesperrt wird. Brot ist der Inbegriff, satt zu werden, nicht mehr kämpfen zu müssen, niemandem etwas weg zu nehmen.
Jesus selbst ist das Brot vom Himmel
Für Jesus ist das Brot dann noch viel mehr: Er versteht sich als das Brot, das vom Himmel herabkommt und uns allen Leben schenkt. Erzählen wir von ihm, erzählen wir von seinen Worten, von dem, was er tut. Und dann erzählen wir, an seinem Tisch, von der letzten Nacht, in der er verraten wurde, das Brot nahm, dankte und es brach: Das geteilte Brot bezeugt uns auch heute, dass Jesus mit uns sein Leben teilt, seine Liebe, sein Reich. Nein, wir können nicht nur Brot sehen, wenn uns die Hostie in die Hand oder auf die Zunge gelegt wird, wir sehen ihn! Wir danken ihm! Wir freuen uns an ihm. Jesus, das Brot, das vom Himmel herabkommt.
Die Menschen sind zunächst wie vor den Kopf gestoßen. Sie hören, aber sie verstehen nicht. Kennen wir nicht seine Eltern, seine Heimat, seine ersten Schritte? Einer von uns! Das steht dahinter. Das steht davor. Dass aber einer von uns Brot ist, das vom Himmel herabkommt, ist für den Evangelisten so ziemlich das Größte, was er überhaupt erzählen kann. Wir sehen darin den offenen Himmel, Gott selbst. Was das für ein Bild ist? Brot! Lebendig wie Gott. Lebendig wie die Liebe. Ein Lied müsste ich jetzt schreiben. Und singen.
Für viele Menschen ist das Leben hart und beschwerlich. Wie altes, trockenes Brot. Sie haben viel zu kauen. Und wenig zu lachen. Für viele Menschen sind alle Züge schon abgefahren. Der Speisewagen entschwand vor ihren Augen. Mit ihnen blieb die Mühsal zurück.
Für viele Menschen ist aber die Sehnsucht lebendig, das Leben zu teilen. Dabei essen wir alle zusammen das beste Brot. Das schmeckt dann wie das Brot, das Elija hingestellt bekam: „das in glühender Asche gebacken war“.
Gleich bringen wir Brot und Wein zum Altar. In einem großen Lob preisen wir den, der sein Leben mit uns teilt. Brot, das vom Himmel herabkommt. Wo der Himmel ist? Jesus sagt: „Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich gebe es hin für das Leben der Welt.“
Steh auf und iss!
Hat Elija lebendiges Brot gegessen? Brot vom Himmel? Doch! Elija lernt Gott kennen. Wie frisch gebackenes Brot, wie kühles Wasser! Alles, was er von ihm zu wissen glaubte, muss in der Wüste zurückbleiben. Ob Elija mit seiner Lebensgeschichte Frieden schließen konnte? Gott fängt mit Elija neu an. Um seinetwillen und ihm zuliebe. Viele Seiten Elijas schlummern in mir. Der Eifer, die Leidenschaft, die Aggression. Was wir brauchen? Brot. Mehr nicht? Brot, das vom Himmel kommt!
Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich!
Und der Friede Gottes,
er höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Manfred Wussow, 12.08.2018
Manfred Wussow
Einswerden in Chrisuts
(Bernhard Bossert 2018)
Jesus als Fleisch für das Leben der Welt lässt sich nur in einem mystischen Sinn verstehen. Wenn wir ihn im Sakrament der Eucharistie essen, vereinigen wir uns mit ihm. Er macht aus uns einen Leib, seinen Leib.
Mystische Vereinigung mit Christus
Die Aussage des heutigen Evangeliums gipfelt in der Verheißung: „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt“. Jesus bietet uns Nahrung an: nicht für den Leib, sondern für den inneren Menschen, die Seele. Er lädt ein, zum Leben in inniger Gemeinschaft mit ihm und dem Vater. Mehr noch: wer von dem Brot isst, das vom Himmel herabkommt, der wird in Ewigkeit leben. Er schenkt eine tiefe mystische Vereinigung, mit ihm. Ich zitiere Thomas von Aquin, dem größten Theologen des Mittelalters, in einem bekannten Hymnus:
„Gottheit tief verborgen, betend nah ich dir.
Unter diesen Zeichen bist du wahrhaft hier.
Sieh, mit ganzem Herzen schenk ich dir mich hin,
weil vor solchem Wunder ich nur Armut bin“.
Wir nähern uns vertrauend, betend dem Brot, das er gibt und das er selber ist. Er lädt uns ein, davon zu essen und eine innige Gemeinschaft mit Jesus und dem Vater zu werden.
Die Eucharistie bewirkt ein Einswerden des Gläubigen mit Jesus. Sie führt uns gnadenhaft zu ihm. Zwischen dem, der kommuniziert, und Christus geschieht nicht ein physisches Einswerden, sondern eine mystische, geistliche Umwandlung, die real ist, sodass man von einem einzigen „Leib“ sprechen kann. Der heilige Albertus Magnus sagt: „Der Größere nimmt den Kleineren auf; der Stärkere den Schwächeren:“ Papst Leo, der Große, schreibt schon im 5. Jahrhundert: Wir werden verwandelt in das, was wir schon sind, in Christus. Das II. Vatikanum meint dasselbe, in der Konstitution Lumen gentium: Wir werden verwandelt in das, was wir essen.
Eins durch und in Christus
Auf den Punkt bringt es die Katechese von Johannes Chrysostomos im 4. Jahrhundert bei seinen Taufbewerbern. In der Ostkirche wird bis heute mit der Taufe auch die Firmung und Eucharistie gespendet. Er stellt an die Taufbewerber, erwachsene Frauen und Männer drei Fragen: „Wen empfangt ihr in der hl. Kommunion, esst ihr Brot oder empfangt ihr Christus?“ Antwort: „Christus!“ „Und wer seid ihr geworden?“ Antwort: „Christus!“ „Viele Christus oder ein einziger?“ „Ein Einziger!“ Das ist die Wirklichkeit, die der Herr aus uns macht, wenn wir von seinem Fleisch und Blut essen und trinken. Wir schwache Menschen werden eins.
In der Praxis erleben das anders, wir erleben viel zu sehr die Verschiedenheit und tun uns schwer, unsere Einheit zu sehen und sie in Leben umzusetzen. Diese Einheit lässt sich nur im Geist der Fußwaschung umsetzen und das kostet, sich hinab beugen auf die Stufe des anderen, ihn liebevoll anfassen, waschen, trocknen und zu salben. Ihn spüren lassen wir wichtig und geliebt er ist.
