Predigtgedanken 09.12.2018
09. Dez `18
2. Adventsonntag
(C)
Worauf warten wir noch?
(Johannes-Michael Bögge 2018)
Die Zeit, in der Johannes der Täufer aufgetreten ist, kann in mancher Hinsicht mit unserer Zeit verglichen werden. Damals wie heute haben einfache Menschen die Sehnsucht, sich an Gott auszurichten, aufzuräumen und neue, gerade Wege zu gehen.
Abseits der Politik der Großen
Johannes der Täufer, von dem der heutige Bibeltext spricht, lebt zurückgezogen in der Wüste, in der Einsamkeit. Hier ergeht das Wort Gottes an ihn. Ja, mehr noch, es er erreicht sein Ohr. Es lässt ihn aufbrechen, zu neuen Ufern, an den Jordan. Viele Menschen, so hören wir an anderer Stelle in den Evangelien, kommen zu ihm, um seine Botschaft zu hören und sich aufrütteln zu lassen. Und sie lassen sich von ihm taufen zur Vergebung ihrer Sünden. Hier am Jordan tritt er auf und erfüllt die Weissagung des Propheten Jesaja, indem er sagt: „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden. Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt.“
Spannend ist in meinen Augen, dass es viele kleine Menschen zu sein scheinen, welche erkennen, dass sich hier etwas Großes ankündigt und dass dieser Johannes endlich wieder ein von Gott gesandter Prophet ist. Sie fühlen, dass Gott in Johannes die Geschichte des Volkes nun weiterschreibt.
Ein wenig ist die damalige Situation auch ein Spiegelbild dessen, was in der Gegenwart geschieht: Es sind die scheinbar Großen in der Politik und in der Wirtschaft, welche glauben, die Abläufe zu bestimmen, aber die wirklich entscheidenden Ereignisse und Bewegungen scheinen sie nicht mehr in der Hand zu haben. Immer öfter stoßen sie an ihre Grenzen, scheinbar festgefügte Macht zerbröselt in der Hand der einst so Mächtigen.
Mut aufzuräumen
Auch damals war die Welt voller Unruhe, voller Unsicherheit, was die Zukunft bringen würde. Ein einzelner Mann wie Johannes der Täufer hatte die Kraft, die Menschen aufzurütteln, und eine nicht unbeträchtliche Volksmenge ließ sich auf diesen Weg bringen. Damals konnte niemand wissen, auch nicht Johannes, wohin das alles führen würde.
Auch wir wissen heute nicht, was die Zukunft bringt. Aber wir wissen in Unterschied zu den Leuten damals, dass der Erlöser und Heiland tatsächlich gekommen ist. Und wir sollten uns angesprochen fühlen durch die Botschaft des Johannes, diesem Einzigen, der alle Not und alle Ärgernisse in Gesellschaft und Kirche wenden kann. Angesprochen, dem Herrn den Weg zu bereiten. Wir können nicht wissen, was die Zukunft bringt und wohin uns der Weg führen wird. Aber wir sollten uns nicht einschüchtern lassen von den Problemen, die es zu bewältigen gibt.
Wir sollten den Mut haben, Fehler der Vergangenheit, und hier spreche ich ganz besonders auch den Missbrauchskandal in der katholischen Kirche an, nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten auszuräumen, damit ein Neuanfang, möglich ist. Wir sollten dem Herrn den Weg bereiten, indem wir unser Leben wieder stärker an ihm und seinem Wort ausrichten, damit seine Botschaft Raum findet in dieser dunklen Zeit.
Gerade Wege
Wenn es gelingt, krumm gewordene Wege wieder zu geraden Wegen werden zu lassen und alle Unebenheiten und Verwerfungen zu beseitigen, dann kann das wahr werden, was uns Johannes prophezeit hat: Die Menschen werden wieder das Heil sehen, das von Gott kommt. - Worauf warten wir noch?
Johannes-Michael Bögge, 09.12.2018
Johannes-Michael Bögge
Bereitet dem Herrn den Weg!
(Manfred Wussow 2015)
Die Wüste, in der Johannes der Täufer predigt, wird zum Symbol für Orte, wo man nicht leben kann. Und gerade in dieser Wüste wird neues Leben von Gott her verheißen. Dies gibt uns Hoffnung, ein neues Aufblühen des Lebens zu erwarten.
Folie für eine große Geschichte
Das ist die große Geschichte! Kaiser Tiberius, Pontius Pilatus, Herodes, Philippus. Die fühlen sich wie die Herren der Welt. - Bescheidener kommen Hannas und Kajaphas aus ihren Ecken – Hohepriester. Beschränkter Machtbereich – Geistliche sozusagen. Wenn auch mit Ambitionen! Gott gefühlt besonders nahe. Mit Einfluss natürlich auch…
Na ja, die große Geschichte – wer kennt schon ihre Namen, ihre Geschichten, ihre Taten – oder Untaten? Allerdings gibt sich Lukas, der die Geschichte erzählt, nicht die geringste Mühe, diesen Herren – Damen sind nicht darunter – zu hofieren. Sie dürfen Folie spielen – Folie für die – noch größere Geschichte. Aber das wissen die noch nicht. Vielleicht hätten sie es wissen sollen! Dann wären die Geschichten von Kaiser Tiberius, Pontius Pilatus, Herodes, Philippus, Hannas und Kajaphas nicht mit Blutspuren besudelt, nicht mit Mord und Totschlag, nicht mit Angst und Schrecken. Übrigens: diese Herren werden uns auch im neuen Kirchenjahr immer wieder begegnen. Manchmal mit anderen, mit modernen Namen.
Rede in der Wüste
Während sie an ihrer Geschichte feilen und an ihrem Nachruhm, tritt Johannes, der Sohn des Priesters Zacharias, in der Wüste auf. Er predigt Umkehr, er predigt die Taufe zur Vergebung der Sünden, er predigt einen neuen Anfang. Nicht aus eigenem Drang! Lukas, der wunderschön zu erzählen versteht, führt seine Worte direkt auf Gott zurück. Es ergeht sein Wort an ihn. Die Formulierung ist so rätselhaft nicht, wie sie sich anhört. Wenn Gott redet, verwandelt er die Welt. Sie kann nicht so bleiben, wie sie ist. Im Psalm (33) heißt es sogar: Wenn er redet, geschieht es. Es geschieht, was er sagt! Wenn er sagt, „es werde Licht“, dann wird Licht, wenn er sagt „Deine Sünden sind dir vergeben“, dann sind sie vergeben, wenn er sagt, „kehrt um“, dann kehrt sich alles um, auch ich. Dass das in der Wüste gesagt wird, ist auch nicht zufällig. Die Wüste wird zu blühen beginnen! Das Evangelium ist ein Wider-Wort, ein Gegen-Wort gegen alles Tote, Vertrocknete und Versandete.
