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Martin Thurner
Du, Herr, hast uns berufen, dir in deinem Geiste zu folgen:
in deinem Geiste dieses Leben zu wagen,
in deinem Geist einander zu begegnen und gut zu sein.
Lass uns das Feuer dieses Geistes spüren, Herr,
dass es uns verwandle und unsere Kräfte wecken.
Mach, dass wir begeistert sind von dir
und dass wir, während wir auf dich schauen,
mit Mut und Vertrauen über unsere Angst
und unsere Sorgen hinausgehen.
Dein Geist führe uns auf dem Weg der Liebe
zu Verzeihung und Frieden, zur Menschlichkeit,
und lasse uns mit brennendem Herzen
zu Kündern deiner Herrlichkeit werden.
Margot Bickel
Die Wahrheit
eines Menschen
wird
glaubwürdig
mit den
kleinen Taten
in der Zeit
seiner
Endlichkeit
Adalbert Balling
Freude ist ein lichter, bunter Schmetterling, dem wir nachjagen.
Freude ist der Wunsch aller Menschen, aller Länder, aller Zeiten.
Freude ist international - wie das Lachen, wie das Weinen.
Freude spricht alle Sprachen.
Rudolf Stier 1827, in: EG Rheinland 552
Licht, das in die Welt gekommen,
Sonne voller Glanz und Pracht,
Morgenstern, aus Gott entglommen,
treib hinweg die alte Nacht;
zieh in deinen Wunderschein
bald die ganze Welt hinein.
Gib dem Wort, das von dir zeuget,
einen allgewalt'gen Lauf,
daß noch manches Knie sich beuget,
sich noch manches Herz tut auf,
eh die Zeit erfüllet ist,
wo du richtest, Jesu Christ.
Wo du sprichst, da muß zergehen,
was der starre Frost gebaut;
denn in deines Geistes Wehen
wird es linde, schmilzt und taut.
Herr, tu auf des Wortes Tür,
ruf die Menschen all zu dir!
Es sei keine Sprach noch Rede,
da man nicht die Stimme hört,
und kein Land so fern und öde,
wo nicht dein Gesetz sie lehrt.
Laß den hellen Freudenschall
siegreich ausgehn überall!
Geh, du Bräut'gam, aus der Kammer,
laufe deinen Heldenpfad
strahle Tröstung in den Jammer,
der die Welt umdunkelt hat.
O erleuchte, ewges Wort,
Ost und West und Süd und Nord!
Komm, erquick auch unsre Seelen,
mach die Augen hell und klar,
daß wir dich zum Lohn erwählen,
vor den Stolzen uns bewahr.
Ja, laß deinen Himmelsschein
unsres Fußes Leuchte sein!
Versöhnungslitanei aus Coventry, in: EG Rheinland 879.
In der Nacht vom 14./15. November 1940 zerstörte ein deutscher Bombenangriff die englische Stadt Coventry, die damit zum Zeichen eines sinnlosen und mörderischen Vernichtungswillens wurde. Nach dem Krieg wurde sie Ausgangspunkt einer weltweiten Versöhnungsbewegung mit dem Symbol des aus drei Nägeln der zerstörten Kathedrale gebildeten "Nagelkreuzes". Die Ruine der Kathedrale wurde zum Begegnungszentrum. Hier wird jeden Freitagmittag die 1959 formulierte Versöhnungslitanei gebetet:
"Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes,
den sie bei Gott haben sollten." (Röm 3,23)
Wir alle haben gesündigt und mangeln des Ruhmes,
den wir bei Gott haben sollten.
Darum laßt uns beten:
Vater, vergib!
Den Haß, der Rasse von Rasse trennt,
Volk von Volk, Klasse von Klasse:
Vater, vergib!
Das habsüchtige Streben der Menschen und Völker,
zu besitzen, was nicht ihr eigen ist:
Vater, vergib!
Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt
und die Erde verwüstet:
Vater, vergib!
Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der anderen:
Vater, vergib!
Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Heimatlosen und Flüchtlinge:
Vater, vergib!
Den Rausch, der Leib und Leben zugrunde richtet:
Vater, vergib!
Den Hochmut, der uns verleitet,
auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf dich:
Vater, vergib!
Lehre uns, o Herr, zu vergeben und uns vergeben zu lassen,
dass wir miteinander und mit dir in Frieden leben.
Darum bitten wir um Christi willen.
"Seid untereinander freundlich und herzlich und vergebt einem dem anderen, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus." (Eph 4,32)
Gertrud Kolmar, Im Lager in: Weibliches Bildnis, Gedichte. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1987.
Die hier umhergehn, sind nur Leiber
Und haben keine Seele mehr,
Sind Namen nur im Buch der Schreiber,
Gefangne: Männer. Knaben. Weiber.