Brot, Bild der Einheit und der Hingabe
Augustinus verwendet das Bild des Brotes: Wie die vielen Körnen, zermahlen, geknetet und gebacken ein Brot werden, so werden wir, die vielen, ein Leib. Augustinus nennt die Bedingungen: Wir müssen zermahlen werden, aus Liebe - oft reibt sich ja etwas -, geknetet werden, aus Liebe, und gebacken werden in der Hitze und Glut, die entstehen, wenn wir füreinander das Leben geben.
Einheit mit Christus leben
Konkret kann das heißen, dass wir versuchen, aus dieser von Christus gestifteten Einheit heraus zu leben. Das bedeutet praktisch, dass wir alles tun, was die Geschwisterlichkeit, das Miteinander von uns Menschen fördert. Das kann oft schwer sein: An einer anderen Stelle sagt Thomas von Aquin: „Die Eucharistie vermehrt unsere Liebe und vermindert unsere Neigungen zum Bösen. Sie bringt Trost im Leiden, Kraft in Kämpfen und Prüfungen, führt zur Heiligkeit und zum ewigen Leben.“ Dank der Eucharistie wird das Leben der Kirche zum Leben Jesu, zu einem Leben, das fähig ist, den Menschen die Liebe zu schenken. Denn es ist Jesus selbst, der sich der Gemeinschaft und jedem einzelnen mitteilt.
Pater Bernhard Bossert, 12.08.2018
Pater Bernhard Bossert

Steh auf und iss, sonst ist der Weg zu weit für dich!
(Sozialreferat der Diözese Linz 2015)
In der Stille finden Menschen Kraft und Geborgenheit. Der Prophet Elija flieht nach seinem Massaker an den Baalspriestern auf dem Berge Karmel in die Wüste, um sich vor der Königin Isebel in Sicherheit zu bringen. In der Wüste wird er mit sich selbst konfrontiert. Er geht in sich und möchte sterben. Doch der Herr lässt ihn nicht fallen. Er rettet ihn aus dem sicheren Tod und offenbart sich ihm auf dem Berge Horeb in einer Weise, die alle bisherigen Gottesvorstellungen aufhebt.
Den Grund aller Dinge sehen
Was geschieht in der Wüste? Dazu eine kleine Geschichte:
Eines Tages kamen zu einem einsamen Mönch einige Menschen. Sie fragten ihn: „Was für einen Sinn siehst du in deinem Leben der Stille und der Meditation?“ Der Mönch war mit dem Schöpfen von Wasser aus einem tiefen Brunnen beschäftigt. Er sprach zu seinen Besuchern: „Schaut in den Brunnen. Was seht ihr?“ Die Leute blickten in den tiefen Brunnen: „Wir sehen nichts!“ Nach einer kurzen Weile forderte der Mönch die Leute wieder auf. „Schaut in den Brunnen! Was seht ihr jetzt?“ Die Leute blickten hinunter: „Ja, jetzt sehen wir uns selbst!“ Der Mönch sprach: „Schaut, als ich vorhin Wasser schöpfte, war das Wasser unruhig. Jetzt ist das Wasser ruhig. Das ist die Erfahrung der Stille und der Meditation: Man sieht sich selber! Und nun wartet noch eine Weile.“ Nach einer Weile sagte der Mönch erneut: „Schaut in den Brunnen. Was seht ihr?“ Die Menschen schauten hinunter: „Nun sehen wir die Steine auf dem Grund des Brunnens.“ Der Mönch erklärte: „Das ist die Erfahrung der Stille und der Meditation. Wenn man lange genug wartet, sieht man den Grund aller Dinge.“
In der heutigen Bibelstelle finden wir Elia in der Wüste, unter einem Ginsterstrauch. Depressiv und ausgelaugt, wünscht er sich den Tod. Wie kam es zu dieser Situation? Elia hatte eine heftige Auseinandersetzung mit den Baalspriestern. Auf seinen Befehl hin richteten die Juden ein Massaker unter ihnen an. Als die Königin Isebel dies erfährt, droht sie ihm mit dem Tod. Elia flüchtet und zieht sich in die Wüste zurück. Und hier setzt unser Bibeltext ein. Elia wünscht sich den Tod, legt sich unter den Ginsterstrauch und schläft ein. In der Wüste fallen alle Ablenkungen von Elia ab. Es wird still, um ihn herum und in ihm. Er begegnet sich selbst. Am Beginn einer langen Wanderung steht die Selbsterkenntnis: „Ich bin nicht besser als meine Väter.“
Dort, wo wir uns selbst begegnen, begegnen wir auch den dunklen Seiten in uns - Zorn, Hass, Selbstmitleid, Stolz, Habgier, Neid und vieles mehr. Diese Gefühle zulassen und als Teil von uns auszuhalten, fordert heraus. Aber es ist der erste Schritt, um Gott näher zu kommen. Das erzeugt oft Angst, Niedergeschlagenheit, Erschöpfung und Depression. Im schlimmsten Falle wollen sich Menschen das Leben nehmen. Auch Elia ist am Ende seiner Kräfte. Vielleicht schämt er sich für das, was er angestiftet hat (ein Massaker an 450 Baalspriestern). Er legt sich unter einen Ginsterstrauch und will sterben. Doch Gott lässt ihn nicht fallen. Ein Engel (Gesandter Gottes) rührt ihn an: „Steh auf und iss.“ Und ein zweites Mal ruft er ihn: „Steh auf und iss, sonst ist der Weg zu weit für dich.“
Gott offenbart sich in der Stille
Gab und gibt es in unserem Leben nicht auch Zeiten der Krise, wo wir meinen ins Bodenlose zu fallen, wo wir nicht mehr ein noch aus wissen? Gott ist an unserer Seite. Die Kunst ist es, den Fingerzeig Gottes zu erkennen.
Elia verweigert sich das erste Mal, doch dann erkennt er den Ruf Gottes. Er steht auf und beginnt eine lange Wanderung. Wenn man sich vorstellt: 40 Tage und Nächte durch eine karge und menschenleere Landschaft. Herausforderungen und Ablenkungen fallen weg. Die Gedanken werden weniger. Elia wird innerlich still und leer. So wie der Mönch sein Leben in der Stille und Einsamkeit beschreibt. Die Wanderung endet am Gottesberg Horeb. Er zieht sich in eine Höhle zurück. Doch Gottes Wort ergeht an ihn und ruft ihn vor die Höhle. Hier kommt es zu einer großen Überraschung. Entgegen der Vorstellungen der damaligen Zeit, in der man Gott mit den Naturgewalten in Zusammenhang brachte (Feuer, Sturm, Erdbeben), ist Gott nicht in diesen Naturgewalten. Erst als ein sanftes leises Säuseln kommt, verhüllt Elia sein Gesicht. Und der Spruch Gottes ergeht neuerlich an ihn. Gott offenbart sich in der Stille. Je tiefer wir uns auf die Stille einlassen, desto mehr begegnen wir dem Urgrund allen Lebens.