In der Wüste entspringt neues Leben. Betont! Da, wo eigentlich alles öde, vertrocknet, versteinert ist, öffnen sich die Quellen! Ich kenne Menschen, die lieben die Wüste. Die Einsamkeit. Die Weite. Die Nächte. Aber die Wüste steht auch für verlorenes, gefährliches, gefährdetes Leben. Die Einsamkeit ist nicht auszuhalten, die Weite auch nicht. Und die Nacht wird zu einem Alptraum. So merkwürdig es klingt: ein Herz kann versteppen, die Gedanken können verwehen, die Hoffnungen versanden. Menschen fühlen sich dann einsam und verlassen. Alles wird leblos, erstarrt. Selbst die erleuchteten Innenstädte in der Weihnachtszeit sind dann kein Lichtblick.
Wenn wir dann weiter sehen, stoßen wir tatsächlich auf Wüsten, die wachsen. Menschlicher Lebensraum wird unwirtlich und unfruchtbar. Die Schreckensszenarien werden in diesen Tagen wieder öffentlich gemacht. Das Meer frisst Land und die Erde versteppt. Wieder einmal wird in Paris über das Klima geredet. Wird es Vereinbarungen geben, die weltweit gelten? Oder werden wieder umfangreiche Formelkompromisse nichts sagen? Aber die Menschen, die nicht mehr leben können, werden Flüchtlinge…
Und auch das hat mit Wüste zu tun: Menschen fliehen vor Krieg und Gewalt. Landschaften, die einst blühten, sind von Waffen verwundet, von Ruinen übersät, von Hoffnungslosigkeit gezeichnet und doch gleichzeitig Spielbälle in der Hand der Mächtigen, die ihr eigenes Spiel spielen. Die Wahrheit weint über die Lügen. Doch viele Menschen verstummen.
Wüsten. Ich kann nicht einmal alles sagen, was sich in meinem Kopf bei diesem Wort zusammenbraut. Sand im Getriebe, Sand im Herzen...
Und dann die Predigt: „Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden.
Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt.“
Geebnete Wege
Johannes, dem wir gerade zuhören, hat seine Predigt abgeschrieben. Das ist kein Skandal, eher ein richtig gutes Zeichen. Was er sagt, hat vor ihm schon ein anderer gesagt. Die Predigt hat Geschichte, die Predigt schreibt Geschichte.
Als das Volk Israel im babylonischen Exil war, war das Leben selbst in der Hochkultur Wüste. Nur Wüste! Obwohl eigentlich alles bestens war: Große Literaturen, imposante Bauwerke, Prachtstraßen so weit das Auge reichte. Für ein Volk, das in der Verbannung war, also Flucht und Vertreibung kannte, schien Gott selbst verloren gegangen zu sein. Spurlos. Sein Tempel war in Schutt und Asche gelegt worden, die Stadtmauern niedergerissen, die Menschen verbannt. Jerusalem, die Heilige Stadt ein Schandfleck. Jetzt wächst Unkraut, wo einst die Felder bestellt wurden. Niemandsland. Öde. Trauer.
Damals trat ein Prophet auf, Jesaja. Er kündete eine neue Zeit an. Aufbruch. Gott hält sich nicht an den alten Geschichten auf. Auch nicht an den Schuldgeschichten. Gott liebt den neuen Anfang. Er liebt die Menschen. Er geht mit ihnen mit. Darum kommt er auch zu ihnen, bricht selbst auf! Der Prophet gibt tatsächlich zu verstehen, dass Gott aus seiner eigenen Geschichte mit den Menschen lernt! Davon erzählt Johannes lange danach. Das muss auch immer wieder erzählt werden. Das muss ich heute erzählen!
Ich höre eine Stimme. In der Wüste. Ich höre. Dann sehe ich einen Weg. Einen geebneten Weg. Meine Füße können gehen. Meine Hoffnungen lernen Laufen. Aber die größte Überraschung ist, dass a l l e Menschen das Heil sehen, das von Gott kommt. Schalom. Frieden.
Es ist nur die Rede in der Wüste, die einen neuen Weg eröffnet! Das Wort bekommt Macht, sogar Wüsten zu verwandeln. Kaiser Tiberius, Pontius Pilatus, Herodes, Philippus, Hannas und Kajaphas werden zu Zeugen einer neuen Geschichte gemacht. Ungewollt. Schon fast unter der Hand. Sie hätten es wissen können. Sie hätten wissen können, dass es so nicht weitergeht. Nicht einmal mit ihnen.
Ich kenne viele Wüsten. Auch viel Verwüstetes. Ich möchte rufen: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt.“
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
Manfred Wussow, 06.12.2015
Manfred Wussow
Wegbereiter der Barmherzigkeit Gottes
(Bernhard Bossert 2015)
Johannes der Täufer hat mit seinem Ruf zur Umkehr und seiner Taufe zur Vergebung der Sünden dem Messias den Weg bereitet. Dieser überbietet ihn noch mit seiner Botschaft von der Barmherzigkeit. Gott geht auf uns Menschen zu, weil er uns unendlich liebt. Die Heiligen des Advents bereiten uns mit ihrem Lebensbeispiel auf das Kommen des Messias vor.
Der Wegbereiter
Johannes der Täufer ist der Bote, der Herold des kommenden Herrn. Der Evangelist Lukas hält seinen Auftritt für so wichtig, dass er ihn in den großen Rahmen der Weltgeschichte einordnet. Das fängt ganz oben beim Kaiser an, geht über die einzelnen Landesherren, die Statthalter, und die kleineren Fürsten. An diesem geschichtsträchtigen Zeitpunkt zog der Täufer in die Gegend am Jordan und verkündigte dort überall Umkehr und die Taufe zur Vergebung der Sünden. So erfüllte sich, was im Buch der Reden des Propheten Jesaja steht: Eine Stimme ruft in der Wüste: „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken.“
Die Taufe zur Vergebung der Sünden und der Eingliederung in Christus haben wir empfangen in unserer Taufe, doch die ständige Umkehr, die Johannes betont, bleibt einladende Aufgabe.
Gott tut den ersten Schritt
Die Adventslieder und -texte reden nicht vom fordernden Gott, sondern vom barmherzigen Retter, Helfer und Befreier, der den ersten Schritt macht auf uns zu. Unsere Antwort ist gefragt: Jeder Berg soll abgetragen und jede Schlucht ausgefüllt werden. – Wollen wir drangehen?