Und ihre Augen starren leer
Mit bröckelndem, zerfallnem Schauen
Auf Stunden, da in düsterm Loch
Gewürgt, zertrampelt, blindgehauen
Ihr Qualgeächz,ihr Wahnsinnsgrauen,
Ein Tier, auf Händ und Füßen kroch ...
Sie tragen Ohren noch und hören
Doch nimmermehr den eignen Schrei.
Die Kerker drücken ein, zerstören:
Kein Herz, kein Herz mehr zum Empören!
Der leise Wecker schrillt entzwei.
Sie mühn sich blöde, grau entartet,
Vom bunten Menschensein getrennt,
Starr, abgestempelt und zerschartet,
Wie Schlachtvieh auf den Metzger wartet
Und dumpf noch Trog und Hürde kennt.
Nur Angst, nur Schauder in den Mienen,
Wenn nachts ein Schuß das Opfer greift ...
Und keinem ist der Mann erschienen,
Der schweigend mitten unter ihnen
Sein kahles Kreuz zur Richtstatt schleift.
Aus: Materialien zur Gebetswoche für die Einheit der Christen 2013: Mit Gott gehen http://www.oikoumene.org/fileadmin/files/wcc-main/documents/p2/2013/WOP2013ger_Einfuehrung.pdf
Die Dalits sind in der indischen Gesellschaft die Ausgestoßenen. Sie haben am meisten unter dem Kastensystem zu leiden: jener starren sozialen Schichtung, die sich auf Vorstellungen ritueller Reinheit beziehungsweise Unreinheit gründet.
Im Kastensystem werden die Kasten in "höher" und "niedriger" eingestuft. Die Dalits gelten als die, die am wenigsten rein sind und die am meisten verunreinigen. Sie stehen deshalb sogar außerhalb des Kastensystems und wurden oft als "Unberührbare" bezeichnet. Durch das Kastenwesen sind die Dalits sozial ausgegrenzt, politisch unterrepräsentiert, wirtschaftlich ausgebeutet und kulturell unterjocht. Fast 80 Prozent der indischen Christen haben einen Dalit-Hintergrund.
Obwohl die Kirchen in Indien im 20. Jahrhundert eine außerordentlich positive Entwicklung genommen haben, bleiben sie doch getrennt durch Unterschiede in Lehre und Bekenntnis. Diese Trennung ist Teil des europäischen Erbes. Verschärft wird die Uneinigkeit in den Kirchen und zwischen ihnen durch das Kastensystem. Ebenso wie Apartheid, Rassismus und Nationalismus stellt das Kastenwesen eine
schwere Herausforderung für die Einheit der Christen in Indien und so für das glaubwürdige Zeugnis von der Kirche als dem einen Leib Christi dar.
M. Albus, Paulo Evaristo Arns. Ich trage keinen Purpur, Düsseldorf (Lebenswege, Bd. 3) 1985, zitiert nach: Eugen Drewermann, Tiefenpsychologie und Exegese (II), Zürich und Düsseldorf: Walter Verlag 6. Aufl. der Sonderausgabe 2001.
Befreiung heißt wirklich, was Christus gesagt hat: Daß er gekommen ist, damit die Menschen wieder hören können, wieder sehen können, wieder gehen können, wieder in Gemeinschaft leben können, wieder atmen können, wieder leben können. Leben - im umfassenden Begriff dessen, was Leben heißt, mit allem, was drinsteckt. Ich will sagen: Wenn so Befreiung nicht geschehen kann, was heißt dann überhaupt das Wort Befreiung in der Bibel und in der ganzen Geschichte der Menschheit? Wir müssen unser Leben dafür einsetzen, daß das Volk befreit wird von all diesen Übeln. Und wirklich hoffen kann und neu leben kann. Das wird auch geschehen.
Max Frisch, Mein Name sei Gantenbein, Frankfurt: Suhrkamp Verlag 1974.