Im Grunde ist Gott immer gegenwärtig (Mt 28, 20: Seid gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt). Wir spüren ihn nicht, wir hören ihn nicht. Ähnlich wie Elia, sind wir mit uns selbst und den Herausforderungen des Alltags beschäftigt.
Was nährt uns? Was stärkt uns? Wo können wir Gott begegnen?
Viele Menschen finden Ruhe und Entspannung in der Natur. Beim Wandern oder Pilgern über weite Strecken, beim Erklimmen eines hohen Berges, beim Staunen über eine schöne Landschaft, einen Sonnenuntergang oder einfach beim Lauschen auf Vogelstimmen und auf rauschendes Wasser begegnen sie sich selbst und dem, aus dem sie kommen. Andere entspannen bei einem intensiven Erlebnis von Musik, Tanz und/oder Kunst. Und für einige ist es Gebet oder Meditation, bei dem sie sich eingewoben in ein höheres Ganzes erleben. Ähnlich wie unser Mönch zu Beginn, begegnen sie sich selbst und erfahren immer mehr den Grund allen Seins, spüren die Nähe Gottes.
Das Eingebundensein in eine Gemeinschaft wird als stärkend erlebt. Menschen, die nicht nur das eigene Wohl, sondern auch das Wohl der anderen in den Blick nehmen, stützen und machen Mut. Solidarisch leben mit allen Menschen, auch jenen, die am Rande unserer Gesellschaft leben, bringt mehr Wärme und Verbundenheit in unser Leben.
Wo finden Sie Halt und Geborgenheit? An welchen Kraftquellen stärken Sie sich?
© Mag.a Franziska Mair, Pastoralassistentin der Caritas in oÖ.
Sozialreferat der Diözese Linz, 09.08.2015
Sozialreferat der Diözese Linz

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4020 Linz an der Donau
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Von Gott gehalten
(Renate Witzani 2015)
An der Lebensgeschichte des Propheten Elija sehen wir, dass Gott mit uns durch Höhepunkte und Krisen des Lebens geht und uns trägt. Um jedoch von Gott gehalten werden zu können, ist es notwendig, dass wir an ihm festhalten.
Der Prophet Elija
In der ersten Lesung wird heute eine Episode aus dem Leben des Propheten Elija geschildert. Und Elija gilt als ein ganz besonderer Prophet. Er lebte im 9. Jahrhundert v. Chr., also noch in der Zeit vor dem Exil. Im Nordreich nimmt sich König Ahab keine Israelitin zur Frau, sondern eine Phönizierin. Für uns heute erscheint das nicht als etwas Besonderes, aber Israel war von JHWH aufgetragen worden, sich nicht mit den anderen Völkern zu vermischen und nur ihn allein zu verehren. Diese Alleinverehrung JHWH’s war der Beginn aller monotheistischer Religionen und hebt eben die Israeliten von seinen Nachbarvölkern ab. Und das war auch das Problem: Isebel, die Frau des israelitischen Königs, verehrte den Gott Baal und brachte auch seinen Kult mit. Und es war damals nicht anders als heute: Viele Israeliten waren nicht fest in ihrem Glauben verankert und fielen von JHWH ab und verehrten ebenfalls Baal und brachten ihm Opfer dar. So etablierten sich die Baalspriester und ihre Religion in Israel.
In dieser Zeit sandte Gott Elija, einen Mann aus Tischbe, um sein Volk wieder zum einzig richtigen Glauben zurückzuführen. Seine Lebensstationen sind Ihnen sicher aus den verschiedenen Lesungen bekannt und ich will Sie Ihnen nur im Zusammenhang in Erinnerung rufen, damit wir die heutige Lesung verstehen können. Da gibt es die Begegnung mit der Witwe aus Sarepta, die während der großen Hungersnot das Stück Gebäck, das sie mit ihren letzten Vorräten an Öl und Mehl bäckt, mit dem Propheten teilt. Als Lohn dafür lässt JHWH ihren Vorrat an Öl nicht ausgehen, aber ihr Sohn stirbt. Elija kann seinen Gott nicht verstehen, dass er solches Leid dieser Frau beschert, und hadert mit Gott solange bis er ihm die Kraft gibt, ihren Sohn wieder zum Leben zu erwecken.
Mit Feuer und Schwert für JHWH
Die bestehende Hungersnot ist für die Israeliten aussichtslos, da kein Regen fällt und auch keine kommende Ernte zu erwarten ist. Elija, der stets die Israeliten zum wahren Glauben an JHWH zurückführen und von Baal abbringen will, schlägt eine Opferhandlung an zwei Altären vor. Je ein Stier soll zerteilt werden und als Opfer an je einem Altar angerichtet werden und welcher Gott, durch das Entzünden des Feuers zeigt, dass er das Opfer annimmt, ist der wahre Gott. JHWH nimmt das Opfer Elijas an und die Baalspropheten sind die Blamierten. In seinem menschlichen Übereifer lässt Elija daraufhin eine große Schar der Baalspropheten hinrichten. Das ist eine jener Stellen im AT, die wir mit unseren heutigen moralischen Maßstäben nicht verstehen können. Und doch ist uns ein solches Handeln gerade in unserer Zeit nicht wirklich fremd.
Nur ein Beispiel der vergangenen Woche: Radikale israelitische Siedler schleichen sich um 2 Uhr nachts in ein palästinensisches Dorf und werfen Brandsätze in zwei Häuser, in denen Familien schlafen. Sie sprühen vorher noch ein Graffiti auf die Wand mit einem Davidstern und dem Spruch: „Lang lebe der König Messiah!“ Schwer verletzt kann der palästinensische Vater seine Frau und den 4-jährigen Sohn Ahmad retten, sein 1 ½ jähriger Sohn Ali verbrennt in den Flammen. Daraufhin erklärt die Hamas: „Jeder Israeli sei nun ein legitimes Ziel geworden.“ So dreht sich die Spirale der Gewalt immer weiter.