Vor ein paar Tagen erreichte ich telefonisch einen Freund, den ich schon drei Jahre nicht mehr gesprochen hatte. Der Freund hatte als junger Pater einen schweren Verkehrsunfall, durch den er seitdem querschnittgelähmt ist. Er kann nicht mehr gehen. Ich weiß, dass er jahrzehntelang körperlich und seelisch einen nicht leichten Weg mit Gott gegangen ist und nun durch seine Haltung viel Mut vermitteln kann. Er sagte mir am Ende des Telefonats: „Vergiss es nicht, Gott liebt dich unendlich!“ Ich hörte den Satz nicht als Floskel, sondern als Gnadenwort. Es berührte mich und leuchtete in mir auf: inmitten meiner jetzigen Lebenssituation, mit meinen Stärken und Fehlern: Gott liebt mich unendlich! Tiefe Freue quoll in mir auf. An dieses Wort möchte ich mich gerne halten im Leben und im Tod.
Gott liebt Dich unendlich, vergiss das nie! Es ist mein Adventsvorsatz: ich spreche mir den Satz oft vor, will ihn einsickern lassen und daraus mit neuer Gegenliebe zu Gott und dem Nächsten handeln. Ich weiß: Dann baut die Liebe ebene Straßen inmitten mancher Hindernisse und inmitten unübersteigbarer Schluchten.
Nicht Gericht, sondern Barmherzigkeit
Johannes sprach viel vom strengen Gericht Gottes. Jesus hat das umgemünzt in seine barmherzige Geste gegen Sünder und daneben Geratene. Der hl. Pfarrer von Ars, betonte wiederholt: Es gibt Menschen, die sagen: “Ich habe zu viel Böses getan, der gute Gott kann mir nicht verzeihen”. Das ist eine große Beleidigung. Dadurch setzt man der Barmherzigkeit Gottes eine Grenze, die sie nicht hat. Sie ist grenzenlos. Unsere Fehler sind Staubkörner vor dem Gebirge der Barmherzigkeit Gottes. Dieser barmherzige Gott treibt uns auch zur Versöhnung mit dem Nächsten, zu Güte und Verständnis.
Heute feiern wir St. Nikolaus, den Bischof der Armen, der uns die Erfahrung zuruft: Wer verschenkt, dem verdoppelt der Herr die Gabe, die zurückkommt. Am 4. Dezember gedachten wir des seligen Adolf Kolping, der alles dransetzte, um jungen mittellosen Männern Heimat und Berufsausbildung zu ermöglichen, damit sie eine Familie gründen können.
Umkehren – der Alltag lädt uns in vielen Situationen ein, in neuer Liebe aufzubrechen.
Pater Bernhard Bossert, 06.12.2015
Pater Bernhard Bossert

„Menschen haben Rechte! Wir alle sind ein „Abbild Gottes".
(Sozialreferat der Diözese Linz 2015)
Sozialpredigt zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2015.
Als Christen wissen wir uns als Abbilder Gottes geschaffen. Dies gibt uns eine Würde, die wir als Basis für das Anerkennen und Eintreten für die Menschenrechte betrachten können. Sich dieser Würde bewusst zu werden, ist auch eine Herausforderung des Advents. Dies kann uns die Kraft geben, sich die vielen Defizite im Zugestehen dieser Rechte in Erinnerung zu rufen und selbst für die Rechte aller Menschen einzutreten.
Tag der Menschenrechte
Am 10. Dezember begeht die Welt alljährlich den „Tag der Menschenrechte“. Damit wird an die „Allgemeine Deklaration der Menschenrechte“ erinnert, die am 10. Dezember 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Die Menschenrechtserklärung besteht aus 30 Artikeln und enthält grundlegende Ansichten über die Rechte, die jedem Menschen zustehen, „ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“
Beschlossen wurde die Deklaration der Menschenrechte drei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach dem größten militärischen Konflikt der Menschheitsgeschichte mit 60 bis 70 Millionen Toten war es offensichtlich ein Gebot der Stunde, festzuhalten, dass ALLE Menschen unverbrüchliche Rechte haben. Das Einhalten der Menschenrechte soll zu „Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt“ beitragen. Die Deklaration enthält so grundlegende Rechte wie das „Recht auf Leben“ oder den „Schutz vor Diskriminierung“, aber auch soziale Rechte wie das „Recht auf Arbeit“ oder das „Recht auf Erholung“.
Der Mensch, Abbild Gottes
Für uns als ChristInnen sollte es selbstverständlich sein, dass alle Menschen unverbrüchliche Rechte haben; denn schon in der Schöpfungsgeschichte steht, dass Gott die Menschen nach seinem Abbild schuf (Gen 1,26). Das bedeutet nichts anderes: Sie, ich und alle Menschen dieser Erde sind ein „Abbild Gottes“; oder anders ausgedrückt: In jedem Menschen steckt etwas Göttliches. In der aktuellen Enzyklika „Laudato Si“ zitiert Papst Franziskus seinen Vorgänger Benedikt XVI. mit den Worten: „Wir wurden im Herzen Gottes „entworfen“, und darum gilt: „Jeder von uns ist Frucht eines Gedanken Gottes. Jeder ist gewollt, jeder ist geliebt, jeder ist gebraucht.““ (aus: Papst Franziskus: Laudato Si) Das bedeutet auch: Wir sind als Menschen nicht nur die passiven Träger von Rechten, sondern es wird uns als Kinder Gottes verheißen, dass wir „das Leben haben und es in Fülle leben.“ (Joh 10,10).
Menschenrechtsdefizite
Wenn von Menschenrechten die Rede ist, so werden wir häufig daran erinnert, dass grundlegende Menschenrechte heute für viele Menschen noch immer nicht gelten: Menschen werden wegen ihrer politischen oder religiösen Meinung verfolgt. Menschen müssen unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten. Kriege und Diktaturen machen ein menschenwürdiges Leben unmöglich. Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international, Christian Solidarity International oder Pax Christi erinnern uns immer wieder daran.
Weil diese Länder meist weit weg sind, ist der Einsatz für Menschenrechte oft etwas abstrakt: „Ja, leider gibt es auf der Welt noch so viel Unrecht“, denken wir dann: „Ja, die Welt sollte ein besserer Ort sein, aber was kann man denn selbst tun?“ Und vielleicht auch: „Ja, über die Rechte von anderen machen wir uns Sorgen, aber was ist mit meinem Recht auf ein erfülltes Leben? Wer nimmt meine Nöte und Ängste wahr?“ Denn vermutlich kennen auch Sie die Sehnsucht nach einem Leben in Fülle. Vermutlich kennen auch Sie die Sehnsucht, von ganzem Herzen gewollt, geliebt und gebraucht zu sein: Vielleicht fragen Sie sich auch: „Wenn ich ein „Abbild Gottes“ bin, wenn ich etwas Göttliches in mir trage, müsste ich mich dann nicht oft freier, besser, glücklicher fühlen?“
Denn vermutlich kennen Sie nicht nur die Sehnsucht, sondern auch die Sachzwänge, Ängste und Nöte, die unser Leben häufig bedrücken: Sie müssen in der Arbeit funktionieren. Sie müssen familiäre und private Verpflichtungen erfüllen. Sie müssen gesellschaftlichen Standards gerecht werden. Und dann sollten Sie vielleicht auch noch christliche Nächstenliebe üben: sich für Menschenrechte einsetzen, sich um Flüchtlinge und fremde Menschen kümmern.