Ali, wie der Name schon sagt, war ein Araber, ein junger Schafhirt am oberen Euphrat, und es kam die Zeit, da er sich beweiben wollte. Aber Ali war arm. Ein anständiges Mädchen kostete in jener Gegend damals 15 Pfund, viel Geld für einen Schafhirten. Ali hatte einfach nur 10 Pfund. Als er hörte, im Süden seien die Bräute billiger, zögerte er nicht lang, nahm seinen Esel, füllte die Schläuche mit Wasser und ritt gegen Süden viele Wochen lang. Es war einfach Zeit, daß er sich beweiben sollte, er war jung und gesund. So ritt er voller Hoffnung, 10 Pfund in der Tasche, am Euphrat hinunter, wie gesagt, viele Wochen lang, indem er sich von Datteln nährte. Als Ali endlich in die gelobte Gegend kam, fehlte es ihm nicht an Töchtern, die ihm gefielen, nicht an Vätern, die verkaufen wollten; aber auch im Süden hatten die Bräute unterdessen aufgeschlagen, und für 10 Pfund war nichts zu heiraten, nicht einmal ein hässliches Mädchen. 12 Pfund war der Tageskurs, 11 Pfund eine einmalige Occasion; Ali handelte tagelang, jedoch erfolglos,10 Pfund war kein Angebot, sondern eine Beleidigung, und als Ali erkannte, dass nichts zu bestellen war, nahm er wieder seinen Esel, füllte die Schläuche mit Wasser und ritt gegen Norden, zu Tode betrübt mit seinen 10 Pfund in der Tasche, denn er hatte nichts davon verbraucht, als glaubte er noch immer an ein Wunder. Und natürlich blieb das Wunder nicht aus, das Ali verdiente, wenn er es erkannte.
Es war halbwegs zwischen Süd und Nord, als Ali an einem Brunnen, wo er seinen traurigen Esel und sich selbst labte, ein Mädchen erblickte wie noch keines zuvor, schöner als alle, die er für seine 10 Pfund nicht hatte bekommen können, ein blindes Mädchen. Das war schade. Das Mädchen war aber nicht nur schöner als alle, sondern auch lieber, da es blind war und in keinem Brunnen je gesehen hatte, wie schön es war, und als Ali es ihr sagte, wie schön sie sei, mit allen Worten, die einem arabischen Schafhirten geläufig sind, liebte sie ihn auf der Stelle und bat ihren Vater, dass er sie an Ali verkaufte. Sie war billig, ihrer Blindnis wegen wollte der Vater sie los sein, erschreckend billig: 6 Pfund. Denn keiner am ganzen Euphrat wollte eine blinde Braut. Aber Ali nahm sie, setzte sie auf seinen gelabten Esel und nannte sie Alil, während er selber zu Fuß ging. In den Dörfern, wo immer Ali mit seiner Alil erschien, trauten die Leute ihren eignen Augen nicht, niemand hatte je ein schöneres Mädchen gesehen oder auch nur geträumt; nur war es leider blind. Aber Ali hatte noch 4 Pfund in der Tasche, und als er nachhause kam, führte er sie zu einem Wunderarzt und sagte: Hier sind 4 Pfund, jetzt mach, dass Alil ihren Ali sieht. Als es dem Wunderarzt gelungen war und als Alil sah, dass ihr Ali, verglichen mit den andern Schafhirten ringsum, gar nicht schön war, liebte sie ihn trotzdem, denn er hatte ihr alle Farben dieser Welt geschenkt durch seine Liebe, und sie war glücklich, und er war glücklich, und Ali und Alil waren das glücklichste Paar am Rande der Wüste …
[...]
... das Märchen dauerte ein Jahr, da war's aus; der Umgang mit Alil hatte ihn angesteckt, so dass Ali langsam aber sicher erblindete, und es kam eine böse Zeit, denn kaum war Ali erblindet, konnte er nicht mehr glauben, dass sie ihn liebte, und jedesmal wenn Alil aus dem Zelt ging, wurde er eifersüchtig. Es nützte nichts, dass sie ihm schwor. Vielleicht ging sie wirklich zu den andern Schafhirten, das weiß man nicht. Ali konnte es ja nicht sehen, und da er solche Ungewissheit nicht aushielt, begann er sie zu schlagen. Das war schlimm. Sonst rührte er seine Alil nicht mehr an. So ging es lange Zeit, bis Ali sich rächte, indem er ein anderes Mädchen umarmte, das öfter und öfter in sein Zelt schlich. Aber auch das machte ihn nicht gesund, im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. Wenn er wusste, dass es seine Alil war, die jetzt in seinem Zelt lag, schlug er sie, und sie weinte, dass man es draußen hörte, und Ali und Alil waren das unglücklichste Paar am Rande der Wüste. Das war bekannt. Als der Wunderdoktor davon hörte, erbarmte es ihn und er kam, um Ali zu heilen, obschon dieser kein einziges Pfund mehr zahlen konnte. Ali konnte wieder sehen, aber er sagte es seiner Alil nicht, dass er wieder sehen konnte, denn er wollte ihr nachschleichen, und das tat er auch. Aber was sah er? Er sah Alil, wie sie weinte, da er sie im Zelt geschlagen hatte, und er sah, wie sie ihr Gesicht wusch, um in sein Zelt zu schleichen als das andere Mädchen, damit der blinde Ali sie umarme.