Aber das alles passiert nicht nur tausende Kilometer von uns entfernt. Ich erinnere nur an die Hasspostings gegen Flüchtlinge bei uns. Und sind wir ehrlich Hass und Rachegelüste sind auch in unserem engeren Lebensraum nicht gar so fremd. Wir sind alle versucht, über das Ziel hinauszuschießen und nicht sachlich und ruhig Konflikte anzusprechen und auszutragen, sondern emotional über zu reagieren. Wir wünschen einander Frieden und denken oft zu wenig daran, dass er im eigenen Haus anfangen muss.
Rückzug in die Depression
Nach diesem Vorfall geht es Elija auch nicht wirklich gut. Er beweist zwar noch in der Heraufbeschwörung von Regen und damit dem Ende der Hungersnot die ihm von JHWH verliehene Macht, aber er selbst zieht sich ausgebrannt und deprimiert unter den Ginsterstrauch zurück, wie wir es heute in der Lesung gehört haben. Er meint, jetzt ist alles aus, für ihn selbst geht es jetzt nicht mehr weiter. Aber sein Gott, JHWH, ist auch weiter an seiner Seite. Er schickt ihm Boten, Engeln, die ihn für eine neue Gotteserfahrung stärken.
Gerade jetzt in dieser Situation, wo Elija an sich zweifelt und sein eigenes Leben genauso bedroht ist wie das der Baalspropheten, die er umbringen ließ, führt ihn Gott auf den Berg Horeb. Dort erweist er sich als der ganz andere Gott als der JHWH, den Elija zu kennen meinte. Elija erwartet die Gotteserscheinung am Berg Horeb im Sturm, im Erdbeben und dann im Feuer, das er dort erlebt. Aber Gott begegnet ihm in einem leisen Säuseln. Er, der sein ganzes Leben in den Dienst JHWH’s gestellt hat und gemeint hat, seinen Gott zu kennen, erfährt, dass JHWH die Machtbeweise von Sturm, Erdbeben und Feuer nicht braucht. Elija, der in den Stunden tiefster Verzweiflung JHWH’s Hilfe annehmen konnte, ist und bleibt offen für seine Beziehung zu Gott.
Das Ende dieses Gottesmannes ist ebenso außergewöhnlich wie sein Leben. Nachdem Gott seinen Nachfolger berufen hat, stirbt Elija keinen gewöhnlichen Tod, sondern wird in einem Wagen mit feurigen Pferden in den Himmel entrückt.
Sich an Gott festhalten
Was können wir uns aus dieser Lesung heute mitnehmen? Tiefste Verzweiflung an uns selbst und den anderen, den Lebensumständen, in denen wir uns selbst oft ungewollt, vielleicht auch unverschuldet wieder finden, ist uns bekannt. Sich in das eigene Schicksal einfügen oder darüber mit Gott hadern, das ist alles okay. Denn auch hadern können wir mit ihm nur, wenn wir an seine persönliche Gegenwart in unserem Leben glauben.
Und diesen Glauben gilt es unter allen Umständen zu bewahren, denn nur, wenn wir wie Elija auch in den tiefsten Stunden von Angst und Verzweiflung offen bleiben für ihn, kann er sich auch in unserem Leben als der ganz andere, der viel größere Gott erweisen. Wenn wir uns von ihm abwenden, geht das nicht. Dann wird es erst wirklich dunkel in uns. Es braucht in den Stunden der Glaubenszweifel nicht mehr als das, was Petrus einmal im Johannesevangelium zu Jesus auf die Frage gesagt hat: „Wollt auch ihr gehen? - Herr, zu wem sollten wir gehen?“
Mag. theol. Dr. med. Renate Witzani, 09.08.2015
Mag. theol. Dr. med. Renate Witzani

Sehnsucht nach ewigem Leben
(Hans Hütter 2012)
missverstanden
Auf meine bisher einzige Primizpredigt erhielt ich vor Jahren ein geteiltes Echo. Die einen bedankten sich und lobten meine Worte, einer unserer Theologiestudenten jedoch meinte: die Theologie war ein wenig "hausbacken". Dieses Wort traf mich, da ich mich in meinem Bemühen schwierige theologische Zusammenhänge mit Worten, Vergleichen und Beispielen, die auch theologisch nicht versierte Zuhörer aufnehmen können, verständlich zu machen, missverstanden fühlte. Eine tragfähige Brücke zwischen dem konkreten Leben und der Theologie herzustellen, ist für mich eine der schwierigsten seelsorglichen Aufgaben.
Im Evangelium hörten wir einen Abschnitt aus den Auseinandersetzungen Jesu mit seinen Zuhörern nach der Brotvermehrung. Mit diesem Wunder wollte Jesus ein Zeichen setzen, das verständlich machen sollte, was er mit all seinem Reden und Tun bewirken wollte. Mit sichtbaren und be-greifbaren Zeichen versuchte er den Menschen nahe bringen, dass es im Leben noch um eine ganz andere Nahrung geht als um Brot für den nächsten Tag. Eine Nahrung, von der man für immer satt wird; eine Nahrung, die auf den Himmel verweist. Ihm geht es nicht darum, jedermann/ jeder Frau bekannte Bedürfnisse zu stillen und damit Menschen für sich zu gewinnen. Das wäre zu vordergründig. Er will ewiges Leben bringen.
Eine Rede vom ewigen Leben findet aber kaum Gehör bei Menschen, denen der Magen knurrt oder denen es an anderen lebenswichtigen Dingen mangelt. Sie ist auch jenen nur schwer einsichtig zu machen, die satt sind. Wozu lange über Gott nachdenken, wenn alles glatt läuft? Und außerdem: wer ist er schon, der da vom Himmel, von Gott und vom ewigen Leben redet? Sie kennen ihn als gewöhnlichen Menschen samt seiner Verwandtschaft und Herkunft. Was kann der ihnen von Gott und vom ewigen Leben erzählen?
Die Schwierigkeit von Gott zu reden
Die Schwierigkeit von Gott zu reden, begegnet uns auch heute auf Schritt und Tritt. Wer braucht ihn heute noch? Die Wissenschaft kommt gut ohne ihn zurecht. Und es lebt sich bequemer, wenn man sich über Gott nicht allzu viele Gedanken macht. Und die, die berufsmäßig Gott zur Sprache bringen, wir kennen sie nur allzu gut. Sie sind nicht frei von vordergründigen Interessen. Pfarrer müssen ja so reden. Sie leben ja davon. Und mit ihren moralischen Vorzügen ist es manchmal auch nicht weit her.
Was bleibt, ist die Sehnsucht nach mehr Leben, nach ewigem Leben. Wobei wir ewig nicht mit endlos gleichsetzen dürfen. Ewig meint unendlich auch dem Inhalt nach: vollwertig, gehaltvoll, nachhaltig, intensiv...