"Der Himmel ist in dir"
Der Tag der Menschenrechte kann für uns Christinnen eine zweifache Erinnerung sein: Erstens: dass wir - weil wir Mensch sind - das Recht auf Leben, ja auf ein erfülltes Leben haben. Wir tragen als „Abbild Gottes“ etwas Göttliches in uns: Das erscheint uns manchmal unglaublich, aber es ist so. Es bedarf wohl der Stille und dem Ruhig-Werden, dass wir gut in Kontakt mit dem göttlichen Funken in uns gelangen. Der Mystiker Angelus Silesius hat schon im 17. Jahrhundert geschrieben: „Halt an, wo läufst du hin? Der Himmel ist in dir.“ In diesem Sinne lade ich Sie ein, sich in der sogenannten „stillsten Zeit des Jahres“ Zeit für sich selbst zu nehmen: Einmal am Tag ein paar Minuten, vielleicht eine viertel oder halbe Stunde innezuhalten und in Kontakt mit dem Göttlichen in Ihnen zu kommen. Freilich ist das nicht so einfach, vermutlich werden Sie dabei auch auf Ängste und Sehnsüchte stoßen, aber tief drinnen in Ihnen ist das „Abbild Gottes“ zu entdecken. Damit können Sie in Kontakt kommen, wenn Sie innehalten. Daran glauben wir als ChristInnen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Sie diese Innenschau nicht nur für sich selbst machen. Ja, ich glaube, dass wir uns letztlich nur dann in christlicher Nächstenliebe üben können, wenn wir Frieden in uns selbst gefunden haben. Nur wenn wir immer wieder mit unserem göttlichen Funken in Berührung kommen, kann unser Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung authentisch und nachhaltig sein.
Auf dem Weg zu einem Leben in Fülle
Zweitens erinnert der Tag der Menschenrechte daran, dass wir in gesellschaftlichen Systemzusammenhängen leben, die häufig von anderen Prioritäten als jenen der Menschenrechte bestimmt sind: Geld, Macht und materieller Wohlstand dominieren unsere Welt. Die Interessen von Kapital, Wirtschaft und Militär gelten oft viel mehr als die Rechte von einzelnen Menschen: sowohl in unserem Land, als global gesehen.
Als ChristInnen haben wir auch den Auftrag, uns im Rahmen unserer Möglichkeiten in die Welt einzubringen. Das kann ein nettes Wort sein. Das kann der Besuch bei Menschen sein, die sich allein fühlen. Das kann der konkrete Einsatz für sozial Schwache oder Flüchtlinge sein.
Es kann aber auch bedeuten, dass wir uns im weitesten Sinn politisch einbringen: Wir könnten uns gestärkt durch den Zuspruch Gottes dafür einsetzen, dass die politischen Systeme so verändert werden, dass die Menschenrechte aller Menschen eingehalten werden. Das ist zugegebener Weise noch ein langer Weg, aber als Christinnen sind wir aufgerufen, alle Menschen als „Abbild Gottes“ zu betrachten und uns daher dafür einsetzen, dass alle Menschen „das Leben haben und es in Fülle leben.“ (Joh 10,10).
© Mag. Markus Pühringer, Referent für die Friedensorganisation Pax Christi
Sozialreferat der Diözese Linz, 06.12.2015
Sozialreferat der Diözese Linz

Kapuzinerstr. 84
4020 Linz an der Donau
E-Mail: sozialreferat@dioezese-linz.at
Das Bewusstsein der Menschenwürde gibt uns Kraft
(Renate Witzani 2015)
Dank moderner Technik fühlen wir uns über viele Hindernisse erhaben. Es gibt aber vieles, was uns hindert, ein zufriedenes und erfülltes Leben zu führen. Durch die Taufe sind wir der Dunkelheit und dem Tod entrissen. Dieses Bewusstsein gibt uns Kraft, die Hindernisse, die uns von einander trennen, zu überwinden.
Hindernisse
Uns allen ist der Bibelspruch sehr geläufig: „Senken sollen sich alle hohen Berge und die ewigen Hügel und heben sollen sich die Täler zu ebenen Land“. Heute haben wir diese Worte in der ersten Lesung aus dem Buch Baruch gehört, ähnlich schreibt der Prophet Jesaja und auch Lukas beweist mit diesen Worten die Erfüllung der alttestamentlichen Prophetien.
Für unsere heutigen Architekten und Landschaftsplaner stellen Berge und Täler kein unüberwindbares technisches Problem mehr dar. Denken Sie nur an die Europabrücke oder den Semmeringbasistunnel oder ähnliche Beispiele. Alles ist mit mehr oder weniger großem Aufwand machbar. - Alles ? Wirklich alles ?
Gibt es in unserem persönlichen Leben nicht immer wieder Berge und Täler in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen, die zu überwinden nahezu unüberbrückbare Hindernisse darstellen? Gibt es nicht auch in unserem individuellen Leben als endliche und verletzliche Menschen trotz medizinischer Fortschritte und dem heute vielfach gepflegten Jugendlichkeitswahn Hindernisse auf dem Weg, die sich nicht wegräumen lassen? Oder stehen wir nicht auch immer wieder vor Unüberwindlichem, wenn von uns als von Christus Erlöste und in der Taufe von Gott als Kinder Angenommene, freie Entscheidungen gefordert werden, und wir aber den leichteren, den gangbareren Weg wählen und nicht der im Inneren erkannten Wahrheit folgen, sondern nirgends anecken wollen. Vor lauter „Rück-sichten“ lavieren wir uns so durch, dass wir den Rücken frei haben, keinen Angriff von außen fürchten müssen. Wie oft vergessen wir als freie und aufrechte Menschen zu leben?