Jesus verspricht, dass er diese Sehnsucht stillen kann und stillen will. Daran scheiden sich erst recht die Geister. Wer kann das glauben? Ganz ähnlich erging es einige Jahre später dem Apostel Paulus in Athen, der Hauptstadt der Denker und Philosophen. Als er von der Auferstehung zu predigen beginnt, gibt man ihm höflich zu verstehen: Darüber erzähl uns ein andermal...
Genauso schwierig ist es, den Menschen heute die Frohe Botschaft von ewigem Leben nahe zu bringen: Die einen können sich nicht vorstellen, dass es noch mehr an Leben geben kann, als sie ohnehin schon haben. Andere beschränken sich auf das Sichtbare, das naturwissenschaftlich Feststellbare. Wieder andere interessiert vor allem das menschlich Machbare. Wie schaffen wir es, dass wir mit unseren gegenwärtigen Möglichkeiten die Probleme der Menschen lösen, ihren Hunger mildern und einigermaßen gerechte Verhältnisse schaffen?
Es bleibt die Sehnsucht
Was bleibt, ist die Sehnsucht einiger, dass es doch noch mehr geben könnte, als ihnen zur Verfügung steht. Nicht zufällig sind das auch heute noch die Hungrigen und die, die sich nach Gerechtigkeit und Frieden sehnen. Die, die spüren, dass so vieles, was wir haben, nicht satt macht.
Damit die Botschaft Jesu bei uns auf fruchtbaren Boden fallen kann, braucht es über die Sehnsucht hinaus noch ein Zweites: Die Vorstellungskraft, dass es neben unserer Welt der Fakten, Tatsachen und Naturgesetze noch genügend Spielraum für eine noch ganz andere, für uns Menschen derzeit noch unvorstellbare Wirklichkeit gibt.
Beides wünsche ich mir und Ihnen: die Sehnsucht nach einer gerechteren Welt, in der alle in einem umfassenden Sinn satt werden, und die geistige Weite und Offenheit, dass noch vieles möglich ist, was wir uns heute noch nicht vorstellen können.
Mag. theol. Pater Hans Hütter, 12.08.2012
Mag. theol. Pater Hans Hütter

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Ist Gott noch mein Gott?
(Bruno Primetshofer 2012)
Ein Prophet am Ende
Die erste Lesung schildert uns eine schwierige Situation im Leben des Propheten Elia. Er ist am Ende nicht nur seiner Weisheit, sondern fühlt sich trotz seiner an ihn ergangenen Berufung als Gottes Prophet dennoch in einem Zustand der völligen (Gott)verlassenheit. Es sei genug, so sagt er gleichsam vorwurfsvoll zu Gott, der nicht mehr der seine zu sein scheint. Er hat sich ganz für die Sache Gottes eingesetzt, nun aber scheint dieser Gott ihn nicht zu kennen, und er selbst stellt sich die bange Frage, ob Gott noch der seinige ist. Er will gar nicht mehr weiterleben, er ist seiner "so müde geworden" und fühlt sich völlig "am Vergehen" (Worte auf einem Relief des Dichters Heinrich Suso Waldeck an der Außenfassade der Kirche Maria am Gestade, Wien).
Elia will nichts als schlafen, er will die abgründige Traurigkeit seines Lebens nicht spüren, weil ihm auch jede Hoffnung erloschen zu sein scheint. Und die stirbt ja bekanntlich zuletzt. Das einzige, worum er den fernen Gott noch bittet ist, dass sein Leben zu Ende gehen möge.
Der entglittene Gott
Das Psalmwort "Du hast mich im Mutterleib gewoben, immer hältst du mich in deinen Händen (Ps 138, 13), hat zwar bleibende Gültigkeit, d.h. Gott lässt keinen aus seiner Hand fallen, dennoch aber gibt es Situationen, in denen ein Mensch Gott nicht mehr "wahr"nehmen kann, wo ihm der Blick auf Gott verstellt, Gott ihm gleichsam entglitten ist. Der Mensch ist des Wartens auf Gott müde geworden, er bringt diesem Gott gegenüber kein Wort mehr heraus, er ist sprachlos geworden. Vielleicht hat Ingeborg Bachmann diesen Zustand angesprochen, wenn sie schreibt "In die Mulde meiner Stummheit leg ein Wort".
Das Herz des Menschen verfällt in jene "Torheit", von der der Psalmist sagt: "Der Törichte sagt, es gibt keinen Gott" (Ps 14,1). - Der nicht mehr nur Zweifelnde, sondern der schon Verzweifelte sagt: Das ist nicht (mehr) mein Gott, ich habe einen ganz anderen erlebt und erfahren, aber der hat mich verlassen, vielleicht ist er sogar tot! Wer aber das erlebt, dem stellt sich die Frage, ob ihm nicht nur Gott, sondern ob er zuerst sich selbst entglitten, vor sich selbst davongelaufen ist. Das ist offenbar dem Bischof und Kirchenlehrer Augustinus widerfahren, wenn er, auf Irr- und Umwege in seinem Leben zurückblickend, zu Gott spricht: "Und wo war ich selbst, als ich dich suchte? Du standest vor mir, ich aber war mir selbst entlaufen und fand mich selber nicht, umso weniger dich!" (Confessiones 5,2,2).
Solche Grenzerfahrungen, eine solche "Nacht der Seele" haben viele Menschen, auch Heilige, erleben müssen. Ja, und wie ist eigentlich im Tiefsten das Wort Jesu am Kreuz zu verstehen, in dem das Bewusstsein unbedingter Zugehörigkeit zu seinem Gott und das Empfinden unendlichen Gottverlassenseins miteinander ringen? "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mt 27,46). - Das ist freilich das Zitat eines Psalmwortes (Ps 22,1), aber es kommt darin doch ein höchsteigener Seelenzustand dessen zum Ausdruck, der es gesprochen hat, nämlich der am Kreuz hängende Gottessohn!
Unscheinbare Zeichen
Der der Wüste schlafende Prophet Elia schenkt dem Boten, dem Engel, der ihm Brot und Wasser bringt, zunächst keine große Beachtung. Er isst und trinkt zwar, legt sich aber zusammen mit seinem Groll wieder hin und will nichts als weiterschlafen. Aber es ist offenbar ein Schlaf ohne Träume. Elia meint, er habe nichts mehr zu träumen, vielleicht könnten wir sagen, er lässt Träume gar nicht mehr aufkommen. Vielleicht hat er auch erwartet, dass der Engel etwas näher auf die Situation des Propheten eingeht, dass er sich mit dem Grund von dessen Traurigkeit beschäftigt. Aber vielleicht sind diese einfachen Zeichen von Zuwendung, nämlich Wasser und Brot und die Aufforderung, sich auf einen Weg zu machen, schon Therapie.