An Leib und Seele bedroht
Wenn uns Lukas das Auftreten des Johannes in der Wüste schildert, dann soll das das Volk Israel und damit auch uns heutige Leser an die Wüstenerfahrung des Volkes nach der Befreiung aus Ägypten und die Gotteserfahrungen, die sie dabei gesammelt haben, erinnern. An eine Zeit, in der sie sich nicht in der Sicherheit der nächsten Ernte auf ihren Feldern wiegen konnten. Damals waren sie auf das Manna angewiesen, das ihnen Gott täglich zukommen ließ. Wüstenerfahrung ist immer auch mit der Vorstellung von Orientierungslosigkeit, Ausgesetztheit, Unsicherheit von Wetter, Nahrung und Wasser, mit Einsamkeit und dem Fehlen menschlicher Gemeinschaft und Unterstützung verbunden. Eine Bedrohung an Leib und Seele schlechthin.
An Leib und Seele bedroht sind wir im übertragenen Sinn auch hier in unserem gesicherten und abgesicherten europäischem Leben. Nicht nur die vielen Asylanten und die vom islamistischen Terror bedrohten Menschen in Paris, Brüssel und Tunis erfahren ihre Verletzlichkeit auf allen möglichen Ebenen, auch wir selbst sind jeder als Mensch zutiefst verletzlich und stets dem Tod ausgesetzt. Gegen diese Endlichkeit und Verletzlichkeit allen menschlichen Lebens ist kein Kraut gewachsen. Das erfahren wir selbst immer wieder, wenn einer unserer Lieben stirbt oder wenn uns plötzlich und unerwartet eine Krankheit trifft. Dann erst denken wir daran, wie kostbar doch jeder Augenblick ist, den wir in der Begegnung mit anderen erfahren dürfen. Da beginnen wir meist erst den Wert und die Würde des Lebens, des eigenen und des anderen zu schätzen.
Menschenwürde trotz Verletzlichkeit
In der Verletzlichkeit und Endlichkeit eröffnet sich ein Raum der Größe und Bedeutung jedes Lebens. In dem Bewusstsein der Endlichkeit und Verletzlichkeit jedes Menschen liegt seine Würde begründet. Eine Würde, die es bei jeder Begegnung zu wahren gilt und gegen die wir alle sooft fehlen.
Im Buch Genesis, heißt es (Gen 1,26): „Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich.“ Traditionsgemäß wird diese Bibelstelle, die von der Gottähnlichkeit des Menschen spricht, immer mit der Begründung der Menschenwürde in Zusammenhang gebracht. Ähnlich ist nicht gleich. Nur Gott hat keinen Beginn und kein Ende. Der Mensch ist, was sein irdisches Leben anbelangt, endlich; seine Seele, so glauben wir, hat einen Beginn, stirbt aber nicht, sondern lebt weiter.
Eingetaucht in die Not des Todes
In wenigen Tagen feiern wir die Menschwerdung Gottes. Auch Jesus hat in seiner menschlichen Natur Leid, Schmerz und Tod erfahren. In der Taufe stirbt symbolhaft auch in uns der alte Mensch und wird in Christus neu geboren. In der Ostkirche ist dieses Symbol des Sterbens weit deutlicher ausgedrückt als bei unserem Taufritus. Dort wird das nackte Baby, dem der Priester mit einer Hand die Nase zuhält und sie schützend vor den Mund hält, zur Gänze im angewärmten Wasser untergetaucht. Der Mensch wird gleichsam dem Tod ausgesetzt und erhält in der Taufgnade neues Leben. Das ist die Antwort unseres christlichen Glaubens auf die Verletzlichkeit und Endlichkeit des Menschen. Das heißt Erlösung.
Vielleicht erinnert uns die Dunkelheit dieser Adventtage bis zur Wintersonnenwende und dem darauffolgenden Weihnachtsfest mit der Fülle von Licht an die dunklen Seiten menschlichen Lebens. Vielleicht fällt uns das eine oder andere Mal in der Begegnung mit anderen ein, wie verletzlich und endlich wir doch alle gemeinsam sind, wie kostbar jeder Augenblick ist, den wir miteinander verbringen dürfen. Vielleicht ist es gerade das Bewusstsein dieser Würde, die uns allen eigen ist, die eine Brücke über den Graben baut, der sich zwischen dem Ich und dem Du aufgetan hat. Dieses Bewusstsein gibt uns die Kraft durch die Berge von Missverständnissen und Verletzungen hindurch den Weg vom Ich zum Du zu finden. So wird Gott Mensch in unserem realen Leben und nicht nur am 25. Dezember unter dem Christbaum.
Mag. theol. Dr. med. Renate Witzani, 06.12.2015
Mag. theol. Dr. med. Renate Witzani

Zeit der Gottesbegegnung
(Hans Hütter 2012)
Saubermänner und -frauen gesucht
Eine österreichische Tageszeitung veröffentlichte in diesen Tagen einen internationalen Korruptionsindex. Im Vergleich zu anderen Staaten stehen wir nicht gut da. Eine Reihe von Schmiergeldprozessen, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss brachten viel Unangenehmes zutage…
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis politische Saubermänner auftreten und die Trockenlegung dieser Sümpfe verlangen. Leider hatten die Saubermänner der Vergangenheit nicht immer eine saubere Weste. Manche entpuppten sich als Populisten, die das Land noch weiter in den Sumpf hineinführten.
Auf den Ruf nach Transparenz folgten Reformen, die noch genügend Schlupflöcher für unsaubere Machenschaften offen ließen.
Ohne Ethik und Moral funktioniert menschliches Zusammenleben nicht. Ist es Zufall, dass die Parteien sich über einen verbindlichen Ethikunterricht nicht einigen können?
Antike Saubermänner
Unter den antiken Götter- und Heldensagen gibt es eine Erzählung von Herkules, der sich bereit erklärte, den Stall des Augias auszumisten. Dort hatte sich so viel Dreck angesammelt, dass er zum Himmel stank. Herkules hat zwei Flüsse umgeleitet, die den Stall zur Überraschung seines Auftraggebers an nur 1 Tage reinigten.
Eine Geschichte, über die sich gut sinnieren lässt, wie wir Menschen mit unserem Mist umgehen und dass es manchmal der Urkräfte der Natur bedarf, um dieser Not Herr zu werden.
Wir verfügen heute in den zivilisierten Ländern über ausgeklügelte Strategien, wie wir den Müll, den wir produzieren, umweltgerecht loswerden können. Verfügen wir auch über Strategien, wie wir unseren geistigen und seelischen Müll menschengerecht entsorgen können?
Auch da braucht es zunächst eine Mülltrennung. Nicht alles ist Müll, was wir nicht mehr brauchen. Nicht alles ist wertvoll, was der menschliche Geist produziert. Was wollen wir wie lange und wo aufbewahren?
In unserem Zusammenleben entsteht auch seelischer Müll. "Wo gehobelt wird, da fliegen Späne", heißt es. Wie entsorgen wir unseren seelischen Müll? Warten wir einfach, bis er verrottet und machen einen großen Bogen herum, weil er zum Himmel stinkt?
Ein biblischer Saubermann
Im Evangelium hörten wir vom Auftreten des Johannes des Täufers in der Gegend am Jordan. Er predigte Umkehr und unterstrich seine Forderung mit dem symbolischen Akt der Taufe. Er ließ alle, die seinem Aufruf Gehör schenkten, im Wasser untertauchen und so den seelischen Schmutz symbolisch abwaschen und ein neues Leben beginnen.
Johannes steht ganz in der Tradition der Propheten, die immer wieder die Umkehr des Volkes und ihrer Anführer gefordert haben. Wir hörten davon in der ersten Lesung. Die Umkehr soll dem herbeigesehnten Messias den Weg bereiten.
Säuberungszeiten
In der kirchlichen Tradition sind Advent und Fastenzeit, aber auch Wallfahrten Zeiten der Umkehr und Reinigung; Zeiten, in denen wir uns für das Müllproblem unseres geistigen und seelischen Lebens Zeit nehmen.
Nicht alles ist Müll, was sich in unserem Leben angesammelt hat. Manches braucht vielleicht nur abgestaubt, poliert und neu aufgestellt zu werden. Anderes ist zu entsorgen. Manch einer ist versucht, seinen Müll unter den Teppich zu kehren oder anderen unterzujubeln; vielleicht gar in Nachbars Garten. Das Hin- und herschieben unseres seelischen Mülls nach dem Motto "du bist schuld", ist keine dauerhafte Lösung. Von einer Studenten-WG wurde mir einmal erzählt, dass sie sich nicht einigen konnten, wer die Wohnung aufräumen und reinigen sollte. Als ihnen der Dreck zu viel wurde, seien sie alle zusammen ausgezogen…
Es ist ein gutes Gefühl, wenn die Wohnung frisch gereinigt ist. Gemeinsames Großreinemachen kann in einer Paarbeziehung oder in der Familie sogar zu einem Erlebnis werden, das verbindet. Auch einer Pfarr- oder Kirchengemeinde tut von Zeit zu Zeit ein gemeinsames Saubermachen gut. Wenn so etwas gar in einem Staatswesen gelänge, wäre dies ein gewaltiger Schub für ein sich darin Wohlfühlen und vermutlich auch ein wirksames Mittel gegen Politikverdrossenheit.
Das Mittel, das Herkules angewandt hat, sehe ich eher als eine Warnung. Wo wir nichts unternehmen, um unseren Mist loszuwerden, wird einmal der Strom des Lebens alles mitreißen, auch das Wertvolle und Gute. In der Politik besorgen das die Wählerströme, die das gewohnte Flussbett verlassen. Und auch in der Kirche sind manche überrascht, dass die Menschen wo anders hin strömen...
Eine Chance der Gottesbegegnung
Und was hat das alles mit Gott zu tun? Mit dem Kommen des Messias?
Wo wir unser eigenes Leben ordnen, bereiten wir zu einander Wege, auf denen wir uns begegnen können. Wo immer aufrichtige Begegnung unter Menschen zustande kommt, ist auch Gott gegenwärtig. In diesem Sinne gilt die Predigt des Johannes und der Propheten auch uns heute.
Mag. theol. Pater Hans Hütter, 02.12.2012
Mag. theol. Pater Hans Hütter

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Wer Visionen hat, braucht keinen Arzt
(Martin Stewen 2009)
Nur fest dran glauben
Wir befinden uns in der Zeit der Wirtschaftskrise - das weiß nun allmählich jeder. Ganz objektiv war die Situation auszumachen, als in Amerika nach zweifelhaften Investmentstrategien die ersten Banken in die Knie gingen und schließlich hier in Europa einige Unternehmen folgten. Bald ergriff die Situation verschiedene Zweige der Industrie und ihre Zulieferer. Inmitten dieser Situation vernimmt man plötzlich in den Medien Meldungen, die uns wissen lassen wollen, dass das Ende dieser Krise naht. Experten meinen ausmachen zu können, dass die Konjunktur wieder steigt, und nennen sogar Wachstumszahlen. Gleichzeitig aber hören wir immer noch von Konkursen und die Medien verbreiten Warnungen vor allzu viel Optimismus.
Angesichts so viel Widersprüchlichkeit wird einem vom Zuhören fast schwindelig. Klar - wer durch einen Konkurs betroffen ist, arbeitslos wurde und nicht gerade an einem goldenen Rettungsfallschirm von etlichen Millionen Euro Abfindung hängt, dem ist auch egal, welche Prognosen gerade verkündet werden - der will nur noch möglichst bald die eigene wirtschaftliche Haut retten. Wenn Sie aber nicht gerade allzu direkt betroffen sind und um ihre persönliche oder betriebliche Zukunft bangen müssen, haben Sie dann einmal in sich hinein gespürt, was all diese Wirtschaftsvorhersagen mit Ihnen machen?
Mal ehrlich: Wie oft können wir denn wirklich Prognosen mit unseren eigenen Erfahrungen abgleichen? Wenn ich gerade arbeitslos wurde, ist mir die wirtschaftliche Aussage 'es geht aufwärts' nur ein geringer Trost - wenn ich hingegen wirtschaftlich fest im Sattel sitze, berührt mich der Abwärtstrend ja nicht direkt. Oder?
Und doch: Wenn wir ganz tief in uns hinein hören, ist es doch vielleicht ein wenig anders. Macht sich nicht da, wo vorher der Frust regierte, angesichts einer positiven Vorhersage doch ein wenig Hoffnung breit? Und hat nicht doch jenen, die wirtschaftlich sorglos waren, die Botschaft von der Krise deftig Angst eingejagt?
Und tatsächlich ist es so, dass jene positiven Konjunkturvorhersagen, die wir ja gar nicht überprüfen können, bewirken, dass die Konjunktur wieder steigt: Die Menschen werden ein gutes Stück sorgloser, auch wenn die Nöte vielleicht groß sind. Sie werden um ein gutes Stück konsumfreudiger - und damit steigt die Konjunktur dann tatsächlich. Die gute Nachricht muss also nur verkündet werden, - sie erfüllt sich schließlich ganz von selbst. So einfach klappt das leider nicht immer, aber ein dahin gehender Trend ist durchaus festzustellen.