Der Engel lässt dem Schlafenden keine Ruhe: Elia solle aufstehen, sich auf einen Weg machen, von dem Elia aber nicht weiß, wohin er schlussendlich führen werde. Trotzdem steht er auf und wandert 40 Tage und Nächte bis zum Gottesberg Horeb. Dort sieht er sich Ereignissen gegenübergestellt, die er zunächst nicht deuten kann. Beim Gottesberg erheben sich ein gewaltiger Sturm, dann ein Erdbeben und schließlich ein Feuer. Aber hinter all diesen Erscheinungen ist Gott nicht, sondern im sanften, leisen Säuseln eines Windes. Inzwischen hat Elia gelernt, auf unscheinbare Töne, ja Zwischentöne zu achten - nur so kann er Gott finden und damit auch sich selbst. Er hat verstanden, dass Gott nicht ein Gott der Lauten und Ungestümen ist, sondern ein Gott der Leisen, Behutsamen und Lauschenden.
Pater em. Univ.-Prof. Dr. theol. Bruno Primetshofer, 12.08.2012
Pater em. Univ.-Prof. Dr. theol. Bruno Primetshofer

Der Schatz der Kirche sind die Armen
(Sozialreferat der Diözese Linz 2012)
Der Diakon Laurentius
Als Diakon von Rom (+ 258) war Laurentius in Vertretung des Papstes für die Verwaltung des örtlichen Kirchenvermögens zuständig. Nachdem der römische Kaiser Valerian Papst Sixtus hatte enthaupten lassen, wurde Laurentius aufgefordert, alles Eigentum der Kirche innerhalb von drei Tagen herauszugeben. Daraufhin verteilte Laurentius das Vermögen an die Armen, versammelte alle Armen und Kranken und präsentierte sie als den wahren Schatz der Kirche dem Kaiser. Dieser ließ Laurentius deswegen mehrfach foltern und dann durch Grillen qualvoll hinrichten.
Die Botschaft des Hl.Laurentius: "Der Schatz der Kirche sind die Armen" hat ihre Gültigkeit nicht verloren. Diese Botschaft, mit der er sein Leben bezahlt hat, macht mich immer wieder neu betroffen.
Eine Kirche der Armen
Wir feiern in diesem Jahr das Konzilsjubiläum, daher möchte ich auf eine Begebenheit auf dem letzten Konzil hinweisen, die von großer Bedeutung ist: Auf dem 2. Vatikanischem Konzil kam es zu einer größeren Auseinandersetzung unter den Konzilsvätern. Bei der Ausarbeitung der Konstitution über die Kirche machte Kardinal Lercaro geltend, es müsse auch ein Kapitel über die Armut der Kirche eingefügt werden, denn die Armut gehöre zum Mysterium Jesu und der Erlösung, darum ebenso zum Wesen der Kirche. Acht Tage lang diskutierte man über die Armut der Kirche und die Kirche der Armen, doch in wesentlichen Fragen wurde keine Übereinstimmung erzielt. Da sagte Mercier, der Bischof der Sahara, etwa folgendes:
"Der Heilige Geist, der uns bei unseren bisherigen Beratungen nicht im Stich ließ, erteilt uns eine wichtige Lektion: Eine Wahrheit, die man nicht gelebt hat, kann man nicht genügend klar erkennen, um sie vollmächtig und verbindlich auszusagen. Die Kirche hat Jahrhunderte lang die Armut nicht gelebt, darum finden wir jetzt den Text nicht, der sie enthielte. Was ist zu tun? Wir Bischöfe werden von diesem Konzil ab die Armut in der Nachfolge Jesu erst einmal wieder leben müssen, dann werden wir auf dem nächsten Konzil das entsprechende Kapitel in die 'Konstitution der Kirche' nachtragen können."
Auch ich möchte für meine Person in aller Demut bekennen, dass ich auch eher zu denen gehöre, "die das Gelübde der Armut abgelegt haben und es nicht mehr finden".
Der heilige Laurentius und Konzilsväter wie Mercier möchten uns ermutigen den Schatz der Kirche zu suchen, so wie Jesus, der die Armen aufgesucht hat. Mercier weist auf eine wichtige Grundwahrheit christlichen Glaubens hin. Nur wenn die Kirche die Option für die Armen auch lebt, kann das christliche Zeugnis klar erkannt und glaubwürdig verkündet werden.
Nun möchte ich ein wenig die Schatzkiste der Kirche öffnen. Was können wir von den Armen lernen?
Die Armen lehren uns, kreativ zu sein!
Beim letzten Besuch in Tanzania habe ich im Dorf Igota keinen einzigen Lederfußball gesehen, obwohl immer wieder Fußball gespielt wurde. In einen Plastiksack werden Stofffetzen eingefüllt, diese werden mit Schnüren zusammengebunden und schon ist der Fußball fertig. Da keiner Fußballschuhe besitzt, wird eben von allen barfuß gespielt.
Die Armen lehren uns, Geduld zu üben!
Die Minibusse in Mosambik heißen Chapa. Anders als bei uns muss der Fahrpreis erst am Ende der Fahrt bezahlt werden. Es könnte ja sein, dass das Benzin ausgeht, dass der Bus eine Panne hat, oder er sich verfährt. Dann hat man bezahlt, ohne am Ziel zu sein. Und das kann jeden Tag passieren. Eine Entwicklungshelferin erzählt: Öfter als einmal ist der Bus zur Tankstelle gefahren. Einmal hatte der Bus auf einer Überlandfahrt eine Panne. Alle mussten aussteigen und auf einen anderen Bus warten. Ein Freund musste einmal sogar in einer Chapa übernachten, weil er mit der letzten unterwegs war, diese eine Panne hatte und in der Dunkelheit nicht repariert werden konnte.
Die Armen lehren uns, das Positive zu sehen.
Momentan arbeite ich gerade von der Caritas aus zusammen mit mehreren sozialen Einrichtungen beim Projekt "barrierefrei" mit. Wir versuchen Geschäftsleute und Einrichtungen zu ermutigen, barrierefreie Maßnahmen bis zur Landesausstellung durchzuführen. Wir werben dafür: Die Blinden nicht zu übersehen! Die Gehörlosen nicht zu überhören! Und die mobil Beeinträchtigten nicht zu übergehen (RollstuhlfahrerInnen, Mütter mit Kinderwägen, SeniorInnen mit Gehhilfsmittel...). Bei den Begehungen wird Herr Ernst M. vom ÖZIV im elektrischen Rollstuhl manchmal gefragt, ob es denn nicht anstrengend sei im Rollstuhl zu sitzen. Worauf er scherzend jedes Mal antwortet: "Nein, ich habe im Gegenteil zu ihnen mein Taxi immer dabei!"