Die Alten haben es immer gewusst
"Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden. Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt." - Mit dieser Vision aus dem Buch des Propheten Jesaja unterstreicht der Evangelist Lukas seine Beschreibung vom Kommen des Gottessohnes in diese Welt. Der fromme Jude kennt diese Prophetenworte. Und Lukas setzt darauf: Die Spannung, die aus der bislang unerfüllten Verheißung des Propheten erwachsen ist, soll sich endgültig in Jesus Christus lösen. Unabhängig von der Bedeutung der Worte im Zusammenhang des Jesaja-Buches - Lukas als Mensch des neuen Bundes glaubt fest an ihre Erfüllung durch den Täufer am Jordan, der das Kommen des Gottessohnes verkündete. Aus der Sicht des Evangelisten gleichen so diese Visionen der Propheten durchaus modernen Prognosen: Der Glaube an die Visionen macht sie zur Wirklichkeit, - sie sind dann keine leeren Versprechungen.
Und man darf fragen: Was wäre aus Jesus und seinem Wirken geworden, wenn ihn keiner erwartet hätte
Nicht ganz dicht?
Der deutsche Altbundeskanzler Helmut Schmidt wird hin und wieder zitiert mit den Worten: "Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen." So einfach ist das aber nicht. Auch wenn der Blick in die Zukunft, die hoffnungsvolle Vorausschau etwas Unwirkliches, etwas Nebulöses an sich hat, kann sie doch zur Triebfeder für Handeln und Glaube sein. Das gute erfolgreiche Handeln in den Dingen unseres Lebens wie auch der tragfähige Glaube als Ergebnis einer Vision ist dann selber nichts Diffuses mehr, sondern eine Kraft, eine Macht, die Leben tragen kann und Wirklichkeit verändert. Dass es auch für Visionen des Glaubens wichtig ist, dass sie in einer Realität ankommen, darauf verweist Lukas, wenn er die Erfüllung der prophetischen Vision durch Johannes in einem ganz konkreten Umfeld geschehen lässt: "im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius; Pontius Pilatus war Statthalter von Judäa", so hörten wir.
Wer Visionen hat, braucht also keinen Arzt, sondern eine konkrete Situation, wo Visionen Wirklichkeit werden können. "Wenn das Leben keine Vision hat, [...] dann gibt es auch kein Motiv, sich anzustrengen," so der Psychoanalytiker Erich Fromm. Und das gilt auch für den Glauben. Die Visionen der Propheten sind der Himmel, zu dem sich der Evangelist hinstreckt, der Horizont, in dem das Reden und Tun des Gottessohnes eine Deutung erhält.
Leben träumen und Träume leben
Und: Visionen sind nichts Starres, tragen in sich eine Dynamik, die uns am Leben hält. Wenn wir an diesem zweiten Advent einen nächsten Schritt auf die Feier der Menschwerdung Gottes zu gehen, dann - und auch immer wieder - dürfen wir uns auch mit unseren eigenen Visionen vom Leben auseinandersetzen und uns fragen, was wir sehen, erhoffen, ersehnen, wenn wir aus dem Glauben an die Frohbotschaft leben. Welche Vision von meinem Leben, von dieser Welt trage ich in mir? Wohin führe ich mein Leben aus dem Glauben?
Der Menschenrechtler Martin Luther King hat 1963 seine berühmte Freiheitsrede gehalten: "I have a dream - ich habe einen Traum" - wovon träumen Sie?
Dr. theol. Martin Stewen, 06.12.2009
Dr. theol. Martin Stewen

"Bereitet dem Herrn den Weg!"
(Max Angermann 2009)
Machtpolitik
Das Evangelium bekommt Konturen und Gestalt durch Personennamen, Fakten, Zeitangaben. Das passt gut zu Lukas, dem angeblichen Verfasser dieses Evangeliums. Er wird auch als Historiker unter den Evangelisten bezeichnet. Das Evangelium hat viel zu verkünden in einer Zeit, in der die Mächtigen schamlos ihr Spiel mit der Not des Volkes trieben, es unter anderem auch steuerlich auspresste und sich die Familienmitglieder der lokalen Behörden die besten Pfründen zuschanzten.
Zwei dieser Persönlichkeiten, die Unheilsgeschichte geschrieben haben, bzw., die sich sehr schillernd gaben, sind uns besonders gut bekannt: Herodes, Teilfürst von Galiläa, und Pontius Pilatus, Statthalter, somit Repräsentant des Römischen Reichs im Heiligen Land. Die Familie des Herodes schaffte es immer wieder, sehr fragwürdige Koalitionen mit der römisch kaiserlichen Familie einzugehen, um den lokalen Machtbereich für ihre Sippe gut abzusichern. Das ist Machtausübung auf Kosten anderer, im schlechtesten Sinne des Wortes.
Johannes der Täufer, der es wagte, das Verhalten des Herodes Antipas anzuprangern, bezahlte seine Kritik mit der Enthauptung. Auch die Hohenpriester schufen sich aus dem Tempel heraus eine Machtposition. Sie verwalteten den gewaltigen Goldschatz, hatten somit nicht nur religiösen, sondern auch starken wirtschaftlichen Einfluss, eine Art Fort Knox der damaligen Zeit. Pontius Pilatus wiederum führte einen wahren Eiertanz auf, um Ruhe in Jerusalem und Judäa herzustellen und dem Kaiser in Rom zu zeigen, dass er sein unruhiges Machtgebiet fest im Griff habe und für religiöse Unruhen, die das Gebiet destabilisieren könnten, kein Verständnis aufbringt. Schließlich lebte ja auch er von den Einnahmen, die er durch die Zöllner aus dem Volk herauspressen ließ.
Johannes – Ein Prophet der Gesinnungsänderung
In diese Zeit hinein lässt Lukas Johannes d. Täufer, seine Frohbotschaft verkünden. Über Johannes d. Täufer brauche ich Ihnen nicht viel zu sagen, einiges ist aber für das heutige Evangelium doch bemerkenswert, was Augustinus (354 - 430) in seiner Predigt über Johannes d. Täufer schreibt: "Johannes wird geboren von einer unfruchtbaren Greisin (Elisabet), Christus von einer Jungfrau im Jugendalter. Der Vater (Zacharias) glaubt nicht an die Geburt des Johannes und wird stumm. Maria glaubt an Christus und empfängt ihn im Glauben. . . Johannes scheint so etwas wie eine Grenzlinie zwischen den beiden Testamenten, dem Alten und dem Neuen zu sein. . . Johannes stellt in der Person das Alte dar und verkündet doch das Neue. Weil er das Alte darstellen sollte, wurde er von einer Greisin geboren; weil er das Neue vertritt, wird er noch im Schoß der Mutter zum Propheten erklärt. . . Wessen Vorläufer er sein sollte, wurde angezeigt. . . Schließlich kommt Johannes zur Welt, erhält den Namen, und die Zunge des Vaters (Zacharias) wird gelöst. . . Verkündete Johannes sich selbst, könnte er den Mund des Zacharias nicht öffnen. Denn als Johannes den Herrn voraus verkündigte, wurde er gefragt: 'Wer bist du?' Er antwortete: 'Ich bin die Stimme des Rufers in der Wüste.' Johannes ist die Stimme, der Herr aber ist 'im Anfang das Wort.'" (siehe Augustinus Sermo 324: In Natali Joannis Baptistae III, 288)
Was verkündet Johannes? "Bereitet dem Herrn den Weg!" (Lk.3,4). Es ist eine Botschaft der Umkehr, eine Botschaft der Gesinnungsänderung. Alles, was es an Gewalt, Machtgehabe in Familie, Politik, Beruf gibt, soll eingeebnet werden. Das würde heißen, Straßen und Brücken zueinander bauen. Ein geduldiger Dialog, ein gegenseitiges Hinhören führt zum Heil.
"Jede Schlucht soll aufgefüllt…werden"(Lk. 3,5), ein Bild für Enge und Dunkelheit. Eine Dunkelheit ist die Sinnlosigkeit und Resignation. Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz, ihre Wohnung, Beziehungen zerbrechen, mühsam Erspartes ist dahin, aus welchen Gründen immer. Dann taucht die Frage auf: Wozu das alles? Wozu bin ich noch nütze? Das ist die Wüste des Lebens. Das ist ein Problem, das auch an Institutionen nicht vorbeigeht. Wie ernst werden Staat, Kirche und ihre Repräsentanten noch genommen? Sind sie glaubwürdig?
Säkularismus
Ein anderes gewaltiges Problem ist der schleichende Säkularismus, also die Lebensgestaltung ohne Gott. Wenn Sie den zeitgeschichtlichen Hintergrund dieses Evangeliums nochmals überlegen, finden wir dieses Problem schon in der Bibel. Die Hohenpriester setzen genauso wie die weltlichen Institutionen auf Machterhalt, reibungsloses Funktionieren des Tagesablaufs ohne Widerspruch, formal muss alles seine Richtigkeit haben, der Mensch selbst mit seinen Sorgen und Nöten bleibt auf der Strecke. Finden wir nicht Ähnliches in Staat und Kirche auch heute? Wer bin ich als Mensch, was geben mir Partei, Kirche, Brauchtum? Was hat Religion heute noch für einen Sinn? Bringt sie nicht eher Gewalt und Krieg? Der schleichende Säkularismus hat uns weltweit im Griff. Gar nicht wenige, leider auch Christen, feiern kirchliche Feste, ohne die Inhalte zu kennen und diese mitunter durch magisch-esoterische Rituale abzuändern. Vielleicht steckt heute auch große Angst vor der Übermacht der Institutionen dahinter. Manchmal sieht es aus, als wäre der kämpferische Atheismus im Vormarsch. - Los von Gott!
Johannes d. Täufer ist mit seiner Botschaft sehr aktuell: "Bereitet dem Herrn den Weg!" gilt auch für uns heute. Gott hat mit uns eine große Zukunft vor. Die Wege und Straßen mögen so eben sein, dass Gott und Mensch einander begegnen können, auch wenn wir im Leben manchen Umweg machen müssen.
Dr. Max Angermann, 06.12.2009
Dr. Max Angermann

"Alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt"
(Ulrich Behlau 2009)
Am ersten Adventssonntag lenkte das Evangelium unsere Aufmerksamkeit auf das Ende der Welt, hob diese Bedeutung des Advent hervor: Die Wiederkunft Christi zur Vollendung der Welt. Der zweite Advent holt uns in unsere Zeit zurück, bringt in feierlicher Form zur Sprache, wie alles begann. Es geht um das Heil a l l e r Menschen, das von Gott kommt.
Zunächst wird die Zeit bestimmt: "Es war im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius." Damit wird auf die höchste politische Autorität der damaligen Zeit verwiesen. Wovon hier die Rede sein soll, ist also von höchstem Belang. "Pontius Pilatus war Statthalter von Judää, Herodes Tetrarch von Galiläa, sein Bruder Philippus Tetrarch von Ituräa und Trachonitis, Lysanias Tetrarch von Abilene." Kürzer lässt sich die politische Lage nicht beschreiben: Palästina ist von den Römern besetzt, das Land geteilt. Neben diesen weltlichen Herrschern werden noch zwei geistliche Autoritäten genannt: die Hohepriester Hannas und Kajaphas.
In dieser Zeit und in dieser politischen Situation wird "Johannes, der Sohn des Zacharias" von Gott berufen. Es wird betont, dass ihn "das Wort Gottes" "in der Wüste" trifft. Bibelleser wissen, dass dies ein bevorzugter Ort des Wirkens Gottes ist, schon im Alten Testament, dann aber auch im Neuen. Auch Jesus beginnt dort. Auf ihn weist Johannes also hin. Er tut es in doppelter Weise. Er "verkündigt in der Gegend am Jordan Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden." Damit erfüllt er, was schon im Propheten Jesaja zu lesen ist: "Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden." Unwillkürlich kommen uns heute Luftbilder von Afghanistan in den Sinn. Diese zerklüftete Landschaft ist Sinnbild für Unheil, Unsicherheit und Hinterhalt. Wie soll dorthin das Heil Gottes gelangen? Wie soll dort ein Volk in Sicherheit leben? Das aber ist nach dem Buch Baruch die Absicht Gottes: "Senken sollen sich alle hohen Berge und die ewigen Hügel, und heben sollen sich die Täler zu ebenem Land, so dass Israel unter der Herrlichkeit Gottes sicher dahin ziehen kann." Lukas geht es jedoch um mehr als das Heil Israels. Er verkündet mit der Autorität des Propheten Jesaja und damit der Autorität Gottes: "Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt." Was hier anfängt, hat universelle Bedeutung! Es ist nicht Werk des Menschen, sondern Wirken Gottes!
In der Adventszeit können und sollen wir nicht vergessen, das Johannes der Täufer "nur" der Vorläufer Jesu ist. Wird Johannes schon als die Erfüllung alttestamentlicher Verheißungen vor Augen gestellt, dann erst recht Jesus. Wird Johannes durch die zeitliche Einordnung gekennzeichnet als Mensch von universeller Bedeutung, dann erst recht Jesus. So ist dieser 2. Advent bereits Hinweis auf den nächsten Adventssonntag, an dem Lukas das Selbstzeugnis des Johannes verkündet: "Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen." (Lk 3,16). Das Lukasevangelium, aus dem wir vorwiegend in diesem liturgischen Jahr lesen, ist klar gegliedert: Alles beginnt in Galiläa. Dann durchwandert Jesus das ganze Land der Juden, um in Jerusalem sein Werk zu vollenden zum Heil aller Menschen.
Pater Ulrich Behlau, 06.12.2009
Pater Ulrich Behlau