Es gibt noch viele Schätze in der Schatzkiste der Armen zu entdecken. Ich lade sie ein, so wie der Hl. Laurentius den Schatz der Kirche die Armen zu suchen und wünsche ihnen die Gnade von den Armen zu lernen.
© Franz Wenigwieser OFM
Sozialreferat der Diözese Linz, 12.08.2012
Kraft zum Weitergehen
(Norbert Riebartsch 2009)
Wie Champagner
In seinem Buch: "Ich bin dann mal weg" beschreibt Hape Kerkeling den Besuch mit einem anderen Pilger in der Bar von Virgen de Camino. Ruco Urco bestellt sich ein Glas Leitungswasser "und trinkt es wie Champagner". Später begegnen sich die beiden wieder in Rabanal de Camino. Dort weiß Ruco Urco auch Rotwein zu schätzen. Er ist kein Asket, aber er kann aus einem einfachen Glas Wasser einen Moment entstehen lassen, der in Hape Kerkeling viele Gedanken ins Rollen gebracht hat
Brot
Die Erfahrung mit der Kraft einer einfachen Speise wird in der Bibel erzählt. Sie steht in der 1. Lesung dieses Sonntags. Elija hat diese Erfahrung gemacht. Er war erfahren in vielen Dingen. Das hatte ihn überheblich gemacht. Er musste fliehen und wurde depressiv. Er wollte nicht mehr Prophet sein und nicht mehr leben. Dann erlebt er, wie ein einfaches Zeichen ihm neuen Lebensmut schenkt: "Ein Engel rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Als er um sich blickte, sah er neben seinem Kopf Brot, das in glühender Asche gebacken war, und einen Krug mit Wasser. Er aß und trank und legte sich wieder hin". (1 Kön 19,5f)
Diese Szene wiederholt sich. Gott will nicht nur einen Zustand erhalten. Er will Veränderung zum Guten. So rafft sich Elija nach dem zweiten Besuch des Engels auf.
Er geht zum Horeb, den Berg, an dem Mose von Gott die Bundesgebote bekam. Diesmal war es Elija, der am Horeb einer Begegnung mit Gott hatte. Sie stellte Elija innerlich neu auf die Füße. Nach dieser Begegnung half Elija anderen Menschen, Gottes Spur in ihrem Leben zu entdecken. Seine eigene Erfahrung half ihm in diesem Dienst.
Aber hätte es die Begegnung in der Wüste nicht gegeben, was dann? Hätte Elija nicht tief innen genau gewusst, dass Gott ihn berühren will, was dann? Dann wäre es nicht zur Begegnung an der Höhle gekommen. Und Elija wäre nicht der Wegbereiter für Gott geworden, als den wir ihn kennen.
Erfahrungen wie die von Elija sind sehr wichtig. Wer daran glauben kann, dass Gott mit Liebe da ist, kann für sich darauf hoffen. Wer einmal weiß, dass er sich auf Gott verlassen kann, tut sich auch in dunklen Zeiten leichter.
Begegnung
Menschen erzählen davon, dass ein Fremder, der bei ihnen einen Moment stehen blieb, ihnen neuen Mut und Auftrieb gegeben hat. Sie erzählen, wie befreiend es war, als jemand mit ehrlichem Herzen fragte: "Wie geht es dir?"
Autofahrer erzählen, dass der Tag für sie anders ist, wenn sie jemand an der Einmündung in eine Lücke gewinkt hat.
Mir ist lange in Erinnerung geblieben, dass ich bei einer Wanderung zwei gefüllte Hände mit Kirschen angeboten bekam.
Oder das eiskalte Wasser mit echtem Zitronensaft, das mir ein Fremder serviert hat. Im Trinken ist ein Gespräch entstanden. Das Gespräch endete darin, dass wir uns Gotteserfahrungen berichtet haben. Ich konnte über seine Erfahrung staunen. Und ich konnte dankbar feststellen, dass es doch schon etliche Erfahrungen waren, die ich gemacht hatte. Der Mann war für mich in seiner Geste und in der Begegnung das geworden, was Elija im Engel gefunden hatte.
Kraft zum Weitergehen
Der Engel, der Sie berühren will, hat vielleicht kein Wasser und kein Brot. Aber er wird wissen, was Sie brauchen, um zu merken: Gott gibt mir mehr. Er wird wissen, wie seine Berührung aussehen kann, dass Sie nicht zurückschrecken. Er wird wissen, wie in der Berührung neuer Mut entstehen kann. Und er wird etwas haben, das ähnlich war wie das Wasser für Elija.
Die Handlungen des Engels kennen wir aus dem Evangelium. Er berührte die Kranken und Leidenden. Er gab ihnen, was sie brauchten. Je dunkler es um die Menschen war, desto eher konnten sie es annehmen. Ihnen und den anderen hat Jesus gesagt: "Ich bin das lebendige Brot." Das haben wir als Evangelium gehört.
Viele konnten es nicht annehmen. Sie murrten gegen den Anspruch Jesu, in ihm Gott zu begegnen. Das bedeutet Begegnung mit dem Leben. Es ging um nicht mehr und nicht weniger.
Deshalb erwartete Jesus von den Menschen eine Entscheidung. "Glaubt Ihr, dass ich lebendiges Brot und Zusage des Vaters bin? Dann lasst euch auf mich ein!"
Auch wir sind aufgefordert, zu entscheiden. Vielleicht haben wir es schon getan. Dann aber geht es darum, daraus zu leben. Auch in der nächsten Woche.
Pater Norbert Riebartsch, 09.08.2009
Pater Norbert Riebartsch

Hugstetter Str. 55, Pforte Medizin
79106 Freiburg
E-Mail: pater.norbert@uniklinik-freiburg.de
Ahmt Gott nach!
(Klemens Nodewald 2009)
Die Lesung des heutigen Sonntags ist dem Brief entnommen, den Paulus an die Epheser schrieb.
Mit einem Brief kann man viele Absichten verfolgen:
- eine Nachricht übermitteln
- Verbindungen aufrecht erhalten
- Glückwünsche aussprechen
- Sich bedanken. . .
Beim Epheser-Brief scheint mir die Absicht des Apostels Paulus darin zu liegen, an etwas erinnern zu wollen, das dem Apostel sehr wichtig erscheint und am Herzen liegt.
Paulus hatte auf seinen Missionsreisen Gemeinden aufgebaut, die er ganz auf Christus ausrichtete. Hin und wieder kamen Paulus jedoch Nachrichten aus den Gemeinden zu Ohren, die ihn erkennen ließen: Er gibt auch Rückschritte in den Gemeinden, Ermüdungserscheinungen im Glauben, Fehlverhalten. Dem will der Apostel durch seine Briefe entgegen wirken, indem er die Gläubigen neu an das erinnert, was sie von Gott und seinem Sohn Jesus erfahren haben, nämlich: Gott hat sich durch das Verhalten und Versagen der Menschen niemals verbittern lassen.
Bitterkeit verhärtet
Bitterkeit ist in den Augen des Paulus der Urgrund, aus dem sich Wut und Zorn entwickeln. Bitterkeit verhärtet und macht blind. Sie lässt das Negative beim anderen übergroß erscheinen. Versöhnung wird immer schwieriger, je tiefer die Verbitterung in einem Menschen um sich greift. Von einem verbitterten Menschen geht kein Wohlwollen mehr aus, kein sich Einfühlen in den anderen, kein Verständnis für seine Schwächen. Einem Verbitterten fehlt innere Gelassenheit. Gespräche arten zu Schreiereien aus. Der Boden der Sachlichkeit wird verlassen. Lediglich Vorwürfe und Anklage bleiben.
Güte, Erbarmen, Liebe, Barmherzigkeit
Vor diesem Hintergrund erinnert Paulus an Gott und sein barmherziges Verhalten den Menschen gegenüber. Weil Gott in seiner Liebe Verbitterung nicht zulässt, darum kann er den Menschen gütig begegnen, darum kann er verzeihen. Im Verhalten Jesu können wir dies erkennen. Er gibt den Menschen, wonach sie hungern und dürsten: Güte, Erbarmen, Liebe, Barmherzigkeit. Diese Haltung ist es, die ein menschliches bis frohes und glückliches Miteinander ermöglicht.
Ahmt Gott nach, ist der Vorschlag des Paulus an die Epheser. Wenn der Apostel diesen Satz schreibt und ausspricht, dann denkt er sicher zuerst an sich selbst. Als Saulus hat er Wut und Zorn in seinen Christenverfolgungen gelebt. Unglück und Leid waren das einzige, das er damit zu den Menschen brachte. Gott aber reagiert nicht verbittert, sondern lässt den Apostel sein ganzes Erbarmen erfahren.
Gütiges Handeln, Milde, hat die Chance, Menschen zu verwandeln; Verbitterung dagegen bekehrt oder verändert niemanden.
Ein zweiter Jesus?
Wenn Paulus zur Nachahmung Gottes und Jesu aufruft, dann weiß er, dass wir immer hinter beiden weit zurück bleiben. Wir werden niemals ein zweiter Jesus. Aber wo wir die christlichen Grundtugenden - Güte, Barmherzigkeit, Vergebung, Liebe - verinnerlichen, dort nehmen wir die Grundstruktur des Wesens Gottes und seines Sohnes in uns auf. Wie bei Jesus werden Heil und Segen von uns ausgehen. Trost und Ermutigung werden Menschen durch uns erfahren.
Und wo diese Grundstruktur der Barmherzigkeit und Güte in uns ist, werden wir innerlich wachsen. Die Liebe macht uns erfinderisch. Sie belebt und beflügelt unseren Geist und unsere Phantasie. Wir werden Persönlichkeiten, die über das Nachahmen hinaus Akzente setzen, die einmalig sind. Wir sind dann Nachahmer Gottes, Nachahmer Jesu, aber mit einem ganz eigenen, persönlichen Gepräge.
Das Siegel des Heiligen Geistes
Damit die Gläubigen - durch Versagen vielleicht oft über sich selbst enttäuscht und entmutigt - im Streben nach dem Guten nicht nachlassen, erinnert Paulus an die Quelle, die von Innen her Kraft verleiht: der hl. Geist. Er wird uns Menschen von Gott geschenkt: Nicht einmal, sondern als ständige Gabe. Paulus drückt dies aus mit dem Bild des Siegels.
Siegel wurden im Altertum und im Orient gebraucht, um das Eigentum oder die Zugehörigkeit zu kennzeichnen. Könige und Herrscher, aber auch Vornehme und Reiche besaßen Siegel.
Im religiösen Bereich trug man Siegelzeichen des Gottes, zu dem man sich bekannte. Für die Juden war die Beschneidung eine Art Siegelzeichen, mit dem sie sich zu Jahwe bekannten. Die Christen trugen und tragen als Siegel den Stempel des hl. Geistes. Durch ihn werden wir nicht so sehr Eigentum Gottes im Sinne von Besitz, sondern Mitglieder der Gemeinschaft, die sich zu dem Gott bekennt, den Jesus verkündete. Der Hl. Geist will uns jene Kraft gewähren, die uns fähig macht, Gott und Jesus nachzuahmen.
Dieses Siegel des hl. Geistes gilt es, lebendig in uns zu erhalten und nicht zu beschädigen. Bitterkeit, Wut, Zorn wirken ätzend. Sie verwischen das lebendige Siegel des hl. Geistes, radieren es unter Umständen völlig aus. Sich der Barmherzigkeit und Liebe Gottes und Jesu zu erinnern und in der Nachahmung selbst ein Mensch der Milde zu werden und zu sein verstärkt dagegen das Siegel des Christen.
Paulus ist sicher manchmal durch die Nachrichten, die ihm zu Ohren kommen, über die Gläubigen seiner Gemeinde enttäuscht, wie wir über Menschen enttäuscht sind, in die wir viel Liebe und Kraft investiert haben. In diesen Situationen wird er reflektiert haben, wie wenig Verbitterung weiter hilft. Sie schafft nur Gräben und Streit. Dies zu bedenken, möchte er uns ans Herz legen, damit wir ohne lange Umwege den Pfad der Barmherzigkeit und Versöhnung beschreiten und durch unsere Liebe Heil in die Welt bringen wie Jesus mit seiner Liebe und Güte.
Pater Klemens Nodewald, 09.08.2009
Pater Klemens Nodewald

Anmerkung der Redaktion: Leider gestattet uns der Echter Verlag keine Zitate aus Büchern, die im Echter Verlag erschienen sind, auch nicht aus Büchern von P. Klemens Nodewald.
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